Ich kann irgendwie nicht essen. Es ist Nachmittags um 4 und ich hab keinen Hunger. Und ich will das alles aufschreiben und weiß nicht wie. Dieses Weißes-Unbeschriebenes-Blatt-Gefühl, es ist ganz ganz stark und zwar nicht, weil heute der zweite Tag des neuen Jahres ist, sondern weil es der erste Tag wieder zuhause ist. Ich bin alleine, und es gibt Dinge zu tun, und ich kann auch einfach wieder anfangen mit meiner Arbeit, mich wieder Abends mit Leuten verabreden, bis meine Wg wiederkommt, und wieder Kaffe trinken und Musik hören und Joggen gehen, um mich wach zu halten.
Aber ich muss jetzt erstmal etwas essen. Und sitze neben dem Küchentisch, auf einem kleinen Hocker, benutze die Couchlehne als "neuen" Tisch und starre abwechselnd aus dem Küchenfenster in den Hof und auf Annas Avocadobaum. Ich will Dinge nicht so machen wie vorher,
ich will dieses Gefühl irgendwie behalten.
Deshalb hab ich heute meinen Einkauf zu Fuß erledigt und auch den zur Postfiliale, um ein Paket zu holen, verrichtete ich bewusst langsamer. Ich hörte Deutschlandfunk Nova statt Spotify. Ich versuchte weniger am Laptop zu sein, doch kurz nachdem ich auf Ebay ein Tastenhandy bestellt hatte, hing ich irgendwie doch wieder zwischen Bildschirm und Tastatur fest. Auch, weil ich versuchte das alles aufzuschreiben, und
- das weiße unbeschriebene Blatt.
Oder eher: der leere helle Bildschirm.
Wobei - es ja auch nicht so, dass es so besonders wäre, dass ich es gar nicht schaffen würde, die Worte zu finden. Ich hab schon für kompliziertere Sachen die richtigen Sätze geformt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es gar nicht mal kompliziert ist, sondern eben ganz simpel. Und dass ich Angst hab, dass man dann nicht versteht, wie wichtig es ist - trotz all der Einfachheit.
Ich hatte zwischen Weihnachten und Neujahr vier Tage bei einem Kongress in Hamburg verbracht, dem CCC, dem Chaos Communication Congress, oder, wie jemand mir später sagen würde: "this beautiful Clusterfuck.". Es war der Jahresabschluss für die Mitglieder des Chaos Computer Club, dem deutschen Hacker Verein.
Stattgefunden hatte in der CCH, dem Congress Center Hamburg, und das Logo oben an dem Gebäude war durch ein von einem C in den Schatten gestellten H entsprechend angepasst worden. Und das spricht eigentlich schon für den ganzen Kongress an sich, und die ganze Hacker Community: man kann alles verändern, Lücken finden, Grenzen überschreiten. Immer, irgendwie.
Vielleicht war der gesamte Kongress auch für mich wie ein großes Vorglühen für diesen letzten Abend, den ich hier aufschreiben will. Vielleicht funktioniert dieser Text nicht, ohne dass ich nicht auch über den Kongress schreibe. Bestimmt kann ich das mal noch machen. Aber nicht jetzt.
Das ganze Spektakel, das alles, this beautiful Clusterfuck, war nun also bereits vorüber, jemand hatte ein "Types of Headaches" Meme erstellt, und der höchste Schmerzgrad hatte dabei Überschrift: "4 Tage CCC Kongress".
Dieses Bild lief jetzt über alle Bildschirme in der Veranstaltungshalle, und brachte mich und andere Menschen zum Lachen. Ich war auf den Weg zum Infotisch. Denn ich wollte beim Abbau helfen. Und danach wollte ich die selbstgebaute "Kongress Sauna" am Hafen anschauen, denn ich liebe Saunas und stellte mir diese unglaublich lustig vor. Es sollte der perfekte Abschluss werden, da ich die anderen Tage immer bis Nachts um 2 im Geschehen unterwegs gewesen und nie dazu gekommen war, abends noch in diese Sauna reinzuschneien. Doch dieser perfekte Abschluss wurde es nicht. Und meine Entscheidung, beim Abbau zu helfen, sollte eine der Besten gewesen sein.
Diese - ich würde sie als eine Art motorlosen Gabelstapler bezeichnen, diese ziehbaren Wagen, wie sie von Angestellten durch Supermärkte navigiert werden, um Regale zu beliefern, die heißen: Ameisen. Gerade kam ich mit solch einer "Ameise" und einigen darauf gestapelten Paletten in Halle 4 gefahren, in der die "Antifa Village" nun abgebaut wurde. Da sah ich den Typen in der orangenen Kargo Hose wieder. Doch erstmal war das nicht so wichtig.
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Anonymous Analog Club
Short StoryKaputte konzentrationslose Gehirne schreien nach Lösungen. Während ich all meine Kraft sparen muss, denn ich bin gerade dabei mich zu verlieben, und wir wissen, das ist nicht immer leicht. In den Niederlanden möchten Häuser besetzt werden, unbedingt...