Kapitel 02 - Leonhard

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Kapitel 2 – Leonhard

Er zögerte ein wenig, als er vor dem Lehrerzimmer stand. Es war immerhin schon spät und es könnte sein, dass Mrs. Briardale schon längst nicht mehr da war. Außerdem handelte er auf bloßen Verdacht... Aber was sollte er sonst machen? Schweigen und eine Katastrophe riskieren? Oder so tun als hätte er nichts gewusst?

Nein, in der Vergangenheit hatte man schon viel zu oft diesen Fehler gemacht. Beim kleinsten Anzeichen, dass jemand Bescheid wusste, mussten sie jetzt handeln.

Natürlich, die Mode heute hatte schon so manches Mal für einen falschen Verdacht gesorgt, immerhin ist das Okkulte heutzutage „in"... aber trotzdem, heute war etwas anders. Ein unglaublich schlechtes Gefühl zog sich durch Leons Magengegend, wenn er an das Mädchen von vorhin dachte. Diese Diana... sie hatte unfreiwillig im Schulteich gebadet und sich dauernd die Augen gerieben... Das verhieß nichts Gutes.

Er kannte die Angewohnheit von Frau Sillenbach, mehr als einmal waren sie deshalb schon in Schwierigkeiten geraten und dann hatte es oft an Cleo gelegen, das Chaos zu beseitigen. Auch wenn Leon es hasste, es zuzugeben, Cleo wusste was sie tat und war unschätzbar wertvoll an der Schule – selbst wenn sie arrogant und schadenfroh war und ihre Kräfte schon mehr als einmal für ihre eigenen Vorteile ausgespielt hatte. Es lag nun mal in ihrer Natur, immerhin war sie auch ein Kind der Dunkelheit, ebenso wie er es war. Aber in ihm herrschte auch das Licht, wenn auch schwächer. Trotzdem gab er seinen Trieben nicht nach, er hatte gelernt sich zu beherrschen, auch wenn es schwer fällt. Diana hatte ihm viel von seiner Willenskraft abverlangt, hatte sie doch regelrecht für ihn gesungen, doch er war standhaft geblieben. Die Elemente bestimmten eben doch nicht vollends, wer man wirklich war.

Leon strich sich noch einmal durch die dunklen Haare, drehte eine Strähne zwischen den Fingern - Eine Angewohnheit, wenn er unruhig wurde, dann klopfte er am Lehrerzimmer. Frau Sillenbach, eine sehr kleine und kompakte Frau, öffnete ihm die Tür und sah ihn irritiert aus ihren meerblauen Augen an.

„Leon, was machst du denn noch hier? Ist schon spät..." fragte sie verwundert. Sie stand wie so oft in Sportkleidung vor ihm, ihre Haut glänzte, als wäre sie eben aus dem Wasser gestiegen – Typisch.

„Ich suche Mrs. Briardale" sagte Leon, Frau Sillenbach nickte nur verstehend.

„Hätte ich mir denken können, sie ist zu deinem Glück noch hier" sie lehnte sich in den Raum hinein „Elanor, kommst du mal kurz nach vorne?" fragte sie, man hörte ein glockenhelles „Ja" als Antwort. Wenig später erschien Mrs. Elanor Briardale im Türrahmen. Ihr blondes Haar fiel wie immer perfekt und sie trug eine helle Bluse und einen Rock. Die zart schimmernden, libellenartigen Flügel verharrten regungslos an ihrem Rücken, während sie Leon anlächelte. In der Schule sah man Mrs. Briardale selten fliegen, zumindest wenn sie nicht ein Treffen der M-Klasse abhielt. Sie war unheimlich bodenständig, im wahrsten Sinne des Wortes, doch trotzdem war sie eine gefragte Ratgeberin, magisch wie nichtmagisch.

„So, ich lasse euch dann alleine" sagte Frau Sillenbach und wandte sich schon zum Gehen, doch Leon schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, ich brauche sie beide. Frau Sillenbach, sie haben doch bestimmt in letzter Zeit wieder in Teich gebadet, oder?" fragte Leon ernst, seine Augen blitzten kalt auf. Eigentlich stand ihm dieser Tonfall nicht zu, aber langsam hatte er die Nase voll von solchem Unsinn. Wenn diese Frau doch nur aufpassen würde...

„Frag das nicht so laut" mahnte Frau Sillenbach „Der Schleier bedeckt nicht unsere Worte. Aber ja, habe ich. Du weißt, dass mir nichts anderes übrig bleibt"

„Das mag sein, aber wir haben wohl wieder ein Problem. Ein Mädchen aus der Stufe Zwölf ist in den Teich gefallen, ihr Name ist Diana. Ich glaube, sie sieht durch den Schleier"

Die Macht der SiebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt