Clara Dupin saß auf der Mauer, die das kleine Dörfchen Domrémy-la-Pucelle umgab. Sie schloss die Augen und genoss die warme Herbstsonne.
Erst als sich ein Schatten über die Sonne legte, öffnete sie ihre Augen. Entsetzt blickte sie in das Gesicht eines ihr fremden Mannes.
Sir hatte gar nicht realisiert, wie er sich ihr genähert hatte. Bevor sie etwas sagen konnte, legte er ihr eine Hand auf den Mund.
Sie versuchte sich zu wehren, aber der Mann hatte einen eisernen Griff. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen bemerkte sie, dass ihr Entführer in seiner anderen Hand ein Stück Stoff hatte. Sie vermutete, dass es chloroformgetränkt war.
Das Mädchen fühlte sich innerlich genauso hilflos wie 6 Jahre zuvor, als sie schon einmal von Jungen bedrängt wurde. Es kam ihr vor, als wäre sie in ihr neunjähriges Ich zurückversetzt worden.
Ihre Gedanken schrien vor Verzweiflung. Sie hatte das Gefühl, als ob sie über einen tiefen Abgrund hinge und nun mit blutigen Hände versuchte, sich wieder nach oben zu ziehen.
Sie sah nur eine Möglichkeit, sich aus dieser Situation zu befreien: Sie aktivierte ihre Gabe.
Sie übertrug die schlimmsten Gefühle, die sie in diesem Moment empfand.
Angst, Panik. Das Gefühl einfach nur so schnell so weit wie möglich rennen zu wollen.
Hilflosigkeit, mit der damit verbundenen Wut auf sich selbst.
Schiere Verzweiflung und das Gefühl, in sich selbst gefangen zu sein.
Die Augen ihres Entführers weiteten sich und wurden zu schwarzen Abgründen. Seine Arme zitterten und er ließ das Tuch fallen. Er wich entsetzt zurück.
Es dauerte nicht lange und dann gaben auch seine Beine nach und er sank auf den Boden. Er wurde zu einem menschlichen Knäuel, weinend wie ein kleines Kind.
Clara starrte ungläubig und entsetzt auf sich selbst herab. Sie hatte einen erwachsenen Mann zum Weinen gebracht; warum wurde sie erneut gezwungen, diese teuflische Gabe einzusetzen?
Sie rannte so schnell sie konnte die Straße herunter. Ihr wurde klar, dass all die Gefühle von dem Mann weichen würden, wenn sie sich von ihm entfernte.
Wenigstens er konnte die Verzweiflung irgendwann abschütteln.
Nach einer Weile sah sie hinter sich, um nachzusehen, ob ihr Entführer vielleicht schon die Verfolgung aufgenommen hatte.
Als sie sich wieder nach vorn wandte, befand sie sich das zweite Mal heute in den Armen einer fremden Person.
Sie wich schockiert zurück und sah zu einem Jungen auf, der wohl in etwa in ihrem Alter war, vielleicht etwas älter.
Sie erkannte ihn als den Neuen aus ihrer Schule, der schon vom ersten Tag wegen seines indischen Aussehens aufgefallen war.
"Was ist los? Wurdest du angegriffen?" Der Junge sah sich misstrauisch um.
"Ja. Nein. Wieso?" Clara war verwirrt.
"Also doch. Mr Chang hatte mit seiner Vermutung also recht. " Der Junge wirkte wie ein gehetztes Reh. Einerseits unterhielt er sich mit ihr, andererseits schienen seine Gedanken ständig in Bewegung zu sein.
"Mr Chang? Was?" Nichts von dem, was er sagte trug dazu bei, dass sie sich weniger verwirrt fühlte.
"Ist dir irgendwas besonderes an dem Männern aufgefallen?" Der Junge ignorierte Claras Fragen einfach.
"Keine Ahnung, alles ging so schnell. Es war auch nur ein Mann, glaube ich."
Clara war noch immer aufgewühlt, weil sie gezwungen wurde, seit Monaten ihren Gabe wieder einzusetzen. Sie fühlte sich von der ganzen Situation überrumpelt.
"Ist wahrscheinlich zu auffällig, mit mehreren Männern anzurücken. Mr Chang vermutet schon lange, dass irgendwelche Menschen gezielt nach Paras suchen, aus welchen Gründen auch immer. Naja egal, wir müssen dich hier wegschaffen, du bist hier nicht mehr sicher. " Der Ältere runzelte besorgt die Stirn.
"Wegschaffen?" Clara schnaubte. "Spinnst du? Ich geh doch nicht mit dir so einfach mit! Und was sind überhaupt Paras?"
Der Junge seufzte. "Machen wir es kurz. Paras sind Menschen mit Fähigkeiten wie deinen. Sie kommen ins Fort und werden dort trainiert, um danach vielleicht ein normales Leben führen zu können.
Im Fort kannst du lernen deine Fähigkeiten zu kontrollieren. Das willst du doch, oder? ", erklärte er hastig.
Nichts lieber als das, dachte Clara verzweifelt. In all den Jahren hatte Clara festgestellt, dass Kontrolle ihr größtes Problem war. Mit der Zeit hatte sie sogar gelernt, Gedanken an andere zu übertragen, aber das funktionierte nur, wenn sie ruhig und entspannt war. Wurde sie von Gefühlen überrumpelt, machten diese sich selbstständig und ihre Fähigkeit sprang an.
"Es gibt Leute wie mich?" fragte sie. "Ich dachte, ich bin allein. " Clara gab sich alle Mühe, nicht allzu verzweifelt zu wirken. Für ihren Geschmack wusste der Junge schon viel zu viel über sie.
"Du bist nicht allein. Und wenn es dazu beiträgt, dass du mir mehr vertraust, verrate ich dir sogar meinen Namen: Neel Jariwan."
Er reichte ihr seine Hand.
"Clara Dupin. Falls du den nicht auch schon kennst. Stalkst du mich eigentlich?"
Er verdrehte die Augen. "Ich soll dich beschützen. Das ist kein Stalking. "
"Bezahltes Stalking?" Das klang in ihren Ohren auch nicht gerade besser.
"Wie ist es nun, kommst du mit ins Fort oder muss ich dich auch noch entführen?" Langsam hatte Clara genug von Entführungen.
"Wenn es stimmt, was du sagst und ich wirklich lerne, all das zu kontrollieren, gehe ich mit dir. Aber was soll ich meinen Eltern erzählen und wo ist dieses Fort überhaupt?"
"Das erzähle ich dir alles auf den Flug. Und um deine Eltern kümmert sich Mr Chang. Du solltest am besten gleich deine Tasche packen, hm?"
"Flug?" fragte Clara verwirrt, aber Neel ließ ihre Frage wieder einmal unbeantwortet stehen.
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World of Mystic Special - Clara
Science FictionJa, ich gehöre im Prinzip auch mit zum "World of Mystic"-Projekt von testedich.de. Mein Charakter ist Clara Dupin, ein Charakter, der in der Hauptstory eigentlich nur eine Trainerin bei ATLAS ist. In meiner Geschichte könnte ihr noch mehr aus der V...