Kapitel 2

196 11 1
                                    

„Valeria", rief Vater mich und ich konnte grade noch erkennen, wie er hinter einer Tür verschwand. Das war die spektakulärste Flucht gewesen, die wir je zu Stande gebracht hatten. Vater hatte Elizabeth bedroht und den Commodore dazu gebracht, ihm unsere Habe wieder auszuhändigen und dann haben wir die älteste aller Piratentraditionen gepflegt und sind gerannt, wie die Teufel. Ich folgte meinem Vater und fand mich in einer Schmiede wieder. Niemand war dort, bis auf einen alten betrunkenen Mann, der nicht so schnell aufwachen würde, also blieb endlich mal Zeit zum durchatmen. Mein Herz schlug wie verrückt von der Anstrengung und meine Handgelenke schmerzten von den Ketten, die ich noch trug. „Wir müssen diese Dinger abbekommen", stellte auch Vater fest und hatte sogleich eine Idee. Er klemmte seine Ketten in einem riesigen Zahnrad ein, während ich den Esel antrieb, welcher wiederum die Zahnräder bewegte. Endlich war er frei.

Grade, als wir versuchten auch meine Ketten zu durchtrennen, öffnete sich der Riegel der Tür. „Los, versteck dich!", hauchte mein Vater mir zu, „Du bist Plan B". Ich wusste, was er nun von mir erwartete und kletterte in eines der großen Fässer, die weiter hinten in der Schmiede im Schatten standen. Ich war grade komplett darin verschwunden, als ein junger Mann die Schmiede betrat, Vater entdeckte und ihn in ein Duell verwickelte. Gespannt konnte ich durch einen kleinen Schlitz in dem Fass das Gefecht beobachten, meine Hand auf dem Griff meines Degens, bereit ihn im Notfall einzusetzen. Mit jedem Schritt wirbelte Staub auf und ließ die beiden Kontrahenten immer wieder verschwinden. Da schlug der Junge meinem Vater die Waffe aus der Hand und Vater zielte mit der Pistole auf ihn. „Ihr mogelt!", zischte der Junge. Vater zuckte mit den Augenbrauen. „Pirat." Plötzlich rüttelte jemand an der Tür. „Im Auftrag des Gouverneurs, öffnen sie die Tür!", war von draußen zu hören. Soldaten. Sie hatten sie gefunden. Ich kauerte mich tiefer in mein Fass. Falls Vater es schaffen sollte zu fliehen, würde ich ihn später am Hafen treffen. Doch der Junge ließ sich von Vaters Pistole nicht beeindrucken. Dabei konnte er gar nicht wissen, dass diese eine Kugel, dieser eine Schuss für jemand ganz anderen bestimmt war und Vater ihn sicher nicht an so einen Jungen vergeuden würde. Doch schon im nächsten Moment lag er bewusstlos auf dem Boden. Der Alte, der geschlafen hatte, als wir reinkamen, hat Vater mit einer leeren Flasche niedergeschlagen. Ich beschloss ihm zu Hilfe zu eilen, doch bevor ich mich nur rühren konnte, stürmten die Soldaten herein und nahmen ihn fest. Ich habe versprochen Plan B zu sein, also gab ich keinen Mucks von mir.

Ich musste eine halbe Ewigkeit in dem Fass gesessen haben. Meine Beine waren schon lange taub und es fiel kein Licht mehr durch die maroden Wände der Schmiede. Obwohl die Soldaten die ganze Schmiede nach mir abgesucht hatten, haben sie mich nicht entdeckt und meinem Vater schließlich geglaubt, wir hätten uns schon beim Hafen getrennt und er wüsste nicht wo ich sei. Leider konnte ich noch immer nicht aus meinem Versteck heraus, weil der Junge, den ganzen Abend noch an einem Degen arbeitete. Ich war schon halb eingenickt, als plötzlich ein Schuss ertönte. Ein Kanonenschuss und das Geräusch von einer zerberstenden Mauer. Der Schmied griff sich eine Axt und sprang zur Tür hinaus. Endlich konnte ich aus dem dreckigen Fass herausklettern. Ich folgte dem Jungen leise. Draußen wütete eine Schlacht, wie sie sie nur zu gut kannte. Ein Überfall. So gut es mit den Ketten um meine Handgelenke ging kletterte ich auf einen Karren und von dort aus auf das Dach der Schmiede, um mir erst einmal einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Ich erkannte das Schiff auf den ersten Blick. Es war die Black Pearl mit ihrer Crew aus Verdammten. Über ein Loch im Dach verschaffte ich mir wieder Zutritt zur Schmiede und versteckte mich diesmal zwischen den Dachbalken. Ich hatte die Crew und Barbossa bereits kennengelernt und es war besser, wenn sie mich nicht in ihre Finger kriegen würden. Ich wollte das Chaos, was dieses Schiff und ihr Kapitän hinterließen ausnutzen, um meinen Vater aus den Fängen der Soldaten zu befreien, wenn er es nicht schon längst geschafft hatte.


Die Tochter des CaptainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt