Kriminelle Jugend

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Die Nacht verlief beinahe komplett schlaflos für Sherlock und John.
Beide saßen mit rauchenden Köpfen im Wohnzimmer und überlegten krampfhaft wie man an Moriarty rankommen könnte. Ungeduldig schabte der Consulting Detective das Leder vom Sofa.
Er war verzweifelt. Sein Erzfeind hatte seinen Schwachpunkt erwischt.
Mit tiefen Augenringen sah er zu John hoch. Wäre er nicht, hätte Sherlock längst sämtliche Forscher der Welt konsultiert, Fernsehsender mit eingeschaltet.
Er war ein absolutes Phänomen. Jemand der mal eben fast 40 Jahre verliert... körperlich gesehen.
Sein Verstand war ihm geblieben. Es wäre eine einzigartige Möglichkeit zu forschen.
Aber die Hochzeit. John. Anne. Er konnte sie nicht im Stich lassen... Seine Familie.
Sherlock atmete tief durch. Wenn er doch wenigstens Zigaretten hätte. Ein kleiner Zug Nikotin wäre jetzt so befreiend...

Als John am nächsten Morgen aus einem 2-Stunden-Schlaf erwachte suchten seine Augen sofort nach dem jungen Sherlock.
"Shelly..?" brummelnd sah er sich um. "Bestimmt Kaffee holen..." erschöpft ließ er sich wieder zurück in den Sessel fallen und dämmerte langsam wieder weg.
Das rasselnde Klingeln des Telefons schreckte Watson erneut aus seinem Schlummer. Langgezogen seufzte er und setzte sich auf.
Auf der Hochzeit würde er bestimmt tief schwarze Augenringe haben. Genervt nahm er den Hörer ab.

"Lestrade?... Wa-... WAS?!" aufgebracht sprang er auf. "Er hat WAS gemacht?!".
Eilig griff er Jacke und Schlüssel und rannte zur Haustür. Eine verschlafene Anne stellte sich ihm in den Weg. "Wo willst du hin?" murmelte sie müde.
Seufzend sah er zu ihr "Komm mit.".

Wenig später saßen beide im Taxi auf dem Weg zur Polizeistation.
"Also... WAS?!" Anne starrte ihn entgeistert an. "Und ihr sagt mir nichts?!".
John fuhr sich erschöpft mit beiden Händen durchs Gesicht. "Wir dachten, dass wäre besser..". Beleidigt drehte sie sich weg. Das hätte sie nicht gedacht, so von ihren Eltern hintergangen zu werden. Langsam nahm ihr Gesicht wieder mildere Züge an und sie beruhigte sich. Sie hatte auch gelogen. Leise seufzte sie und sah zu ihrem Vater. "Ich habe im Übrigen einen Freund.".
Mit einem unwirklichen Augenlidzucken starrte er sie an. Einen Freund. Sein kleines Mädchen. Mit einem Jungen. Ihre erste Beziehung! Der erste Kuss! Das erste-

"Entschuldige. Ich wollte es eigentlich nicht vor der Hochzeit sagen..." betrübt senkte Anne den Kopf. Als John sie so sah konnte er ihr nicht mehr böse sein. Sie hatte ja nichts schlimmes getan. Er seufzte leise und lächelte sie sanft an. "Ist schon ok..". Erleichtert blickte sie auf zu ihm. "Danke, Papi.".

Wenig später hielten sie vor der Polizeistation. Hastig rannten beide ins Gebäude. Lestrade empfing sie und führte sie direkt weiter zu einer der wenigen Ausnüchterungszellen.
Dort, mitten auf dem staubigen Boden saß Sherlock, im Schneidersitz und mit tiefen Augenringen.

"Sherlock!" besorgt griff John ans Gitter. "Was tust du denn...".
Fragend sah Anne zu John. "Wieso ist er denn verhaftet worden?!".
Lestrade lächelte bitter. Er hätte ihn nicht einsperren müssen, aber es war eine wunderbare Genugtuung.
"Unser lieber Sherlock hier hat versucht Zigaretten zu klauen. Leider war der Ladenbesitzer schneller."
Grummelnd sah der junge Detective auf. "Meinen Ausweis hat er mir schließlich nicht abgenommen! Dieser Rechtsstaat ist echt lästig." schnaubte er beleidigt. Das Verlangen war einfach zu groß geworden. Er wusste keinen anderen Weg mehr.
Lestrade fuhr unbeirrt fort. "Aufgrund seines Alters mussten wir nun den Erziehungsberechtigten rufen." er grinste breit und deutete auf John. Dieser konnte schon nichtmehr und prustete laut los. Dass er das nochmal erleben durfte, war unglaublich.

Der Eingesperrte sah das Ganze allerdings nicht so amüsant. Inzwischen war er 72 Stunden ohne irgendwelche Drogen gewesen und innerlich war er am Durchdrehen; wie sollte er einen kühlen Kopf bewahren, wenn er all seine Probleme nüchtern aufnehmen und verarbeiten musste. Mit einem stechendem Blick musterte er Lestrade. Dieser hatte sein Bestechungsgeld einfach eingesteckt und dennoch keine Zigaretten besorgt. Und er konnte nichts anderes tun, als zu warten bis sein Verlobter auftauchte.

Anne musterte ihn interessiert. "Also hast du immernoch dieselben Verlangen und den gleichen Verstand wie vorher?". Er sah auf. "John hat dir Bescheid gesagt?". Sie nickt langsam und tippte gegen die Metallstäbe. "Und ich hab ihm dafür eins von meinen Geheimnissen verraten.".
John warf einen kurzen Blick auf sie, sein Augenlid zuckte. Sie hatte also noch mehr Geheimnisse. Am liebsten würde er sie alle aus ihr herauspressen.

"Darf ich das auch wissen?" Sherlock neigte den Kopf. Sie zögerte kurz, John hatte nicht so gut darauf reagiert, wie würde Sherlock nun reagieren.
Schnell sah sie zu Lestrade. "Lassen sie ihn noch ein Weilchen in der Zelle, ja?".
Sherlocks Mundwinkel zuckten angespannt. Was konnte das jetzt sein? "Ich tu dir doch nich-"

"Ich hab einen Freund." unterbrach sie ihn schnell.
Blitzschnell stand er am Gitter und starrte sie fassunglos an. "DU HAST WAS?! WER? WO LEBT ER? Oder sie?".
Mit einem nervösen Lachen trat sie hinter John. Dieser versuchte ganz entspannt zu klingen. "Beruhige dich Sherlock! Es ist in Ordnung, ja?".
Aufgebracht rüttelte Sherlock am Gitter. "Ich muss ihn interviewen! Sofort!".
Genervt rollte Anne mit den Augen, alles nur nicht das.
Sherlock hatte früher immer von einer Interview-Liste geredet, mit wichtigen Fragen die Annes zukünftige Beziehungen betreffen würde. Sie hatte es verdrängt, aber nun, wo es drauf ankam schossen die Erinnerungen zurück in ihr Gedächtnis. "Tu mir das nicht an, Papa... bitte!". Aber Sherlock war nicht von diesem Gedanken abzubringen. "Sobald ich meinen Körper wiederhabe gibt es unglaublichen Ärger! Eine Beziehung, ohne uns zu fragen!".

John drehte sich beiläufig zu Lestrade. "Wieviel für eine weitere Nacht in der Zelle?".
"Sie meinen ich soll diesen Miesepeter noch länger hier behalten?!" Lestrade hob eine Augenbraue. "Vergessen Sie es, John. Das hält niemand aus. Holen Sie sich einen Babysitter, oder so.". John seufzte "Schon versucht.". Nichtmal das beste Pflegeheim hätte den Consulting Detective aufgenommen. In den früheren Jahren hatte John vieles versucht, nur um eine Woche lang Urlaub zu haben. Letztendlich musste er Sherlock nach Südfrankreich mitnehmen. Eine Katastrophe bestehend aus einer Honeymoonsuite, ein strikter Fahrplan, um ja jeden Ort, an dem ein bedeutender Mord stattfand, zu sehen und natürlich das tägliche Drama ums Essen.
John wollte Muscheln und Sherlock machte ihm jedes Meeresfrüchte Restaurant mies, da ihm der Geruch nicht passte.
So ernährten sie sich die Woche über von Fastfood, sehr viel Kaffee und diversen Weinen, die laut John dass einzig positive an dem Urlaub waren.

"Gut, lassen Sie ihn raus. Ich nehm ihn mit.". Zögerlich öffnete Lestrade die Zellentür. Mit hastigen Schritten verließ Sherlock den kleinen Raum. Warnend musterte er Lestrade. "Ich krieg noch die 70 Pfund zurück.". Dieser nickte genervt und reichte ihm die Scheine. "Diese Jugend wird echt immer krimineller.".

Lachend legt John einen Arm über Sherlocks Schultern. "Ich hab ein Auge auf den Jungen!". Empört windete sich Sherlock raus und lief zur Tür. "Nimm meine Situation ernst John!". Dieser seufzte und folgte ihm. "Ist ja gut!". Anne grinste kurz Lestrade an und lief dann schnell hinterher.

Mama & Papa II (Johnlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt