Ich schlenderte ein wenig durch das gammlige Gewölbe und fasste einen Entschluss. Wenn ich hierbleiben würde, würde ich meine Eltern mit meiner gutherzigen Art nur verletzen. Die anderen Dämonen hatten ihren Spaß, mich zu hänseln und mir Streiche zu spielen. Was wäre also, wenn ich weggehen würde? Ob meine Eltern mich vermissen würden? Empfanden sie überhaupt so etwas wie Liebe gegenüber anderen Dämonen? Meinen Mitschülern würde ich nicht fehlen, meinen Eltern wahrscheinlich, würde ich sogar eine Freude machen, einfach zu verschwinden. Niemandem half es oder war es wichtig, dass ich blieb und so entschied ich mich, eine Reise anzutreten. Die Reise in den Himmel.
Da ich keine Zeit verlieren wollte, machte ich mich sofort auf den Weg zum Eingang der Hölle. Dämonen dürfen nicht kommen und gehen wie sie wollen. Es gibt nur bestimmte Dämonen, die die Unterwelt verlassen dürfen und das sind nur die cleversten und furchterregensten Dämonen. Sie gehen zu den Orten, an denen Menschen sterben, um mit den Engeln um die Seele zu battlen. Sie bringen sehr viele Seelen hierher, allerdings sind am Ende nicht wir die, die Strafen verhängen, sondern der Teufel. Allerdings hat er einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und wird nur die wahrhaftig schweren Sünden mit der Wiedergeburt als Fliege oder ähnlichem bestrafen.
Jedenfalls erreichte ich das Höllentor ohne Idee. Es war sehr mächtig und natürlich verschlossen. Eingerahmt war es rundherum vom Gewölbe. Hier half mir meine Flugkraft auch nicht. Ein weiterer Unterschied zu den Dämonen. Sie beamten sich, ich flog. Manchmal war das ein Vorteil, machmal aber auch nicht. Aber wieder wurde mir bewusst, ich gehörte hier nicht her.
Mit unruhigen Schritten lief ich vor dem Tor hin und her. Es gab keine Wächter, denn wer würde schon freiwillig in die Hölle gehen? Das Tor wurde nur zu feierlichen Zeremonien geöffnet. Die Dämonen mit den Seelen nahmen immer den Weg durch die Verliese. Ich konnte diesen Weg nicht leiden, er war einfach grauenvoll. Ich musste mir etwas anderes überlegen. Ich atmete einmal tief durch und ließ die frische Luft in meine Lunge, die durch die Lüftungsschächte rechts und links vom Tor in die Unterwelt führten. Auf meine Lippen bahnte sich ein Lächeln der Erkenntnis. Das war mein Weg nach draußen. Es war nie ausdrücklich verboten worden, die Unterwelt gar nicht zu verlassen. Es hieß nur, nicht ohne Erlaubnis durch das Tor zu gehen und ich kroch gerade daran vorbei. Es war kein angenehmes Gefühl die Regel bewusst anders zu verstehen, aber es war zum Wohle aller. Nicht viel später stand ich auf der anderen Seite der riesigen Tür und folgte dem von Fackeln gesäumten Pfad aus der Hölle heraus. Bald schon verzweigten sich die Pfade, aber da ich wusste, dass sie alle hinaus führten, war es nicht wichtig, welchen ich nahm.
Spät am Nachmittag erreichte ich einen Ausgang. Ich konnte am Ende des Tunnels noch die letzten Strahlen der Abendsonne sehen, bevor sie am Horizont verschwand und die lavafarbenen Töne zu einem meerwasser tiefen Blauton wechselten. Ich erreichte das Ende des Ganges, als es bereits dunkel war. Ich sog die frische Nachtluft in meine durstigen Lungen und genoss jeden Atemzug, frei von Verwesungsgasen und übermäßiger Feuchtigkeit. Es war angenehm kühl im Gegensatz zur Hölle. Dort unten wurde es nie kühler als 30°C, aufgrund der Magmakammern um uns herum. Da es dunkel war, bekam meine Haut einen weißen Schein und ich war meine eigene Laterne. Viel konnte ich um mich herum nicht erkennen, aber mir wurde bewusst, dass ich mich am Grunde einer sehr tiefen Schlucht befand. Hier unten wuchs sogar ein wenig Gras. Ich berührte alles, was Leben bedeutete und machte mich auch gleich daran, die kahle Felswand hinauf zu fliegen. Kurz darauf hatte ich die obere Kante erreicht und ein atemberaubendes Panorama eröffnete sich mir von tausenden von Sternen, die strahlten und funkelten wie kleine Lebewesen. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Schritt für Schritt lief ich auf dieses Bild zu und doch kam es nicht näher.
Schließlich entspannte ich mich ein wenig und ich spürte wie die Müdigkeit in mir hochstieg. Ich beschloss, dass es sowieso zu gefährlich war als Engel in der Menschenwelt herumzulaufen und mich erst einmal auszuruhen. Wo ich gerade stand, ließ ich mich fallen. Das weiche Gras unter mir, war eine willkommene Abwechslung zu den mit Stroh gefüllten, primitiven, harten Matrazen in der Hölle. Es war so bequem, dass es nicht lange dauerte und ich eingeschlafen war.
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Teufel versus Engel
FantasyTeufel wächst unter Engeln auf und hasst dieses Leben - verlässt himmel und will in die hölle