1. Todgeweihte

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 Rennt! Meine Hübschen. Rennt um euer Leben!

Kalter Schweiß läuft mir den Rücken runter. Meine Füße sind schwer wie Blei. Meine Lunge brennt. Die Augen sehen verschwommen die Umrisse der Baumstämme. Wie Arme greifen die Äste nach mir, reißen mir die Arme auf. Blut läuft langsam aus den Wunde, vermischt sich mit dem Dreck und Schweiß. Steine und Dornen bohren sich in meine nackten Füße. Doch alles ist taub. Alles was ich spüre, ist mein wildes Herzklopfen und die unheimliche Aura eines blutrünstigen Tieres. Es schreit nach mir! Will mein Blut. Könnte es haben. Doch es macht sich einen Spaß daraus, mich durch den Wald zu hetzten. Es liebt es, seine Beute aufzuspüren, zu jagen und es dann zu verschlingen. Es liebt es, seine Macht zu zeigen, sie auszuleben, auszukosten. Ich bin nichts weiter als ein Spielzeug in seiner Sammlung. Ein kleiner Snack zwischen durch.

"Beth, ich kann nicht mehr! Ich kann nicht mehr...!" Ein erschöpftes Wimmern hinter mir.

Der verzweifelte Auspruch eines Todgeweihten. Fest packe ich seine kleine Hand. So klein, so zart, so zerbrechlich. Ich spüre seine Angst. Er zittert.

"Phil, du darfst nicht stehen bleiben. Wehe, du machst jetzt schlapp. Komm weiter. Nicht stehen bleiben!", treibe ich ihn an und ziehe ihn hinter mir her.

Ich kann ihn nicht zurück lassen. Ich bin für ihn verantwortlich. Er ist alles, was ich noch hab. Wir sind die letzten beiden.

"Ich lass dich nicht zurück! Verstehst du? Ich lass dich nicht alleine. Wir schaffen das! Wir schaffen das zusammen!", käuche ich.  Worte der Hoffnung. Mehr zu mir selbst.

Ich greife seine kleine Hand noch fester. Zusammen stolpern wir durch den Nadelwald. Es ist so dunkel. Kein Stern. Kein Mond. Kein Licht der Hoffnung am Himmel.

Unser Schicksal ist besiegelt. Der Himmel schaut weg.

Plötzlich stolpert er, fällt nieder. Ich verliere seine Hand. Erschrocken stürze ich zu ihm. Ich sehe nicht viel. Es ist so dunkel. Aber seine festgetrockneten Tränen und die verängstigten Augen nehme ich wahr.

"Steh auf. Verdammt noch mal!", schreie ich ihn an.

"Ich kann nicht mehr!", schreit er mit allerletzter Kraft zurück.

Die Nerven liegen blank. Adrenalin hält uns noch am Leben.

Ich kann ihn hier nicht liegen lassen! Ist alles, woran ich denken kann.

Also nehme ich ihn auf den Rücken. Und setzte meinen Weg fort. Meine Füße sind müde. Meine Arme schwach. Aber ich werde ihn tragen. Ich lass ihn nicht zurück.

Er ist mein Bruder!

Ein grässliches Lachen übertönt die Stille.

"Renn. Renn. Renn. Gleich hab ich euch. Ich sehe euch!" Seine Stimme zerschneidet mein Herz. Panik. Ich bestehe nur noch aus Angst und Adrenalin. Er ist viel zu nahm.

Plötzlich werde ich von einer kräftigen Hand gepackt und gegen einen Baum geschläudert. Phil liegt irgendwo weiter rechts. Ich höre seinen Körper auf den Boden aufschlagen.

Dann höre ich ihn schreien. Spitz und hoch.

Und das Tier lacht. Lacht uns schwache Wesen aus. Genießt unsere Hilflosigkeit.

Es packt sich meinen Bruder. Zerbeist seine Kehle, bis er keinen Ton mehr von sich geben kann. Ich schreie. Will ihn aufhalten, aber ich kann mich nicht bewegen. Und so höre ich das Tier meinen Bruder verschliegen. In gierigen Zügen trinkt er sein Blut. Saugt sein Leben aus dem jungen, unschuldigen Körper.

Tränen  kullern meine Wange runter.

Ich hatte versprochen, auf ihn aufzupassen. Ihn nie alleine zu lassen.

Ich hatte ihm versprochen, dass wir es schaffen.

Nun höre ich ihn sterben. Und ich bin als näcste dran.

Ich zittere am ganzen Körper. Meine Augen strengen sich an, etwas in der Dunklheit zu erkennen. Dann setht er plötzlich vor mir. Seine klebrigen Hände packen mein Gesicht. Ich schreie auf. Schlage verzweifelt um mich. Seine läuchtende Augen durchboren mich. Lähmen meinen Körper.

Dann beist er zu. Tief stoßen seine Zähne in meinen Hals.

Ich schreie und schreie und schreie und schreie.....



Scherben der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt