Kapitel 01 - Diana

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 "Jetzt komm schon, Dana" rief mir meine Mitschülerin Melina gespannt zu. Sie stand mit dem Rest meines Biologiekurses ein paar Metern hinter mir am Zaun, während ich mit einem Fuß auf der leicht grünlichen Plastikplane des Schulteichs hockte. Mit dem rechten Arm versuchte ich verzweifelt, irgendwie Wasser in das Reagenzglas in meiner Hand zu bekommen. Hinter mir hörte ich einige meiner Mitschüler kichern, die den Anblick scheinbar äußerst erheiternd fanden.

"Sicher, dass du das schaffst, Diana? Wir können auch die Hausmeister fragen, ob sie uns aushelfen" Sagte meine Biolehrerin, Frau Sanchéz, während auch sie meine Haltung kritisch beäugte. Vermutlich war ich, was die Unbedenklichkeit meiner Pose anging, ein hoffnungsloses Desaster und sie sah mich schon als eine der Abbildungen im Biologiebuch, die Fehlhaltungen oder Wirbelschäden zeigten.

Während ich mit dem linken Knie im Rindenmulch vor dem Schulteich saß, hing mein rechts Bein halb im Teich und ich beugte mich gefährlich weit nach vorne.

"Klar schaff ich das. Mir fehlen nur zwei Zentimeter, daran soll's nicht scheitern" winkte ich ab und versuchte noch etwas tiefer zu kommen. Jetzt dankte ich meiner Sportlehrerin Frau Sillenbach, dass sie meinen Kurs immer mit Dehnübungen quälte - andernfalls würde ich dem Wasser wohl kaum so nahe kommen oder auf der algenbesetzen Plane so guten Halt haben.

Wir hatten in Bio über Gewässer und Gewässerverschmutzung gesprochen und waren auf die Idee gekommen, das Wasser in unserem Schulteich unter die Lupe zu nehmen - es wirkte immer relativ klar und sauber, obwohl es eben ein Schulteich war. Also sind wir heute raus gegangen, um Gewässerproben zu nehmen.

Da Frau Sanchéz sich letzte Woche an der Schulter verletzt hatte und jetzt eine dicke Schiene trug, konnte sie selbst nicht die Proben nehmen, weshalb ich diese Aufgabe übernommen hatte. Außer mir fand es anscheinend niemand lustig, sich dem Wasser zu nähern - verständlich, immerhin merkte ich jetzt, wo ich dem Wasserspiegel so nah war, einen ziemlich strengen, salzigen Geruch. Das lag wohl an den Algen, die ich am Grund des Teichs sehen konnte und die auch die Plastikplane zierten. Jetzt, wo das Wasser so unglaublich niedrig war, wurden diverse Wasserpflanzen von der Sonne ausgetrocknet, was sich vor allem am Geruch bemerkbar machte.

Eigentlich habe ich gedacht, ich würde trotzdem ganz gut an das Wasser kommen. Ich hatte mich allerdings verschätzt. Von außen sah es so aus, als wäre der Wasserstand nicht ganz so niedrig, wie er tatsächlich war. Folglich hing ich jetzt halb im Teich und versuchte auf Teufel komm raus an das Wasser zu kommen. Es war zwar erst Anfang Mai, aber die letzten Wochen waren trotzdem verdammt warm gewesen und das Wasser im Teich war munter verdampft.

"Jetzt mach schon... das kann doch nicht so schwer sein" zischte ich leise und neigte mich weiter nach vorn. Noch ein Zentimeter. Die Plane unter meinem Schuh knirschte laut.

"Sei vorsichtig!" Rief Melina mir besorgt zu und ich hob den Arm mit dem Reagenzglas, um ihr einen Daumen hoch zu zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Ich hatte alles im Griff. Dann nahm ich den Arm vorsichtig wieder herunter und versuchte, den letzten Zentimeter zu überbrücken. Ich fuchtelte wie wild mit dem Reagenzglas umher, um irgendwie etwas zu erreichen, aber es brachte rein gar nichts.

Ich zögerte noch einen Moment, dann schluckte ich meine Bedenken einfach herunter und stützte mich vollends auf mein rechtes Bein. Ich kam weiter nach unten und ich tauchte meine Hand komplett ins Wasser.

"Geschafft!" rief ich triumphierend und wollte mich endlich wieder aufrichten, als mir etwas auffiel.

Mein linkes Bein war eingeschlafen und gab nach, als ich es belasten wollte. Ich rutschte ab und stürzte kopfüber in den Teich, ohne dass ich irgendetwas machen konnte.

"Dana!" hörte ich Melina kreischen, dann klapperte etwas, als würde etwas gegen Metall klingen. Auch Frau Sanchéz rief nach mir, ich hörte ihre Schritte. Mein restlicher Kurs bewegte sich wohl ebenfalls zögerlich zum Teich.

Die Macht der SiebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt