Kapitel 19 - Die Schlacht um die Kaiserstadt: Im Auge des Dämons

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Nach dem Fall des westlichen und auch nördlichen Innenbezirkes entschließt sich Xenos, erneut mit dem Kaiser zu sprechen. Er kämpft sich durch die Massen bis zum Tor zum Palastviertel. Dieses Tor wird noch nicht von Heres' Horden belagert. Man lässt ihn passieren. Im Schloss rennen sekündlich Botschafter der Wache aus und ein. Die Soldaten vor und im Palast wurden verdoppelt. Das Oberhaupt des Kaiserreiches wird bestmöglich geschützt, soweit es die wenigen Mittel zulassen.
        Der Kaiser steht fassungslos, mit Schwert bewaffnet und Rüstung bekleidet, vor dem Fenster des großen Saales. Er schaut in die gefallenen westlichen Viertel hinunter. Der Rauch der im äußeren Marktviertel ausgebrochenen Brände verdunkelt die Sonne. Schwarze Massen ziehen durch die Straßen. Der noch vor wenigen Stunden idyllische Nachmittag gleicht nun einer höllischen Nacht. Die schwere Tür des Saales schließt sich hinter Xenos.
        Aerton Gredius beginnt zu sprechen: „Was heute geschieht hätte ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht zu träumen gewagt. In Zeiten des Friedens rechnet niemand mit einem Angriff auf das Zentrum unserer Welt. Nicht einmal von den verkommensten Dämonen hätte ich dies erwartet."
        „Was habt Ihr nun vor?", fragt Xenos.
        „Ich habe bereits den Befehl erteilt, alle Bürger, die bei der Verteidigung ihrer Familien und ihrer Stadt helfen wollen, mit den Waffen aus der Waffenkammer auszurüsten. Ebenso habe ich aber auch den Befehl zur Evakuierung erteilt", atmet der Kaiser schwer und senkt den Kopf. „Die Kaiserstadt ist verloren."
        „Seit die Kaiserstadt den Menschen gehört, ist sie noch nie gefallen. All die Zeit war sie die uneinnehmbare Bastion, die unserer Nation Kraft und Halt gespendet hat", spricht Xenos. „Nun wird sie uns entrissen."
        „Das Portal der Akademie ist abgeschnitten. Über das Reisesigill kann niemand mehr die Stadt verlassen", erzählt ihm der Kaiser. „Die Bürger fliehen durch das Osttor. Sie ziehen nach Volar, der nächstgelegenen Stadt. Das südliche Außentor wird auch bald brechen, Tausende dieser schrecklichen Monster drücken sich an den Mauern entlang. Der Hafen im Süden ist bereits überlaufen. Ich hoffe, dass den Bewohnern ihre Flucht gelingt. Es gab bereits zu viele Tote. Ich kann ..."
        Der Kaiser hält inne. Vom Flur her lassen sich dumpfe Kampfgeräusche vernehmen. Dann hört man entsetzliche Schreie. Die Leibwachen im Saal ziehen ihre Waffen. Plötzlich ist alles still. Leise beginnt ein hallendes, beunruhigendes Klacken von Schuhen. Es wird lauter und klarer. Mit lautem Knarren öffnet sich die massive Flügeltür in den Raum. Eine menschenähnliche Kreatur mit furchtbar entstelltem Gesicht tritt in den Thronsaal. Ausgedünntes, langes Haar ziert sein Haupt. Jeder im Raum weiß, um wen es sich handelt. Zahlreiche Abbilder seiner Person sind in ganz Atra-Regnum zu finden. Es ist Heres, der gottgleiche, doch böse Dämonenfürst der Erde aus dem Reich der Toten.
        Mutig stellt sich ihm eine der Leibwachen entgegen: „Stehen bleiben!"
        Die Augen des Fürsten, aus welchen dunkelrotes Blut läuft, schauen tief in die Seele der Wache, bevor sie langsam zu Boden sinkt. Sie ringt nach Luft, ihr Gesicht wird blau und schließlich lösen sich die verkrampften Gliedmaßen. Der Mann ist tot. Die anderen schrecken zurück, behalten ihre Überzeugung jedoch bei. Diese Elitekämpfer sind bereit, ihr Leben für den Kaiser zu geben.
        „Mein Name ist Heres", grinst der Dämonenfürst angsteinflößend, wobei er seine verfaulten Zähne entblößt. „Sehr erfreut. – sehr erfreut, das Kapitol eurer mikrigen Welt so einfach übernehmen zu dürfen."
        Er lacht auf. Der Griff der Leibwachen um ihre gezogenen Schwerter wird fester. Der Kaiser hat seine Hand bereits am Knauf seiner Waffe. Auch er ist bereit zu kämpfen, wissend, dass sein alter Körper einen Kampf wohl kaum überstehen kann.
        Heres streckt seine Hand in Richtung des Kaisers: „Ein neues Zeitalter bricht hier und jetzt an! Totenberührung!"
        Ein Ball aus tödlichen, schwarzen Flammen schießt auf Aerton Gredius zu. Kurz bevor er den Kaiser trifft, wirft sich eine der Leibwachen in den Weg und fängt diesen mit ihrem eigenen Körper ab. Sie fällt zu Boden und ist sofort tot.
        „Kaiser Gredius, wir müssen Euch von hier fortbringen", spricht eine andere Wache.
        Schon greift sie nach einer Fackel, die zuvor in einer Wandhalterung hing. Ein dumpfes Geräusch ertönt. Stein schleift über Stein. Eine Geheimtür öffnet sich im Mauerwerk. Sofort verschwinden die ersten Leibwächter in dem dunklen Gang.
        „Komm, Xenos, wir müssen gehen", ruft der Kaiser.
        „Nein", antwortet dieser. „Geht! Ich werde ihn so lange wie möglich aufhalten und dann ebenfalls verschwinden. Wenn wir alle verschwinden, wird er uns sofort folgen."
        Aerton nickt bedächtig, befiehlt drei seiner Leibwächter ebenfalls hierzubleiben und verschwindet mit den anderen im dunklen, staubigen Gang hinter der Wand.

Buch 1: Atra-Regnum - Das dunkle KönigreichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt