Kapitel 4

109 5 0
                                    

"Doch wieder stehe ich hier und sehe meine geliebte Pearl davon segeln". Vater riss seinen Blick von dem kleinen Zellenfenster los und lehnte sich an die Tür: "Liebes, würdest du deinem alten Herren einen Gefallen tun und ihn endlich aus dieser verfluchten Zelle herausholen?" Gehorsam nickte ich und machte mich auf die Suche nach dem Schlüssel. Vater half mir: "Der Köter hat die Schlüssel." Ich hatte mich dem Mistvieh noch keine 3 Meter genähert, als der Klang einer Tür, die ins Schloss fiel, laut im Kerkergewölbe widerhallte und den Hund verscheuchte. Ich warf meinem Vater noch einen besorgten Blick zu und glitt lautlos hinter einen Mauervorsprung, eine Hand griffbereit auf meinem Degen.

Eine schmale Gestalt stolperte hastig die Treppen hinunter, den großen Hut tief in das Gesicht gezogen. Er war kein Soldat und doch brauchte ich einen Moment um zu erkennen, dass der junge Schmied, der zuvor mit Vater gekämpft hatte vor seiner Zelle stand. Ich drückte mich noch tiefer in die Ecke. Er sollte nicht wissen, wo ich war. 

"Sparrow", polterte er. Vater hob nur gelangweilt den Kopf. "Was wollt Ihr hier Bursche?" "Sie haben Miss Swan". Der Junge schluckte. "Ihr seid ein Pirat. Sagt mir, wo liegt ihr Heimathafen?" "Wo liegt ihr Heimathafen? Dieses Schiff voll verdammter hat keinen Heimathafen", lachte Vater und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Der Schied schien verzweifelt: "Irgendwo muss doch auch ein Geisterschiff mal anlegen." "Natürlich. Ihr sprecht von der Insel, die von niemandem gefunden werden kann, außer von denen, die wissen, wo sie liegt." Vater grinste. "Ihr müsst mir helfen Elizabeth zu retten." Der Schied sah ihn eindringlich an, doch Vater winkte ab. "Willst du das nicht lieber dem Stolz der königlichen Marine erledigen lassen? Für wen hältst du dich?" Der Junge schob den Federhut aus seinem Gesicht. "Mein Name ist Will Turner und ich kann besser mit dem Degen umgehen, als jeder andere hier in Port Royale". Er reckte die Brust.

Vater bemerkte mich als erster, als ich aus den Schatten hervor trat. "Will Turner? Die Kurzform von William nehme ich an?", fragte ich ihn. Langsam dämmerte es mir, wie das Aztekengold seinen Weg nach Port Royale gefunden hatte. Vater warf mir einen vielsagenden Blick zu. "Benannt nach deinem Vater nehme ich an..." Nachdenklich rieb Vater sich das Kinn, während Will mich noch immer verdutzt betrachtete. "Wie konntet Ihr vor den Soldaten fliehen?" Er runzelte die Stirn. Ich antwortete ihm nicht. Vater heckte einen Plan aus, das sah ich ihm an. Will sah zwischen Vater und mir hin und her: "Also, habe ich euer Wort? Eure Freiheit im Gegenzug für die Unterstützung nach der Suche nach Elizabeth?" "Und wie wollt ihr ihn da raus holen?", ich deutete auf die Gitter, die meinen Vater noch immer von seiner Freiheit trennten, "Die Schlüssel sind weggelaufen." Der junge Schmied schien kurz zu überlegen, dann erhellten sich seine Gesichtszüge. "Ich habe beim Bau der Zellen geholfen", eröffnete er. "Das sind Scharniere mit halben Stift. Mit dem richtigen Hebel und angemessenem Kraftaufwand lässt sich die Tür ganz einfach aushebeln." "Und was willst du als Hebel.." Vater konnte seinen Satz nicht beenden, da hatte Will schon eine Bank als Hebel genutzt und die Zellentür einfach ausmontiert. 

"Was tun wir hier unten?", fragte Will ungeduldig. Ich verdrehte die Augen. In seinem hübschen Kopf steckte scheinbar nicht viel drin. "Wir kapern ein Schiff", rügte ich ihn und bedeutete ihm leise zu sein. Wir standen bis zu den Knien im Wasser und duckten uns unter einer Brücke am Hafen um nicht entdeckt zu werden. Der Betrieb am Hafen lief trotz der nächtlichen Überfälle langsam wieder an und überall tummelten sich Soldaten, die ein Schiff seetauglich machten. Will deutete auf die Interceptor, die im Hafenbecken festgemacht war. "Dieses?" Er schien verdutzt. "Nein. Dieses Schiff!", eröffnete Vater und deutete auf die Dauntless, die im tieferen Gewässer des Hafens vor Anker lag. Fassungslos schüttelte er den Kopf: "Ihr seid ja wahnsinnig." Ich wischte mir das Wasser von der Stirn, das unaufhörlich von der Brücke tropfte und lachte leise: "Es ist immer wieder erstaunlich, wie nahe Genie und Wahnsinn beieinander liegen, nicht Wahr Mister Turner?" Schelmisch grinste ich über meine Schulter hinweg und nah, wahr, wie er hinter mir die Lippen aufeinander presste. Mein Gelächter quittierte er mit einem Brummen. "Wie kommen wir nun auf die Dauntless, Jack?" Vater deutete nur auf ein altes Fischerboot. Ich kannte den Trick. Wenn man ein Boot mit dem Rumpf nach oben in das Wasser führt, bildet sich ein Hohlraum, der mit Luft gefüllt ist. So konnten wir uns unter Wasser an den Soldaten vorbeischleichen, ohne auftauchen zu müssen.



Die Tochter des CaptainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt