Kapitel zwei

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Die kühle morgendliche Luft strich mir über die Haut, während ich gemächlich durch die noch wenig besuchten Straßen der Stadt schlenderte. Ich war früh dran, weshalb ich mir genug Zeit lassen konnte, um mich auf meinen Weg zur Schule genauer umzusehen. Ich merkte mir Kleinigkeiten wie eine Bank, die mit Dutzenden von kleinen bunten Stickern beklebt war, oder einen gestützten Baum, dessen Krone aussah wie der Kopf eines Einhorns. Außerdem kam ich an einigen Boutiquen vorbei, in die ich beschloss, in den nächsten Tagen hinein zu gehen und ihr Sortiment auszukundschaften. Vielleicht waren diese ja besser als die aus meiner alten Heimatstadt. An einigen Schaufenstern vertrödelte ich ein wenig Zeit, da ich keine Lust hatte, noch eine halbe Stunde allein in der Schule herum zu hocken. Doch als ich irgendwann auf die Uhr sah, bemerkte ich, dass ich mir vielleicht ein wenig zu viel Zeit gelassen hatte. Also rannte ich die letzten Häuserblocks, bis das Gebäude der Highschool in Sicht kam und ich mein Tempo ein wenig drosselte. Dieser Sprint entspannte mich wieder ein wenig. Obwohl ich das Laufen liebte, hatte ich seit dem Einzug noch keine Gelegenheit gehabt, dieser Leidenschaft nachzukommen. Ich nahm mir vor, es in den nächsten Tagen zu versuchen. Dadurch konnte ich mich auch von diesem scheußlichen Schulalltag ablenken und einfach mal abschalten, wie ich es sonst auch immer getan hatte.
Nun stand ich allerdings vor der Highschool, meinen Rucksack geschultert und meinen Stundenplan in der Hand, auf dem die Räume vermerkt waren, die ich aufsuchen musste.
Auf dem Campus war schon allerhand los. Schüler standen in Grüppchen herum, Mädchen tuschelten hinter vorgehaltenen Händen und Jungs lehnten lässig an der Schulmauer, um die weiblichen Mitschülerinnen zu beeindrucken. Ohne sie weiter eines Blickes zu würdigen huschte ich an ihnen vorbei hinein in das Gebäude. In den Gängen war nicht weniger los als draußen. Überall tummelten sich Schüler an den Schließfächern und an den Eingängen der Klassenräume. Mit viel Glück fand ich meinen Spind wieder und zog den Schlüssel heraus, den ich am Vortag von der Sekretärin bekommen hatte, um ihn aufzuschließen. Es war ein wenig kompliziert, doch mit ein bisschen Geduld schaffte ich es schließlich, die Tür zu öffnen. Gerade wollte ich meine dicken Wälzer hinein stopfen, damit ich sie nicht den ganzen Tag mit mir herum schleppen musste, als jemand neben mir ihr Schließfach aufschlug und mir dabei meine Tür vor der Nase zustieß. Erschrocken konnte ich gerade noch rechtzeitig meine Hand zurück ziehen. Ärgerlich wandte ich mich zu dem Mädchen, dem das Fach neben mir gehörte. Meine Wut wurde größer, als ich das Barbiemädchen erkannte.
»Kannst du nicht aufpassen?«, fauchte ich sie an. Albern zog sie ihre dünnen Augenbrauen hoch und sah auf mich hinab, als wäre ich ein Insekt.
»Ach, das tut mir aber leid, ich hab dich gar nicht gesehen.«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme.
»Dann mach gefälligst deine Augen auf!«, erwiderte ich ärgerlich. Jetzt musste ich das Schloss nochmal aufschließen, das hatte ja beim ersten Mal schon lange genug gedauert!
»Das habe ich, aber du bist einfach zu unsichtbar. Nicht wahr, Mädels?« Hinter ihr standen wieder ihre beiden Begleiterinnen, Blondie eins und Blondie zwei, die mir grinsend zu nickten.
»Dann leg dir mal ne Brille zu!«, schlug ich vor und machte mich wieder an meinem Schloss zu fassen.
»Na ja, ich weiß nicht, ob ich mich so schnell daran gewöhnen kann, dass jetzt jemand neben mir einen Spind hat.«, sagte sie, legte ihre Bücher hinein und schlug die Tür laut zu. Da ertönte auch schon die Schulklingel. Mein Schloss war immer noch nicht offen. Nun musste ich die Bücher doch mit mir herum tragen! Zoey lächelte mich an.
»Wir sehn uns.«, flötete sie und stolzierte hoch erhobenen Hauptes davon. Schlecht gelaunt machte ich mich auf die Suche nach dem Raum meines Geografieunterrichts und betrat ihn gerade noch rechtzeitig, bevor der Lehrer auch schon die Tür schloss. Als ich Zoey und ihre beiden Freundinnen in den ersten Reihen entdeckte, sank meine Laune noch weiter und ich verkroch mich in die hinterste Ecke, so weit wie möglich von ihnen entfernt. Der Unterricht zog sich dahin wie zäher Kaugummi und mein Block war schon nach zehn Minuten vier Zeichnungen reicher geworden. Eine zeigte unseren alten Geografielehrer, der mit seinen weißen Haaren aussah, als müsste er schon um die hundert sein. Genauso verhielt er sich auch, denn er bemerkte überhaupt nichts. Nicht einmal, als Zoey und ihre Freundinnen albern zu kichern begangen, redete er einfach weiter. Die anderen Zeichnungen zeigten die Schüler in den Reihen vor mir und das Fenster, durch das man die Sonne scheinen sehen konnte. Was würde ich nur dafür geben, jetzt woanders zu sein und das schöne Wetter genießen zu können!
Die Sonnenstrahlen wärmten meine Haut auch durch die Glasscheibe hindurch und ich schloss instinktiv die Augen, Professor Peterson würde sowieso nichts mitkriegen.

Bewitched - Die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt