Kapitel I: Nur Diebe
Cheela war gerade dabei ihre Ausbeute des Tages zu zählen. Es war nicht viel. Es war nie viel. Frustriert knallte sie die Geldscheine auf den Tisch. Warum war sie nur so schlecht im Stehlen? Klar, sie war noch nie erwischt worden, was allerdings daran lag, dass sie immer sehr vorsichtig war, worunter wiederum ihre Einnahmen litten. Zack und Tony brachten immer mindestens doppelt so viel wie sie. „Sie arbeiten auch zu zweit. Es liegt nicht an dir, dass du so wenig eibringst", versuchte sie sich dann immer einzureden, obwohl sie wusste, dass es sehr wohl an ihr lag. Immer wenn sie sich unter die Leute mischte begann sie sich zu verspannen und sah sich ziemlich oft um. Dadurch und noch durch ihr auffälliges Aussehen, wurde Cheela auf der Straße dermaßen angegafft, dass es ihr ziemlich schwer fiel, ein Portemonnaie oder ein Handy mitgehen zu lassen. Aber für ihr schlohweißes, volles und lockiges Haar und ihr markantes Gesicht konnte sie immerhin nichts. Oft drängten die anderen sie, ihr Haar blond oder schwarz zu färben, doch Bruce hielt stets mit dem Argument dagegen, er finde ihr Haar toll. Tony und Jeff konnten sogar Schmuck klauen; Armbanduhren, Ketten und Ähnliches, was eindeutig schwerer war, als im Vorbeigehen ein Handy aus einer Hosentasche zu ziehen. „Ich sollte mich Jack's Raubzügen anschließen. Der hat bestimmt Verwendung für mich." Häufig genug hatte sie das nun schon in Erwägung gezogen, doch Jack war ihr eigentlich zu brutal, um ihm zu helfen. Klar, er gehörte zu ihrer Gang und war ein echt netter Kerl, aber er hatte schon vier Leute getötet und mehr als 30 schwer verletzt. Und er war erst 16.
Sie wurde jäh aus ihren trübsinnigen Gedanken gerissen, als Joe in den Schuppen platzte. „Nur noch eine Woche und wir sind reich!", jubilierte er ungestüm und drückte Cheela so fest an sich, dass ihr die Luft wegblieb. Sie wusste sofort, dass er heute bekommen hatte wonach er drei Wochen lang auf so ziemlich allen Schwarzmärkten in den Bronx gesucht hatte. Das letzte Werkzeug, das sie brauchten um ihren Auftrag auszuführen. Er freute sich ungemein auf diesen Auftrag, sprach seit Wochen von nichts anderem mehr. Natürlich nicht. Der Auftrag würde ihr Leben verändern. Sie wären endlich ein Teil des Kartells und nicht mehr nur irgendwelche schlecht bezahlten Kanalratten, die den Mist erledigten, für den die Mitglieder des Kartells nichts übrig hatten. Daddy hatte sie damals zu sich gerufen, vor etwa zwei Monaten. „Ich brauche die Monkeyfingers", hatte er gesagt, „Ihr kriegt nicht irgendeinen Drecksjob wie sonst, nein, dieses Mal ist der Job groß genug, dass ihr die Chance kriegt, ins Kartell aufgenommen zu werden, falls ihr Erfolg habt und so wichtig für mich, dass ihr es bereuen würdet, mich zu enttäuschen." Normalerweise war einer, der den Spitznamen Daddy trug, niemand von dem sich eine Truppe krimineller Jugendlicher etwas sagen ließ. Doch Daddy war für diesen Mann auf keinen Fall der passende Spitzname. Er war der Anführer des Kartells und die Monkeyfingers waren sich einig darüber, dass er zu den gefährlichsten Männern der Welt gehören musste. Sie hatten einmal mit angesehen, wie Daddy einem Mann eine Hand abhacken lassen hatte, weil er Geld aus seinem Umsatz beim Dealen abgezweigt hatte, anstatt es seinem Boss zu geben. Der Betrogene war Fat Fox gewesen, ein guter Freund von Daddy. Fat Fox war zwei Monate später vor seinem Haus erschossen worden. Angeblich hatte er dem Anführer einen Gefallen verwehrt.... Bei Daddy's Auftrag zu versagen, war also keine Option. Cheela hatte Angst davor. Joe sagte zwar immer es könne nichts schiefgehen, aber das sagte Joe immer. „Bis jetzt hat er Recht gehabt. Wir haben allerdings noch nie etwas in dieser Größenordnung tun müssen. Wir waren noch nie in Lebensgefahr. Ich hab das von Anfang an abgelehnt, aber auf mich hört ja keiner." „Joe?", setzte sie vorsichtig an, es war wichtig Joe nicht wütend zu machen. „Ja, Cheela?" „Wir sind Diebe. Waren wir schon immer. Dieser Auftrag ist nichts für uns. Was wenn der Transporter doch bewacht ist?" Ihr Anführer runzelte die Stirn: „Er ist unbewacht. Ganz sicher. Nur der Verkäufer und sein Fahrer. Es ist nix weiter als ein größerer Diebstahl." „Woher willst du das wissen? Wenn es Wachen gibt müssen wir sie töten...." Der Blick des Mädchens wanderte durch den Raum zu der zweiläufigen Schrotflinte, die Jack für Notfälle besorgt hatte. Beim Anblick der schlanken Waffe, die da unschuldig wie ein Kind an der Wand lehnte, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Einmal nur war dieses Gewehr zur Verteidigung ihres Hauptquartiers verwendet worden. Damals hatte Jack einen Schläger erschossen, der Josie hatte töten wollen, warum genau hatte Cheela vergessen. „Ich habe drei Stunden gewischt, bis ich das Blut und die Schädel- und Gehirnreste weggekriegt habe. Töten ist widerlich." Jetzt war ihr noch unwohler zumute. Sie wandte sich wieder dem Jungen zu: „Joe, im Ernst, wir sind keine Mörder" „Ach dann hat sich Rix nur eine mittelschwere Gehirnerschütterung zugezogen? Ihr Freund wird überglücklich sein." „Der arme Junge war vollkommen traumatisiert. Er wusste nicht mal das Rix Dealerin gewesen war.", dachte Cheela entnervt. „Bleib bitte ernst. Rix hat Jack angegriffen." „Ich bin ernst. Du hast ja Recht. Ja, sie hat ihn angegriffen, allerdings mit einer Schere. Zugegeben es war eine große Schere, aber immer noch kein Grund ihr den Schädel zu zertrümmern. Notwehr sieht anders aus." Joe machte den Mund auf und wieder zu. Damit war Cheela zufrieden; nur weil Joe ihr Anführer war hieß das noch lange nicht, dass er sie einfach nur rumkommandieren konnte. Nach einigen Minuten, in denen sich in Joe's hübschen hellen Gesicht nichts als Ratlosigkeit abgebildet hatte, was Cheela überaus genoss, fand er endlich seine Sprache wieder: „Ich hab die Taser. Die betäuben einen Mann nur und töten ihn nicht." „Verdammt", dachte Cheela, „Ich hatte ihn fast soweit", doch sie sagte nur: „Super Chef. Können wir den Plan heute Abend nochmal durchgehen? Ich möchte nicht, dass etwas schiefläuft." Das Gesicht des Jungen hellte sich auf; er wusste, dass er Cheela dringend auf seiner Seite brauchte. „Ich werde Jack schon klarmachen, dass er für Mord doppelt so lang sitzt wie für den Raub eines Computervirus" „Hope so", erwiderte Cheela und ließ sich von ihrem Freund die Taser zeigen.
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VIB
Science FictionJack wachte auf. Was war passiert? Was war mit ihrem Hauptquartier passiert. Gerade wollte er sich aufrichten, da knallte der erste von ihnen gegen die Scheibe des großen Fensters ihrer Küche...