Welcome to my life

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Schreiend schrecke ich auf. Verschwitzt und keuchend sitze ich in meinem Bett und halte panisch nach der Gefahr ausschau. Ich ziehe meine 9mm Pistole unter meinem Kissen hervor und schleiche durch den Raum. Alles ist wie es sein sollte. Der Mond schient durch das zerbrochene Fenster in unser Schlafzimmer. Langsam beruhigt sich mein Herzschlag. Trotzdem umklammere ich die Waffe etwas stärker und sehe in den anderen Betten nach meiner Familie. Mom, Oliver und Tante Keira. Alle da, alle in Sicherheit. Ich schnaube. So sicher wie man es hier eben sein kann. Vorsichtig hocke ich mich neben das Bett meines Bruders. Er schläft tief und fest. Sanft decke ich ihn wieder ordentlich zu. Ich wische mir das verschwitze Haar aus dem Gesicht und tappe zum Fenster. So leise wie möglich versuche ich die löchrigen Gardinen zuzuziehen. Nach einigen Minuten gebe ich es auf, setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett und starre frustriert auf die Waffe in meinen Händen. So ein Mist. Das war heute der erste Rückschlag nach Monaten. Den Traum den ich hatte, kenne ich nur zu gut. Es ist eher eine Art Trauma. Ich kann mich noch sehr genau an diesen Tag erinnern. Das war vor sieben Jahren, als noch Krieg auf der Erde herrschte. Es war der Tag an dem wir aus der gesicherten Zone geworfen wurden. Wer seinen Beitrag leisten konnte oder eng mit einem Offizier verwandt ist, hat die große Ehre beschützt zu werden. Ist das nicht der Fall, hast du eben Pech und musst alleine klar kommen. Die ersten Jahre des Krieges verbrachten meine Familie und ich in dieser besagten Zone, doch nach dem Tod meines Vaters, der ein hohes Tier im Militär war, wurden wir abgeschoben. Unpraktischerweise wurde an diesem Tag ein Großteil des B1, wie sie bezeichnet wurde, zerbombt. Ich würde ja gerne behaupten, dass es mir leid tut, aber das wäre eine Lüge. Ich kann nicht anders, als diese  selbstgerechten Schnösel zu hassen. Sie denken, nur aufgrund ihrer Kontakte oder ihrer Position im Militär, sie seien etwas besseres. Aber ich weis es besser. Ich habe gesehen wozu sie fähig sind. Zu allem bereit, um mehr Macht an sich zu reißen. Für sie zählt nur das Überleben des Stärkeren. Kein Mitgefühl. Keine Menschlichkeit. Ich bin mir sicher, dass die angeblich wichtigsten Personen der Welt, für ihre Zerstörung verantwortlich sind. Obwohl der Krieg vor fünf Jahren offiziell beendet wurde, kann niemand behaupten, wir würden nicht immernoch mittendrin stecken. Wer gewonnen hat? Niemand. Die Menschen in B1 bilden sich zwar ein, sie wären die Herrscher, aber im Grunde lebt jeder vor sich hin, kämpft für sich alleine, versucht zu überleben. Alles was sie tun können, ist uns zu unterdrücken. Ich muss ehrlich sagen, ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Mir entfährt ein bitteres Lachen. Und selbst wenn sie die Welt regieren, dann gehört ihnen ein riesiger, in Zonen aufgeteilter, Scheiterhaufen. Gratulation. Ich war in dem Jahr geboren in dem der Krieg ausbrach, aber man hatte mir von der früheren Welt erzählt. Man hatte mir beigebracht, dass es damals noch etwas ähnliches wie Wohlstand gab, dass die Tiere harmlos waren im vergleich zu heute und die Menschen noch Güte empfanden. Muss sehr schön gewesen sein. Alles was ich je kennenlernen durfte, waren Grausamkeit und Hass. Die Menschen sind zu gefühlskalten Wesen geworden und die Tiere sind nicht mehr als motierte Monster. Meine Familie ist das einzige Licht in meinem Leben. Deprimiert stopfe ich meine Pistole unter mein Kissen zurück und rolle mich unter der dünnen Decke zusammen.

"Grace! Grace, wach auf!", weckt mich Olivers freudiges Geschrei. Wie wild hüpft er auf vor meinem Bett auf und ab und patscht mit seinen kleinen Händen in meinem Gesicht rum. Grinsend stehe ich auf und werfe ihn mit Leichtigkeit über meine Schulter. Gut, dass er erst 5 Jahre alt ist. "Bruderherz?", frage ich ihn gespielt streng. Er antwortet nicht, sonder kichert nur vor sich hin.

"Bruderherz, du hast mich geweckt. Wärst du so gütig mir den Grund dafür zu nennen?"

"Tante Keira hat gesagt ich soll dich holen. Sie sagt ich darf heute mir dir raus gehen."

Mein Lächeln gefriert und ich verlagere schnell das Gewicht auf ein Bein, um ihn auf meine Hüfte zu setzten. "Bist du dir sicher, Oliver?", hake ich zögernd nach und laufe mit ihm durch unsere kleine Hütte. In der Küche mache ich halt und setze ihn auf der Theke ab. Ich gehe zum Waffenschrank, hole meine Schorty hervor und stecke sie in meinen Gürtel. Im Vorbeigehen werfe ich einen Blick in den großen Spiegel der an der Wand hängt. Ich trage die gleiche schwarze Hose mit dem gleichen schwarzen Pulli und den gleichen schwarzen Schuhen wie immer. Während ich durch die Räume gehe und meine Tante suche, versuche ich mein dunkelbraunes Haar zu entwirren. Etwas perplex komme ich wieder in der Küche an und setzte mich am den Tisch. "Und wo sind Mama und Tante Keira jetzt?", will ich von meinem Bruder wissen. "Ich weis nicht, eben waren sie noch hier.", grinst er frech. "Aber wir können ja schonmal losgehen."

Jetzt ist mein Misstrauen vollends geweckt. "Oliver.", sage ich in warnendem Ton. Unter meinem Blick schrunft mein Bruder immer weiter. "Also, was hat Tante Keira wirklich gesagt?", seufze ich. "Njaa... Sie hat gesagt, sie gehen auf die Jagd..."

"Uuund?", will ich weiter wissen.

"Und sie hat gesagt sie lässt mich mit dir alleine.", gibt er schließlich nach. "Na also... Ach Oliver was haben wir dir über Lügen gesagt? Lügen sind tabu. Mal ganz davon abgesehen, dass du nicht mit nach draußen darfst. Es ist zu gefährlich für dich, du bist zu jung!", tadle ich ihn. "Ja ich weis, das sagt ihr dauernd", erwidert er wütend, hüpft von der Theke und stampft in Richtung Schlafzimmer. "Aus gutem Grund!", rufe ich ihm hinterher und unterdrücke ein Lachen. Zur Antwort kanllt er die Tür zu. Lächelnd schüttele ich den Kopf und werfe einen Blick auf die Uhr. Halb acht. Bald müssten sie zurück sein. Um mich irgendwie zu beschäftigen wasche ich das Geschirr und bringe unseren Waffentresor in Ordnung. Als ich mir gerade die Wäsche vornehmen will, schwingt die Tür auf und meine Mom und Keira hetzen ins Wohnzimmer. Sie sehen müde und zerzaust aus. "Ist etwas passiert?", frage ich besorgt. "Nein nein. Alles in Ordung, Schatz. Nur ein paar Mutanten. Aber wir sind eben nichtmehr so fit wie du.", schmunzelt meine Mutter. Keira schlendert zum Esstisch und lässt ein paar Brote, einen Sack in dem ich Mehl vermute, einige neue Waffen und ein totes etwas darauf fallen. Ich inspiziere das tote Tier genauer. "Sieht aus, als wäre das mal ein Hase gewesen.", erklärt mir meine Tante. Wir wissen alle, dass sie nicht in der Vergangenheit spricht weil das Tier tot ist, sondern aus dem schlichten Grund, dass die alten Tierarten sozusagen ausgestorben sind. Oder zumindest ins Unmöglichste verändert. Ob Hasen schon immer Reißzähne hatten. Interessiert ziehe ich etwas aus dem Waffenhäufchen. Ein Jagdmesser, mit robustem Holzgriff. "Darf ich das behalten?", frage ich hoffnungsvoll. "Klar, ich habe noch ein paar Alte übrig. Das kannst du nehmen.", antwortet meine Mutter schulterzuckend. Ich bedanke mich mehrmals und zusammen räumen wir den ganzen Krempel an seinen Platz. Danach trainiere ich meinen Bruder zusammen mit Keira ein wenig im Nahkampf. Bis jetzt, ist es ein ganz normaler Tag.

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