Die ersten Wochen verstrichen und ehe ich mich versah, war auch schon Halloween. Das Schloss war festlich geschmückt und nach dem Essen in der großen Halle, feierten wir eine kleine Party im Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Die Siebtklässler waren ausnahmsweise wo anders hingegangen, sodass wir Fünft- und Sechstklässler den Raum für uns hatten. Ich bemerkte, dass sich auch ein paar Viertklässler unter uns tummelten und sogar auch ein oder zwei Drittklässler, die sich neugierig das Geschehen ansahen. Ich nippte an meinem Butterbier. Stella war mit ihrem Freund zu Gange, Luke ließ den Vertrauensschüler raushängen und Danny unterhielt sich mit irgendeinem Mädchen über Quidditch. Deswegen erwartete ich nicht, dass sich jemand neben mich setzte und mich ansprach. "Du bist Lucy, oder? Ich bin Chase." Der Junge hielt mir seine Hand hin. Er hatte braune Haut, dunkle Augen und einen schwarzen Undercut. Allerdings konnte ich nicht sagen, ob sie gefärbt waren oder nicht. Ich sah zwischen seiner Hand und seinem Gesicht hin- und her. "Kennen wir uns?", fragte ich und zog eine Augenbraue hoch. Er rollte mit den Augen und ließ seine Hand geräuschvoll auf sein Knie fallen. "Deine Mutter datet meinen Onkel", erklärte er. Der Neffe von Adrian Pucey ging also nach Hogwarts. Gut, und was wollte er jetzt von mir? "Kennst du meinen Onkel gut?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich hab ihn erst einmal getroffen. Hör mal zu, was willst du mit diesem Gespräch erreichen?" Chase prustete. "Nicht in der Stimmung für ein wenig Small Talk?" Die Frage war rhetorisch, also antwortete ich nicht. Er verdrehte die Augen, als hätte er auf meine Reaktion gewartet. "Gut, dann komme ich gleich zum Punkt, aber beschwer' dich nachher nicht." Aha, er wollte also tatsächlich auf etwas hinaus. Jetzt war ich gespannt. "Die beiden waren schon mal zusammen, als sie hier auf der Schule waren. Ich hab viel Zeit bei meinem Onkel verbracht und seine Freundin hat vor ein paar Wochen mit ihm Schluss gemacht. Die beiden waren seit Jahren zusammen und ich glaube, sie hat irgendwas herausgefunden, was ihr nicht geheuer war. Und direkt danach hat er deine Mum besucht, Sophie McGovan. Sie hat also etwas damit zu tun und du musst mir helfen, es raus zu finden." Ich sah ihn verständnislos an. "Also, du willst mir damit sagen, dass meine Mum und Adrian ein Geheimnis haben und es irgendwas mit ihrer Schulzeit hier zu tun hat?", fragte ich nach. "Du lässt es klingen, als wäre ich komplett verrückt." Ich sah ihn mit meinem besten Dein-Ernst-Blick an und er drückte seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. "Okay, okay. Jetzt mal so rein theoretisch: Wie könnte ich dir in irgendeiner Weise hilfreich sein?", gestikulierte ich. Er zuckte mit den Schultern. "Was weißt du denn über die Schulzeit deiner Mum?" Ich überlegte. "Nicht viel eigentlich. Sie hat mir nur mal erzählt, dass sie damals sehr viel verbotenes Zeug angestellt hat. Sie war eine Rebellin." Chase nickte schmunzelnd. "Einen Slytherin zu daten passt wohl zu ihrem rebellischen Auftreten." "Sie hat mir nie was von irgendeinem Freund aus Slytherin erzählt. Ich wette, meine Tante hätte sie damit mindestens einmal aufgezogen." Er zuckte mit den Schultern. "Die Beziehung war heimlich. Vermutlich wusste niemand außer den beiden was davon." Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme, soweit das mit einem Glas Butterbier in der Hand möglich war. "Wieso weißt du dann davon?" "Wie gesagt, mein Onkel und ich stehen uns nahe. Er hat mir davon erzählt." "Na, dann." Wir schwiegen für eine Weile. Meine Gedanken drifteten weg und mein Kopf war nur noch mit den gedämpften Gesprächen und der Musik gefüllt. "Hörst du mir zu?" Chase rüttelte an meiner Schulter. "Hm, was?" Ich zuckte zusammen. Er verdrehte die Augen. Das schien wohl so etwas wie sein Markenzeichen zu sein. Aber dieses Mal hatte er den Anschein eines Lächelns auf den Lippen. "Ich hab gesagt, dass wir mit irgendwem reden müssen, der den beiden damals nahe stand." Ich sah ihn an, unwissend was ich von dieser Idee halten sollte. "Hey, ich hab nie gesagt, dass ich hier mitmache", stellte ich klar und nahm einen Schluck Butterbier. Nachdem ich mir den Schaum vom Mund gewischt hatte, fuhr ich fort. "Diese ganze Geschichte ist verrückt. Du hast nicht mal Beweise, dass irgendwas Krasses passiert ist. Vielleicht lief es zwischen Adrian und seiner Freundin einfach nicht mehr." Ich trank den Rest meines Getränkes aus und stellte das Glas schwungvoll auf den winzigen Tisch neben mir. "Spiel von mir aus deine Detektivspielchen, aber halte mich da raus, okay?" Ich sah ihn ernst an, stand auf und gesellte mich zu Luke. "Mit wem hast du da geredet?", fragte er kurz, während seine beiden Gesprächspartner in eine Diskussion verwickelt waren. Ich verschränkte die Arme und lehnte mich an der Wand an. Mein Blick fiel kurz auf Chase, der zu mir sah. Ich wand meinen Blick wieder ab und blickte hoch zu meinem Cousin. "Niemand wichtiges, der Typ ist verrückt." Er lachte und tätschelte meine Schulter, bevor er sich wieder in die Diskussion einbrachte. Es ging darum, ob geschlechtsneutrale Toiletten eingeführt werden sollten. Ich gab ebenfalls meinen Senf dazu und wir argumentierten lautstark über den Lärm der Feier hinweg.
DU LIEST GERADE
Schimmern deines Nebels
FanfictionScheidungskind und Hexe Lucy Haynes kehrt für ihr fünftes Schuljahr zurück nach Hogwarts. Dort warten ihre Freunde, ihre Familie und eine schwierige Phase ihres Lebens auf sie. Nach einem großen Skandal versucht das junge Mädchen die Wahrheit aufzud...