❂ Kapitel 2 ❂

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Nachdem Samantha und ich alle Vorlesungen des Freitags überlebt hatten, schlenderten wir gemeinsam aus dem Hörsaalzentrum hinaus.
Fiona erwartete uns, beziehungsweise eigentlich nur mich, bereits.
Im Näherkommen schenkte sie mir ihr schönstes Lächeln, Sam musterte sie von oben bis unten, dann lächelte sie sie verhalten an.

"Bereit für's Shoppen?", fragte ich grinsend, um die Stimmung meiner besten Freundin anzuheben, die mir daraufhin vielsagend zuzwinkerte.
"Na dann, viel Spaß euch", kam es von Sam. Gerade als sie die Hand zum Abschied hob und sich zum Gehen abwenden wollte, hielt Fiona sie jedoch zurück in dem sie zuckersüß sagte: "Möchtest du nicht mitkommen Samantha? Ich bin mir sicher, dass es deinem Kleiderschrank gut tun würde. Und das ein oder andere Teil geht auf mich."
"Fiona!", zischte ich warnend.
"Ach du, nett von dir. Aber ich habe heute nicht so Interesse an Versace, Prada& Co. Aber wir können gerne nochmal darüber reden, dass du mir 'das ein oder andere Teil' finanzierst, wenn Prom ist. Louis Vuitton- Schuhe würden sich sicherlich gut machen." Und damit drehte sich Samantha triumphierend um und ließ Fiona mit offenem Mund zurück.
Ich konnte es nicht unterdrücken und prustete los, wofür ich von Fiona einen vernichtenden Blick kassierte. Dann jedoch fing auch sie an zu lachen.

"Sie kuscht nicht wie alle anderen vor uns, das gefällt mir. Würde sie das ein oder andere an sich ändern, hätte sie Potential für uns", erklärte Fiona als wir zur U-Bahn liefen.
"Fiona, ich glaube Mitglied unserer Squad zu sein wäre das letzte, das Sam möchte", erwiderte ich belustigt. "Aber gegen eine Freundschaft oder generell ein besseres Verhältnis zwischen euch hätte ich absolut nichts einzuwenden."
"Ja, und ich hätte nichts gegen eine neue Michael Kors Tasche einzuwenden, also lass uns keine Zeit verschwenden."
Etwas belustigt, aber auch etwas genervt verdrehte ich die Augen. Manchmal war es echt anstrengend mit meinen Freunden.
"Tobi und Chris erwarten uns übrigens um 8 im Ranch& Sea", fügte sie noch hinzu.
"Wir gehen Steak essen?", stöhnte ich.
"Ich hab's mir nicht ausgesucht, sonst wären wir ins Medici gegangen."


"Ich hasse es, dass die U-Bahn immer so überfüllt ist", jammerte Fiona. Sie fuhr am liebsten immer selbst mit ihrem teuren Mercedes zur Uni. Ich hingegen bevorzugte die U-Bahn, das ersparte einem vor allem lange Wartezeiten im Stau. "Fio, mit dem Auto wären wir heute eh nicht in die Innenstadt und wieder raus gekommen, es ist Freitag", murmelte ich, als die U-Bahn einfuhr und sie wie befürchtet bereits relativ voll war.
"Ja, aber ich möchte mich nicht wieder neben irgendeinen fremden Kerl setzten, der ungefähr dreimal so breit ist wie ich und mich dann zwischen ihm und der Wand einquetscht." Bei der Vorstellung an Fionas gequältes Gesicht letzte Woche konnte ich ein Lachen nicht unterdrücken. Zugegeben, mit ihr hätte ich in der Situation nicht tauschen wollen.
Überraschender Weise leerte sich die U-Bahn jedoch etwas, bevor wir einstiegen. Einen Platz für uns alleine bekamen wir trotzdem nicht. So setzten wir uns zu einem jungen Mann, vielleicht nur ein paar Jahre älter wie wir, der offensichtlich schlief und sowieso nicht mitbekam, wer sich zu ihm setzte. Während der Fahrt musterten Fiona und ich ihn. Er trug eine schwarze Hose mit Löchern und einen dunkelgrauen Hoodie, die Kapuze tief in das Gesicht gezogen. Seine schwarzen Old Skool Vans waren definitiv nicht die neusten, das ein oder andere Loch zeichnete sich hier und da ab und eine Reinigung hätte ihnen sicher nicht geschadet. Auf dem Sitz neben ihm lag ein schwarzer Rucksack, ebenfalls von Vans und ebenfalls nicht mehr der gepflegteste.

"Kiffer", murmelte Fiona und nickte in seine Richtung. Ja, sie urteilte schnell. Oftmals hatte sie jedoch recht, ob es nun bei diesem Kerl der Fall war würden wir wohl nie erfahren.

Fiona hatte längst aufgehört ihn zu mustern und tippte auf ihren Handy, mein Blick hingegen klebte immer noch an ihm. Sein Gesicht war sehr kantig und markant, auch wenn er die Kapuze tief in sein Gesicht gezogen hatte, konnte man erahnen, dass er gut aussah. Seine Haare mussten dunkel sein, ganz sicher war ich mir jedoch nicht.
"Du starrst ihn ja immer noch an!", riss mich Fiona mit einem seltsamen Unterton aus meinen Gedanken. Ertappt kramte ich sofort nach meinem iPhone in meiner Tasche und widmete mich meinen Nachrichten.

Das gab ich jedoch schnell wieder auf, da ich einige Nachrichten von Chris hatte und das letzte was ich jetzt gebrauchen konnte, ein Streit mit ihm war. Seufzend sah ich also von meinem Handy auf und erstarrte.
Dieser "Kiffer" wie ihn meine beste Freundin bezeichnet hatte, der mir direkt gegenüber saß, saß nun aufrecht auf seinem Sitz, die Kapuze ein ganzes Stück zurück gezogen, sodass man sein Gesicht nun viel besser erkennen konnte.

Er musterte mich. Und das nicht gerade unauffällig, um ehrlich zu sein. Aber vermutlich hatte das bei mir nicht anders ausgesehen. Er hatte wohl bemerkt, dass mir seine Blicke nicht entgangen waren, denn plötzlich sah er auf und unsere Blicke kreuzten sich.
Fuck. Für einen kurzen Moment war ich wie gelähmt, vollkommen im Bann seiner Augen, seiner eisblauen Augen. Die wohl schönsten und fesselndsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Wie konnte jemand so intensiv blaue Augen haben? Je weiter ich in diese Augen guckte, desto mehr schien ich mich darin zu verlieren.
Obwohl sein Blick irgendwie leer auf mir lag, funkelten seine Augen nur so. Wie das ging, konnte ich mir nicht erklären. Generell konnte ich mir all das, was passiert war seit wir in der U-Bahn saßen, nicht erklären.
Irgendwann realisierte ich Fionas Ellbogen, der sich in meine linke Seite bohrte. Ich konnte meinen Blick nur schwer von ihm abwenden, schaffte es dann aber so normal wie möglich, meine beste Freundin anzusehen.
Diese sah mich entrüstet an und schüttelte den Kopf. Ich wusste genau was nun in ihrem Kopf vorging. Sie musste denken, dass ich plötzlich vollkommen übergeschnappt war, meinen Blick nicht mehr von einem fremden Menschen, der für sie vermutlich 'weit unter unserem Niveau' war, lösen zu können.
Ich entschied mich, sie fragend anzugucken, als sei nichts gewesen und schaute wieder zu ihm. Er sah gut aus, verdammt gut um ehrlich zu sein. Wie sollte ich es bloß schaffen, noch drei weitere Stationen in der U-Bahn zu sitzen, ohne ihn wie eine Irre durchgehend anzustarren?

Die Antwort auf meine Frage lieferte er selbst, denn an der nächsten Station erhob er sich. Ich versuchte ihn nicht zu sehr zu beobachten, daher gab ich vor durch meinen Instagram- Feed zu stöbern. Aus dem Augenwinkel jedoch sah ich, dass sein Blick auf mir ruhte und ich konnte ein kleines Grinsen nicht verbergen. Ich beschloss, ihn noch ein letztes Mal richtig anzusehen, bevor er die U-Bahn verließ und für immer zwischen den Menschenmassen aus meinem Blickfeld verschwand.
Sein Blick ruhte immer noch auf mir, unsere Blicke kreuzten sich noch ein letztes mal und obwohl seine Augen dieses kühle blau ausstrahlten, wurde mir plötzlich heiß.
Verwirrt, was das alles hier zu bedeuten hatte, wusste ich nicht, ob ich ihn zum Abschied anlächeln sollte. Fiona hätte es wahrscheinlich nicht mitbekommen, also warum eigentlich nicht? Irgendetwas hinderte mich daran, ihn anzulächeln.
Als die U-Bahn anhielt und bereits die ersten Menschen ein- und ausstiegen, beobachtete er mich immer noch. Dann setzte er sich in Bewegung. Vielleicht bildete ich mir das ganze auch nur ein, aber ich könnte schwören dass seine Mundwinkel sich etwas nach oben gezogen haben, bevor er ausstieg und damit das Schicksal besiegelte, dass wir uns so schnell, falls überhaupt, nicht wiedersehen würden.

***

Normalerweise liebte ich unsere Shopping-Tour freitags nach der Uni und genoss sie in vollen Zügen, doch heute konnte ich einfach nicht abschalten. Dieser Kerl mit seinen eisblauen, wunderschönen Augen hatte sich in mein Hirn gebrannt und es gelang mir absolut nicht, ihn aus meinen Gedanken zu verbannen.
Hatte ich ihn hier schonmal gesehen? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen, er wäre mir bestimmt sofort aufgefallen. Oder? Vielleicht war er neu in der Stadt oder zu...

"CC!", schimpfte Fiona und brachte mich somit für einen kurzen Moment zurück in die Realität. "Was zur Hölle ist heute bitte los mit dir?! Du hast noch kein einziges Teil auch nur anprobiert, wenn ich dich nach deiner Meinung zu etwas Frage geht es nur 'Mhm, ganz schön' und generell bist du total abwesend! Sag bloß du denkst über diesen Pfandsammler aus der U-Bahn nach?!"
Anstatt näher auf ihre Fragen einzugehen, erwiderte ich lediglich: "Woher willst du bitte wissen ob er Pfand sammelt?!"
"Claire Leroy!"
Oh, oh. Wenn Fiona mich mit meinem vollständigen Namen ansprach bedeutete das niemals etwas gutes.
"Bist du eigentlich komplett bescheuert? Ist doch egal was er ist oder nicht, solche Menschen sollten uns nicht interessieren und fertig! Ich meine hast du ihn dir mal angeguckt? Ach, natürlich hast du das und zwar ununterbrochen! Was sollte das bitte?
Du hast einen Freund, für den dich ungefähr ganz Frankfurt und darüber hinaus beneidet und der dich über alles liebt. Seit wann interessiert du dich für Abschaum aus der U-Bahn?!"
Das hatte gesessen. Kopfschüttelnd wandte ich mich von ihr ab und hängte das Kleid, das ich eigentlich hatte anprobieren wollen, zurück an irgendeinen Ständer.
"Du hast recht", zischte ich dann. "Ich habe einen Freund. Und dieser wartet jetzt zusammen mit deinem Freund auf uns. Also los Beeilung. Ich warte draußen während du bezahlst." Und damit verschwand ich zwischen aus dem Laden und hinterließ eine ungläubige Fiona.

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