CCC5

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Es war perfekt gewesen alles. Wo es am schönsten ist, soll man aufhören. Ich war müde und hatte auch keine Lust mehr auf Menschen, nur auf A., an seine Schulter gelehnt noch eine Weile planlos hier in der großen Halle sitzen vielleicht. Ich betrachtete das Abenteuer als abgeschlossen und meine Energie als verbraucht.

"We need to show you the Rooftop!", rief A. zu seinem Kumpel. Ich versuchte ihm so subtil es ging zu wiedersprechen. Es nützte nichts. Einfach hier in unserem Nest aus Sachen sitzen zu bleiben und zu warten bis sie zurück wären, kam für mich auch nicht in Frage. Also los.

A.'s Entdeckerenergie war ungebrochen. "But we could use this way", sagte ich und deutete auf einen bekannten, zielführenden Flur. "But we could find another way!", rief A. glücklich. "True", sagte ich und gab nach, folgte nun auch nur noch passiv. A. hatte genug Energie für uns drei.

Oben holten wir wieder laut scharrend die Leiter zum Dach vom Dach hervor. A. und sein Freund kletterten nach oben, ich hielt die Leiter unten fest und beschloss zu warten, während sie über den Kies des Helikopterlandeplatzes knirschten.

Eine Weile, vielleicht 5 Minuten, stand ich so herum und genoss die Stille und die Nachtluft, als sich das Knirschen wieder näherte. Ein Kopf streckte sich hervor. Es war nicht A. oder sein Freund.

"Oh, hi!", rief der Kopf, eine dunkle Silhouette gegen den noch dunkleren Nachthimmel. "Hi.", erwiderte ich, gerade noch wach genug, um mich zu wundern. "Who are you and how did you get there?"

A. und sein Freund und noch eine weitere Person erschienen und brachten kleine glühende Zigarettenstummellichter mit. Es war ein starkes Bild, irgendwie.

Die anderen beiden hatten zufällig einen anderen Weg auf das Dach vom Dach gefunden, meinten sie. Der eine trug einen Schlips und einen Ledermantel und eine - es war der Typ mit der Fellmütze. "I love your outfit.", rief ich "And I wanted to take a photo of you! So grad that I found you here again at the rooftop!". Wir lachten. Ich fotografierte ihn.

Ich weiß die Namen der anderen beiden nicht mehr, doch sie waren auch aus Polen. Anscheinend klettern Leute aus Polen gerne auf Dächer. Schon irgendwie witzig, so stand ich hier mit den Vieren auf dem Dach der Kongresshalle und schaute ihnen beim Rauchen zu.

"We were in Hall one, and someone was turning on the light and we were scared as hell.", sagte der eine. "And we thought you were the Security and we were scared as hell!", rief A. Lachen. Die Welt war ein Dorf, und diese Kongresshalle unsere Welt.

Als wir nach wieder ins Gebäude gingen, machte die beiden anderen einen kurzen Abstecher, um ganz routiniert die Dachluke vom Dach vom Dach zu schließen. Einer der Security Menschen sah uns vor der Tür und schaute weg, und wieder in sein Buch.

Dann machten wir schließlich nochmal einen Abstecher in Halle 1. Dunkel und ohne Menschen, nun nicht mehr vom metallenen Nest aus, sondern selbst durch die Stuhllandschaft streifend.

„Lets go to the stage!", rief A. und polterte schon die Stuhlreihen hinab. Ich folgte ihm lachend.

Auf der Bühne machte er einen Luftsprung und einen Purzelbaum. Ich liebte dass dieser große schwere Mensch sich ausgesucht hatte, gerne zu rennen und zu springen. Es machte mich - ohne Scheiss - so so glücklich. Er war wie ein Kind dem die eigene Größe egal war. Und ich weiß, das klingt jetzt erstmal widersprüchlich: aber er war anmutig. Wie er manchmal die Arme schlenkerte oder große langsame Schritte machte, war er einfach schön.

Wir saßen noch eine Weile vor der Bühne in dieser riesigen leeren Fluchtschildlicht-halbdunklen Halle und schwatzten und philosophierten, als wäre es der normalste Ort der Welt dafür.

Irgendwann, ich glaube es war mittlerweile 4, verabschiedeten wir uns, Abschiede sind komisch. Ich schaute A. an, ich weiß nicht, ob ich irgendetwas erwartete. Ich glaube, er wusste es auch nicht. Sein Kumpel und die anderen beiden Leute waren noch dabei, ich nickte ihnen oberflächlich zu, schaute A. nochmal an. Dann winkten wir uns. Als ich mich noch einmal umdrehte, redete A. schon wieder mit den anderen. Ich nahm von einer Verschenkekiste noch ein paar Orangen für meine Hamburger WG als Gastgeschnek mit, und trat meinen Heimweg durchs nächtlichfrühmorgendliche Hamburg an, um noch ein paar Stunden Schlaf zu ergattern. Ich hatte extra einen späten Zug am nächsten Morgen gebucht, alter Konferenzerfahrung sei Dank.

Im Zug fragte mich ein Wohnungsloser nach Geld, doch ich hatte keins und konnte ihm nur Orangen anbieten. Er freute sich sehr und wünschte mir ein schönes neues Jahr. Stimmt, morgen war ja Neujahr. Es war ein schöner Moment.

Am nächsten Tag auf dem Weg zurück, im Zug, hatte ich das Gefühl, dass sich mein Gehirn komplett umbaut.

Anonymous Analog ClubWo Geschichten leben. Entdecke jetzt