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Mir war bewusst, dass die Klassenfahrt eine Herausforderung sein würde, aber es war mein eigener Bruder, der das Ganze zusätzlich erschwerte, als er Kilian anbot, ihn und Lina mitzunehmen.

Kurz vor halb 23 Uhr befanden wir uns also in Bens Wagen auf dem Weg zur Schule; ich saß auf der Rückbank, neben mir Lina, die noch immer nur so vor Begeisterung strotzte. Vorne auf dem Beifahrer sitzt hatte es sich Kilian gemütlich gemacht. Völlig gelassen unterhielt sich dieser mit Ben über die Klassenfahrt. Und desto länger ich ihrem Gespräch lauschte, desto unwohler fühlte ich mich. Mein Bruder und Kilian waren nicht die besten Freunde, aber sie verstanden sich dennoch recht gut. Aber ich wusste, damit wäre sofort Schluss, sobald Ben erfuhr, dass seine kleine Schwester ein Verhältnis mit seinem Kollegen hatte. 

Es machte mir überhaupt keinen Spaß, meinem Bruder etwas zu verheimlichen, aber es ihm zu erzählen, erschien mir doch ein wenig zu risikoreich. Außerdem reichte es bereits aus, dass Kilians Familie (samt Isabell) und Sascha von uns wussten. Viele Münder, die sich verplappern konnten, wenn auch nur aus Versehen.

Geradezu erleichtert stieg ich aus dem Auto, als wir endlich ankamen. Obwohl die Fahrt keine fünf Minuten gedauert hatte, hatte sie sich für mich wie eine kleine Ewigkeit angefühlt. Daran trug nur mein schlechtes Gewissen Schuld!

„Danke fürs Mitnehmen, Ben", vernahm ich Kilians Stimme, der nach meinem Bruder und mir ausgestiegen war und nun seine Tasche und Linas Koffer zu sich genommen hatte.

Was Ben darauf erwiderte bekam ich nicht mit, da ich damit beschäftigt war, meinen Blick schweifen zu lassen. Auf der anderen Seite des Schulparkplatzes konnte ich unseren Reisebus und einige Leute stehen sehen. Dass ich überhaupt etwas in der Dunkelheit erkennen konnte, verdankte ich dem Licht im Inneren des Busses. Das allerdings ermöglichte, dass uns die anderen im Gegenzug ebenfalls sehen konnten. 

Gemeinsam mit Kilian in einem Auto zu kommen war ja bereits ein toller Start! Ich wollte nicht wissen was durch die Köpfe meiner Mitschüler ging, sobald sie uns sahen. Oder aber – und das sollte ich nicht ausschließen – war unsere Ankunft gar nicht so interessant und ich sah wieder Probleme wo gar keine waren.

Mein Blick wanderte wieder zu meinen Begleitern, von denen sich zwei nur einen Moment später Richtung Bus verabschiedeten. So blieben nur noch mein Bruder und ich übrig. Obwohl ich liebend gerne Kilians Gesellschaft genoss, war ich doch froh, dass wir nicht gemeinsam den Bus ansteuern mussten.

„Clara", erklang es von der Seite und ich sah automatisch zu Ben, dessen grüne Augen auf mir ruhten. Was darauf folgte, war eine feste Umarmung zum Abschied. Bisher war ich noch nie länger als drei Tage von meinem Bruder getrennt gewesen.
„Hab viel Spaß in Rom", wünschte er mir und ließ mit seinen nächsten Worten meine Wangen innerhalb von Sekunden erröten.
„Ich hoffe, dass das Einzige, was sich bei deiner Rückkehr in deinem Bauch befindet, leckere, italienische Pasta sein wird."

„Ben!", stieß ich empört und peinlich berührt aus. Das war nun wirklich nichts, was ich von meinem großen Bruder hören wollte. Dabei war mir durchaus bewusst, dass er sich nur Sorgen um mich machte.

„Du solltest deiner kleinen Schwester ein wenig mehr Vertrauen entgegenbringen", kam es mir fast murmelnd über die Lippen, ohne ihn anzusehen.

„Dir vertraue ich, Clara", erwiderte er ganz ernst und ehrlich.
„Den Jungs in deiner Klasse nicht."

Wenn er nur wüsste, dass es nicht die Jungs waren, sondern ein einziger Mann, wegen dem  er sich Sorgen machen musste. Darüber verlor ich aber natürlich kein Wort.

„Mach dir keine Sorgen." Ich sah wieder auf und schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Meine Vernunft würde schon dafür sorgen, dass ich die Klassenfahrt ohne große Dummheit überstand. Ob ich das Gleiche von Kilians Vernunft behaupten konnte, da war ich mir nicht ganz sicher.

In unseren HändenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt