II.

331 34 1
                                    

Er wusste nicht, wie lange er dort gelegen hatte, doch sehr lange konnte es nicht gewesen sein. Die Sonne leuchtete noch immer auf ihn herunter, als er die Augen wieder öffnete. Verwirrt sah er sich um und setzte sich schwer atmend auf.

»Ow«, stöhnte er und rieb sich den Hinterkopf. Henry würde ihn rügen. Und dann auslachen, sobald er sicher war, dass Garrett nichts Ernsthaftes fehlte. Wackelig wollte er sich erheben und aufstehen, als er stockte und sich erschrocken umsah. Hatte er sich das nur eingebildet? Dieses komische Knacken zu seinen Füßen?

Verwundert blickte er nach unten und in der nächsten Sekunde tat sich ein Loch unter seinen Schuhen auf und Garrett stürzte, zusammen mit jeder Menge Gras und Dreck, in einen schmalen Schacht, der dunkel war. Panisch versuchte er, sich irgendwo an einer der Wurzeln festzuhalten, doch alles, was es brachte, war mehr Erde und Schmutz in seinem Gesicht. Er fiel, ungebremst, und war bereits dabei, mit seinem Leben abzuschließen, als der Schacht sich verbreiterte, wie ein riesiges Wurmloch, merkwürdig erleuchtet, grünlich und flirrend, als würden tausende Glühwürmchen an den Wänden des Tunnels hocken.

Das beruhigte ihn allerdings wenig, denn das diffuse Licht zeigte ihm nur, dass der Schacht gefühlt bodenlos war. Anstatt ein Ende ausmachen zu können, war da nur Schwärze. Innerlich machte der junge Mann sich bereits darauf gefasst, irgendwo aufzuschlagen und zermatscht liegen zu bleiben.

Er hätte diesen dämlichen Hügel nicht hochgehen sollen, hätte unten bleiben, am See pinkeln sollen, bei Henry bleiben. Bevor er sich weiter bedauern konnte, endete sein Sturz jedoch abrupt.

Schmerzhaft prallte er zuerst mit den Füßen und dann mit dem ganzen Körper auf dem Boden auf, der von einer schwammigen, leicht feuchten und modrig riechenden Masse bedeckt war. Garrett erkannte das Gewächs als Moos. Das Tunnelende war noch immer von dem grünen Licht erhellt und an den Wänden wuchsen Pilze, so groß wie er, mit gewaltigen Hüten. Ihr Duft war durchdringend. Wackelig erhob er sich auf dem weichen Untergrund und sah sich um. Es kam ihm vor, als wäre er in den Bau eines Hasen gefallen. Oder in das unterirdische Höhlensystem eines Maulwurfes. Doch das war doch absurd. Er lachte leise, als er an ‚Alice im Wunderland' denken musste und wartete förmlich auf das weiße Kaninchen, dem er würde folgen können. Umständlich bewegte er sich von der Moosmasse auf etwas festeren Boden und suchte einen Weg. Er konnte ja schlecht hier bleiben. Und hochklettern konnte er an der Wand auch nicht, er war doch viel zu groß und schwer, als dass die Wurzeln, die aus dem Boden ragten, ihn würden halten können, oder? Argwöhnisch sah er an sich herunter und dann wieder an die Wände des Tunnels. Mit einem Schritt trat er an eine der grünen Lichtquellen heran und erkannte zu seinem eigenen, latenten Ekel, dass es tatsächlich ein Glühwürmchen war, das dort hing. Es schien zu schlafen und war so groß wie ein Hund! Also konnte das nur bedeuten, dass er selbst ...? Hektisch wich er zurück und linste in den einzigen Gang, der vom Schacht wegzuführen schien. Zittrig betrat er diesen und hörte nun auch die Geräusche, die durch ihn drangen. Wühlen, Rumoren, Dröhnen, was zu leichten Erschütterungen führte. Ein unangenehmes Gefühl der Panik breitete sich in dem jungen Mann aus, der schon immer dem Alptraum erlegen war, einmal lebendig begraben zu sein.

Doch irgendwo musste es ja hier nach draußen gehen, es musste eine Erklärung für diese verrückte Sache geben, jemanden, der ihm würde helfen können, aus diesem Rattenloch wieder heraus zu kommen.

Energisch, seine Furcht hinunterschluckend, bewegte er sich durch den dunklen Gang, in dem sich weniger der Glühwürmchen-Lichter befanden. Es kribbelte ihn unangenehm im Nacken und er hatte das Gefühl, das rumorende Geräusch würde immer näher kommen. Da hinein mischte sich ein sonderbares Klicken, was die Angst in Garretts Brust noch stärker werden ließ. Schwitzend schritt er schneller aus, doch auch hier schien sich etwas gegen ihn verschworen zu haben, denn er stolperte und stürzte erneut auf den erdigen Boden.

In Wonder UndergroundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt