12. Silvester

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»Hey. Habt ihr Mik gesehen?«

Der Kreis aus Menschen, an die ich getreten war, öffnete sich ein Stück in meine Richtung und da die Meisten den Kopf schüttelten, wollte ich mich gerade weiter auf die Suche machen, als Myriam als Gastgeberin reagierte.

»Ah, doch! Vorhin wollte er zumindest kurz an die frische Luft. Ich weiß nicht, ob er da noch ist, aber probier es am besten im Garten.«

Sie deutete auf eine Glastür neben dem Sofa und dankbar nickte ich, bevor ich auf diese zusteuerte. Die Tür war nicht verschlossen und als ich leicht dagegen drückte, öffnete sie sich mit einem kleinen Ruck nach draußen. Ich trat über die Schwelle auf einen breiten Balkon und sofort schlug mir eine Wand aus kalter Luft entgegen. Mit einem Schluck trank ich mein inzwischen schal gewordenes Bier ganz aus und ließ die leere Flasche auf dem Gartentisch rechts neben der Tür stehen. Ich würde sie auf dem Rückweg wieder mit reinnehmen.

Ich hatte Miks Gestalt schon in der Hängematte im Garten liegend entdeckt, sein dunkler Hoodie hob sich von dem blauen Stoff der Hängematte deutlich ab.

Über eine schmale Treppe, die mit einer Umdrehung eng im Kreis nach unten führte kam ich auf den schmalen Streifen Kies neben dem Haus. Als ich über den knöchelhohen Rasen auf meinen Freund zukam hatte er mich schon lange gesehen und sein sanftes Lächeln gab mir die Sicherheit, dass ich nicht störte, er nicht hier war, um alleine zu sein.

»Hey.«

Vorsichtig setzte ich mich zu Mik auf die Hängematte, wo er mir Platz gemacht hatte, konnte meinen Blick nicht von seinen Lippen abwenden, die so knuffig lächelten.

»Was machst du hier draußen?«

Miks Hand legte sich an mein Bein, so, dass seine Haut nur wie beiläufig meine Hose berührte und bloß sein Daumen fuhr gedankenverloren über den festen Stoff.

»Ich wollte ein bisschen Ruhe. Nur kurz. Es ist gerade einfach alles so toll, ich hab gerade versucht, das überhaupt erst einmal alles zu begreifen, aber es klappt nicht.«

»Ich weiß, was du meinst.«

Ein starkes Gefühl der Zuneigung durchströmte mich, während ich mich dicht neben Mik legte und so auf der Hängematte unter ihn rutschte, dass sein Kopf an meinem Oberkörper lag. Er zog die dünne Stoffdecke, mit der er zugedeckt gewesen war - immerhin war es mitten im Winter, auch wenn das Wetter einem das nicht vermittelte - über uns beide und ich spürte, wie kalt er trotzdem war.

»Aber es ist nicht irgendwie die Party oder so gerade, die doof ist, oder?«

»Nein.«

Mik schüttelte leicht den Kopf, drehte ihn dann so, dass er mich ansehen konnte, legte sich ganz seitlich hin und gab mir dadurch noch mehr Platz in der Hängematte, die höchstens auf eineinhalb, aber nicht auf zwei Personen ausgelegt war. Vorsichtig, um nicht aus der Hängematte zu fallen - was bei meiner Tollpatschigkeit nicht unwahrscheinlich war - legte ich meine Arme um den kalten Körper meines besten Freundes.

»Ich mag es ja, wenn viele Leute da sind und alles. Ich kenn' ja auch viele von ihnen sogar. Aber gerade hab ich eben kurz Ruhe gebraucht.«

Wie hypnotisiert fuhr ich mit meiner Hand durch die Haare meines Freundes, nickte. Ich konnte ihn gut verstehen, ich hatte schließlich eben noch genau das selbe gedacht.

»Ich war bis gerade mit Wailam und seiner Freundin in der Küche. Mir ging es aber genauso, deswegen hatte ich eh gehofft, dass du Lust hast, dich mit mir für eine Weile abzusetzen.«

»Siehst du?«, erneut grinste Mik frech, »Wir hatten den gleichen Gedanken.«

Ich erwiderte sein Lächeln und spürte selbst, wie ehrlich es war. Gerade in diesem Moment hätte ich mir wirklich nichts schöneres vorstellen können, als hier mit Mik draußen in der Hängematte zu liegen, auf einer Party voller Leute, von denen ich wusste, dass sie ihm etwas bedeuteten und die ich selbst, soweit ich sie kannte, auch mochte. Ich war vor einer Woche mit meinem besten Freund zusammengezogen, führte eine Beziehung mit ihm, die nicht besser laufen könnte und würde das neue Jahr hoffentlich mit einem Neujahrskuss mit dem Jungen, den ich liebte, beginnen können. Zu allem Überfluss waren am Himmel herrlich kitschig, trotz der Wolken, die heute Nachmittag noch überall gewesen waren, die Sterne zu sehen und in einem der Bäume am anderen Ende des Gartens hing eine Lichterkette mit bunten Lampions. Leise lachte ich auf und drückte meine Lippen kurz auf Miks Wange, während er mich bloß fragend ansah.

Buntes Papier ~ #KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt