Kapitel 35

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Ich begann hysterisch zu lachen.
„Hast du was eingeworfen?", fragte ich ihn, als ich mich ein wenig beruhigt hatte.
Seine Augen wurden plötzlich wässrig und füllten sich anscheinend mit Tränen.
„Das ist mein bitterer Ernst.", wisperte er.
Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen und schloss ihn einige Sekunden später, da ich keine Worte fand. Nicht wusste, was jetzt das richtige zu sagen wäre.
Geschockt verließ ich den Kinosaal und ließ ihn dort alleine zurück.
Meine Gedanken überschlugen sich.

Das kann doch nicht sein scheiß Ernst sein? Was ist mit Chloe? Was mit dem Baby?

Hastig hudelte ich zur nächsten Tram, die sich glücklicherweise einige Meter entfernt vom Kino befand. An der Haltestation in meiner Straße stieg ich heute nicht aus, sondern blieb noch einige Stationen sitzen, bis die Tram nah genug am Rheinufer entlang fuhr.
Nie im Leben hätte ich jetzt nach Hause und in ein vermutlich leeres Haus gekonnt. Dort hätten mich meine Gedanken wahrscheinlich bei lebendigem Leibe aufgefressen.

Ich setzte mich auf einen der Stege und warf einige kleine Steine, die neben mir rumlagen ins Wasser. Einmal schaffte ich es sogar, dass einer drüber hüpfte, bevor er in die Tiefe versank.
Nachdem ich alle Steine in meiner Reichweite ersoffen hatte, lehnte ich mich zurück und starrte in den Himmel, welcher langsam, aber stetig immer dunkler wurde.

Erst als ein sternenklarer Luftraum über der Erde entstanden war, blickte ich auf mein Handy.
3 verpasste Anrufe von Logan, 1 von Mama und 1 neue Nachricht von Michael.
Ich ignorierte sie alle und stöpselte mir stattdessen meine Kopfhörer in meine Ohren und drückte auf die zufällige Wiedergabe Taste meines Iphones. Als nächstes zündete ich mir eine Zigarette an und pustete den Rauch wie ein Stier durch meine Nasenlöcher. Ich fühlte förmlich wie meine Lunge bei jedem Zug schwärzer wurde.

Es folgte die zweite Kippe und eine dritte, vierte, fünfte... Irgendwann hörte ich auf zu zählen.
Als ich wieder in die Zigarettenschachtel griff und bemerkte, dass nur noch eine übrig war, stand ich, mittlerweile fröstelnd, auf und lief so lange wie es noch auf meinem Heimweg lag, das Ufer entlang.
Völlig erfroren legte ich mich in mein Bett und zog die Decke bis über meinen Scheitel.

Das kann doch alles nicht wahr sein?

Es dauerte eine Weile bis ich endlich einschlief, da mein Kopf leider nicht ausschaltbar war.

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Die folgenden Tage ignorierte ich weiterhin jeden Anruf und jede Nachricht.
Mama erzählte ich, dass ich bloß Kopfschmerzen hatte und Ruhe brauchte, was sie zuerst auch ganz locker nahm und verstand.
Am 6. Tag des Nichtstuns, schleppte sie mich allerdings dann doch zum Arzt, welchem ich dieselbe Geschichte auftischte.
Theoretisch stimmte sie ja auch. Mein Kopf schmerzte tatsächlich von dem vielen Überdenken.

Abends beschloss ich dann doch zumindest meinen beiden besten Freundinnen ein Lebenszeichen zu geben.
Chloe antwortete mir auf WhatsApp sofort und bat mich rüber zu kommen, weshalb ich mich schnell aus meiner Jogginghose schälte und etwas Sauberes anzog. Meine Haare bekamen ein wenig Trockenshampoo ab, bevor ich sie in einen lockeren Dutt zusammenband.

Mit den Worten: „Was ziehst du an?", wurde ich bei Chloe daheim empfangen.
„Was?", ich warf ihr einen verwirrten Blick zu, während ich meine Jacke auf einen der Hacken hängte.
„Auf der Abifeier natürlich, was ziehst du denn jetzt an?", entgegnete sie mir grinsend.
Die Farbe in meinem Gesicht verschwand und meine Augen weiteten sich.

Die hab ich ja total vergessen. Ist die nicht übermorgen bereits? Fuck!

Chloe bemerkte von meinem kleinen Panikanfall allerdings nichts, denn sie plapperte schon weiter: „Also ich bin der Meinung wir sollten farblich zueinander passen. Nicht zwingend dieselbe Farbe, aber wir sollten harmonisch aussehen. Wir waren am Wochenende shoppen, du warst ja wie vom Erdboden verschluckt, weswegen wir dich nicht erreichen konnten. Jedenfalls hat sich Nikki da ein pastellgrünes Kleid gekauft und ich habe mich für ein rosanes entschieden. Willst dus sehen? Komm ich zeigs dir.".
Sie hüpfte glücklich die Treppen hinauf.

Das Kleid, welches sie eben schnell angezogen hatte und mir nun mit strahlendem Gesicht präsentierte, stand ihr ausgezeichnet gut und es passte wie angegossen.
„Du siehst traumhaft aus!", bemerkte ich und sie klatschte aufgeregt in die Hände.
„Ich weiß, danke, ich hoffe Logan gefällt es genauso gut!", grinste sie.

Auweia.

Ich nickte bloß stumm.
„Ich hab ihn gestern eingeladen mitzukommen. Irgendwie würde etwas fehlen, wenn er nicht dabei wäre...", Chloe senkte nachdenklich den Kopf, „und außerdem ist er der Vater meines Kindes. Langsam müssen wir uns ja wieder näher kommen und da dachte ich mir wäre das die perfekte Gelegenheit, oder was meinst du Lucy?".
„Ja... Klar, ist eine super Idee.", hauchte ich.
Sie musterte mich kurz skeptisch, dann zwitscherte sie schon wieder darüber weiter, was ich anzog und das es unbedingt zusammenpassen muss. Ich meinte es wäre eine Überraschung und sie würde es schon noch früh genug sehen, was sie selbstverständlich nicht so gut aufnahm, aber da ich hartnäckig blieb, ließ sie das Thema irgendwann auch fallen.

Nachdem ich wieder zu Hause war, legte ich mich mit meinem Laptop auf dem Schoss ins Bett und suchte diverse Onlineshops ab, um das perfekte Abikleid zu finden.
Es stellte sich um einiges schwerer heraus, als ich es erwartet hatte.
Ich musste schon einige Male aus Frust extrem laut seufzen und war kurz davor meinen Laptop wütend auf dem Boden zu werfen, sobald ich dachte, dass ich endlich das ideale Kleid gefunden hatte und dann meine Größe nicht mehr verfügbar war.

Shit. Das wird eine lange Nacht.

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Na, ich hoffe euch geht es allen gut!
Es freut mich sehr, dass ihr immer noch meine Gesichte lest
😇
und deshalb wünsche ich euch einen wundervollen Tag und ein schönes Wochenende.
Sophie 🎀

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