Sterne

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Nacht. Dunkelheit. Mein Blick, langsam emporgerichtet, sehnt sich nur nach einem. Den Sternen.
Langsam, wie ein kleines unschuldiges Kind, ich mit meinen Händen in den Himmel greife. Immer weiter, immer höher, immer näher.
Doch egal wie hoch ich komme, sie sind mir immer noch so fern! So fern!
Wie ein Echo, schallt es, hallt es in meinem Kopf wieder. Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen. Recke, strecke mich. Wie kleine Stimmen, aus allen ecken es nun kriecht! Zu fern! Zu weit! Zu groß! Rufen sie. Wiederholen es wie ein Mantra!
Du kannst es nicht schaffen. Meine Finger sich dehnen.
Zu fern, zu weit! Zu langsam. Zu groß!
Der Chor der stimmen erfüllt nun meinen ganzen Kopf, meinen Körper. Von der Sole bis zum Haupt. Alles brüllt!
Doch egal wie viel sie schreien, rufen, kreischen! Ich lasse es nicht zu. Ich werde es schaffen.

Nacht, Dunkelheit. Meine Füße, einer nach dem anderen die Stufen erklimmen. Bis zur Kannte, gehe ich recke und strecke mich. Es reicht nicht!
Du kannst es nicht schaffen. Das leise flüstern kriecht aus meinen Fingerspitzen heraus und verbreitet sich.
Das Brett wackelt als ich es auf die Spitze lege. Das ist zu gefährlich! Der Gedanke breitet sich aus wie ein Virus. Doch zu spät! Meine Füße stehen.
Das krachen dringt nur langsam durch das Gebrüll in mir. Plötzlich ist alles still.
Der Schmerz in meinem Bein ist riesig. Er betäubt das Rufen. Alles ist still.

Tag, Helligkeit. Mein Kopf liegt auf einem weißen Krankenhausbettkissen. Die Schwester hebt mich in meinen Stuhl. Langsam, behutsam fahre ich hinaus.

Nacht. Dunkelheit. Meine Hand liegt auf dem Knopf. Ich muss sie sehen!
Langsam und behutsam fahre ich über den Schotter. Meine Augen, voller Freude auf den Himmel gerichtet, erstarren. Sie sind weg.
Vertrieben von hellen Lichtschwertern, welche in den Himmel ragen, ihn zernagen, zerschneiden, zerstören. Als wäre es ihr schlimmster feind. Nichts ist mehr da! Alle verschwunden in die Tiefen des Alls. Die stimmen in mir, sie sind verstummt. Sie haben alles erreicht.
Doch langsam und leise, eine Träne meine Wange herunter kullert. Die Stimmen sind jetzt still, doch froh bin ich nicht. Ich bin besiegt.
Ich sage der Schwester, ich wolle zurück. Mein Kopf hängt wie an einem schlaffen Faden herab. Doch ich will sie noch zum letzten mal sehen. Mich von Ihnen verabschieden.
Langsam und vorsichtig hebe ich den Kopf. Mein Blick zieht sich langsam hoch. An den Häusern und Gärten vorbei bis zum schwarz grauen Himmelstuch. Es ist leer. Langsam wende ich mich ab, denn ich ertrage kaum den schmerz.
Doch ein kleines Funkeln erblicke ich aus dem Augenwinkel. Ich reiße den Kopf hoch. Es ist wahr. In der hintersten Ecke, verkrochen hinter Wolken, ist noch einer. Ein ganz winzig kleiner. Doch er ist da.
Langsam, von den Spitzen an, durchzieht mich ein Strom! Doch er ist anders als sonst. Du schaffst das! Du kannst das! Ruft er leise. Je weiter er vordringt, des so lauter wird er! Bis es, ein Lachen, ein jubeln, ein jauchzen ist. Du machst das!

Nacht, Dunkelheit. Mein Blick ist fest auf mein Ziel gerichtet. Ein kleiner wunderschön funkelnder Stern, welcher am Himmelszelt steht. Ich stelle die Koordinaten ein. Langsam zählt der Countdown runter. 3 ein flüstern setzt ein. 2 es läuft durch meinen Körper und wird immer lauter 1 es ruft mir zu: Du hast es geschafft!
Und mit einem Ruck löse ich mich mit meiner Rakete von der Erde auf zu den Sternen.

Denn egal weit sie uns auch erscheinen mögen. Die Faszination werden sie nicht verlieren. Und wenn wir das auch nicht tun, dann können wir sie erreichen.

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