6. Rätselhafte Nachrichten

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„Ich werde wirklich langsam zu alt für so etwas", murrte die Hexe und stemmte eine weitere Kiste in das obere Regalfach.

„Wenn du bereits zu alt wirst, dann sollte ich wirklich über meine Rente nachdenken", konterte die andere Frau. „Und das war jetzt auch die letzte, wir können also Schluss machen." Sie lächelte und fuhr sich durch die schulterlangen, hellbraunen Haare. Auf ihrer hellblauen Bluse klebte Farbe und ihre helle Hose bestand nur noch aus bunten Klecksen. Die mandelförmigen Augen und die dunkle Hautfarbe standen in einem schönen Kontrast zu ihrer sonstigen Erscheinung. „Leistest du mir noch Gesellschaft?"

„Wie könnte ich nur Nein sagen, wenn eine so reizende Dame mich darum bittet", erwiderte Linnea lächelnd und drehte ein Schild an der Tür um. Der letzte Kunde war schon vor über einer Stunde gegangen und so hatten die beiden Frauen die Zeit genutzt, um die angefallene Arbeit der Woche zu erledigen. Noelle, gebürtige Französin mit afrikanischen Wurzeln, warf Lin den Schlüssel von der Anrichte herüber und diese schloss sogleich ab. „Immer, wenn du mich Dame nennst, fühle ich mich so alt."

„Ach, du siehst doch keinen Tag älter als neununddreißig aus", neckte Lin ihre Chefin.

„Na, das muntert mich doch auf. Dann hat die Anti-Falten-Creme ja doch geholfen." Noelle lächelte wieder und ging dann in das Hinterzimmer des Kunstateliers. Lin konnte das Rauschen eines Wasserhahnes vernehmen und wusste, dass Noelle sich gerade die Hände wusch. Über den Tag sammelte sich dort allerlei Schmutz und besonders Farbe an.

Sie nahm den Schlüssel aus dem Türschloss und folgte der anderen Frau ins Hinterzimmer. Dort war es größtenteils staubig. Eine alte Küchenzeile nahm den Großteil des Raumes ein, ein kleiner Tisch war an die linke Wand gepresst worden und mit viel Mühe und Not hatte man noch eine zweite Tür zu einem winzigen Badezimmer einbauen können. In einem der maroden Regale lag Lins Zauberstab, den sie sogleich ergriff. „Kaffee oder Tee?", fragte sie.

„Überrasch mich", war die Antwort ihrer Chefin, ehe diese wieder ins Atelier ging. Die dort ausgestellten Kunstwerke – die meisten hatte Noelle selber gemalt – wurden von kleinen Glühbirnen erleuchtet, die sie nun aber allesamt nach und nach ausschaltete. Lediglich die hohe Deckenlampe ließ sie brennen. Lin zauberte indes zwei Tassen auf den kleinen Tisch, beide gefüllt mit tiefschwarzen Flüssigkeit.

Noelle kam wieder und setzte sich auf den einen Stuhl, Lin nahm ihr gegenüber Platz und der Blick der älteren Frau hatte sich wieder an den Zauberstab geheftet, der auf dem Tisch lag. „Ich werde wohl den Rest meines Lebens nicht wirklich verstehen können, wie du das machst", seufzte sie, als sie sich etwas Sahne in die Tasse goss. „Aber solange es mir täglich eine frische Tasse Kaffee einbringt, kann es mir auch egal."

„Und ich bin immer noch froh, dass ich dein Gedächtnis nicht habe löschen müssen. Du gehst weitaus entspannter mit der ganzen Sache um, als die anderen No-Maj, die bisher davon erfahren haben. Du hast nicht geschrien."

„Wenn du erstmal in mein Alter kommst, dann willst du deine Stimmbänder nicht mehr so überanstrengen", lächelte Noelle. „Außerdem hab ich doch von Anfang an gewusst, dass du etwas ganz besonderes bist."

Lin lachte schwach. „Ah, naja. Die Zauberei ist das einzige, was mich wirklich besonders macht und darin bin ich dann nicht einmal wirklich gut." Sie musste unweigerlich an die Nachricht zurückdenken, die Cassandra ihr übergeben hatte. Ihre Geschichte ist noch nicht geschrieben.

Wenn sie den großen Albus Dumbledore nur persönlich fragen könnte, dann wüsste sie, was er damit meinte. Sie hatte ihm eine Eule geschrieben, aber als einzige, sonderbar kryptische Antwort hatte sie einen Zettel mit einer einfachen Aufschrift erhalten. Es ist nicht an mir, diese Knochen auszugraben. Wenn dieser Mann nur nicht immer in Rätseln sprechen würde, dann wäre sie schon ein paar Schritte weiter. Linnea hatte keine Ahnung, was Dumbledore denn damit meinen sollte. Nach allem, was sie von ihm wusste – und das war nicht viel – sollte lediglich Petunia Lilys letzte lebende Verwandte gewesen sein. Aber das war ja kompletter Drachenmist. Linnea lebte auch noch und nie hatte sie auch nur das geringste Anzeichen entdeckt, dass sie vielleicht adoptiert sein könnte. Und sie würde die Wahrheit darüber längst kennen, wenn sie ihre Mutter hätte fragen können. Callidora Davies war vor gut sechs Jahren verstorben. Lungenkrebs. Ihren Vater hatte Lin nie kennengelernt. Nur ihren Nachnamen hatte sie von ihm. Aber leider war Davies nicht gerade ein seltener Nachname und so hatte sie nie herausgefunden, wer der Mann war. Ihre Mutter hatte nicht über ihn gesprochen und ihre Großmutter sowieso nicht. Marigold hatte es ihrer Tochter wohl nie verziehen, dass sie eine Ehe gebrochen hatte.

Priori Incantatem (HP/FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt