♦️Kapitel 2 ♦️

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Etwas nervös stand ich vor dem Zimmer von Alessandra. In meinen 16 Jahren war ich kein einziges Mal hier gewesen, zum Mindest konnte ich mich nicht daran erinnern. Auch sonst schien Alessandra immer unantastbar wie eine Weise, doch ich wusste genau, wie viel sie doch für uns tat. Zusammen mit den Altruan sorgte sie dafür, dass keiner langfristig hungern muss. Die Altruan gaben uns alles mögliche: Essen, Geschirr, Material und vor allen auch Kleidung und Decken. Mittlerweile hatte ich diese Hilfe akzeptiert, auch wenn es mir schwer fiel, Sachen von anderen anzunehmen. Ich hoffte, dass wir bald selbstständig werden können, denn große Teile unseres Bedarfs konnten wir schon selbst herstellen, es fehlten einfach die Materialien. Dazu musste man aber auch sagen, dass nicht alle Fraktionslosen hier lebten. Wir waren nur ein kleiner Teil vom Großen. Eine Schwäche des Menschen ist es, zu viel Vertrauen in sich selbst zu haben. Ein Zusammenhalt aller Fraktionslosen hätte viele Leben retten können, doch stattdessen gab es kleinere Gruppen ohne Orientierung und Ziel. Ich hatte also Glück gehabt, in der größten Gruppe von Fraktionslosen, oder Freien, wie wir uns auch gerne nennen, aufgewachsen zu sein.

"Willst du nicht langsam mal klopfen?", fragte eine freche Stimme neben mir und ich sah mich schnell um. Es war Cato, der Sohn von Alessandra. Mit seinen 32 Jahren sah er trotzdem noch jung und anmutig aus, auch wenn sein Stolz die Grenzen manchmal überschritt, hatte er trotzdem ein sympathischen, aufgeweckten Charakter. Ich warf ihm nur ein leichtes Lächeln zu und klopfte dann schnell, um nicht wieder abschweifen zu können. " Keine Sorge, Mom wird deine Aufregung verstehen, immerhin steht bald deine Zukunft auf dem Spiel." Er zwinkerte mir leicht zu, doch ich schaute ihn nur verwirrt an:"Zukunft auf dem Spiel... Wie meinst du das?" Doch er antwortete nicht mehr, denn in diesem Moment wurde ich alte Holztür geöffnet und Alessandra stand vor mir.

" Hallo Daphne, ich habe schon lang auf dich gewartet." Ihre Augen schlimmerten im Licht der Kerzen dunkelblau und sie führte mich in ihr Zimmer. "Ähm Hallo", stammelte ich nur und blieb hinter der Tür stehen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Das ganze Zimmer bestand aus Holz und dunkle Holzträger hielten die Decke. Eine Treppe, natürlich auch aus Holz, führte nach oben. Ich ging mal schwer davon aus, dass dort ihr Schlafzimmer war. An den Wänden und auf dem Tisch flimmerten leuchtende Kerzen und 6 massive Stühle standen um den Tisch herum. Auf dem Tisch lagen außerdem noch reichlich Blätter. Ich sah schon vor mir die Oberhäupte der Fraktionen hier sitzen, wie sie über uns diskutierten. "Was sind das für Blätter?" Sie lächelte zwar weiterhin, doch ich merkte, wie sie schnell versuchte, alle Informationen zu verdecken. "Das mag jetzt vielleicht verrückt klingen, aber dies sind alle Informationen, die wir über euch kennen: Eure Eltern, was ihr gerne macht, die Regelverstöße, Arbeit, und so weiter. Wir wurden damit von den Fraktionen beauftragt, damit am Tag der Entscheidung leichter aussortiert werden kann. Ach ja, setz dich doch ruhig! "Zögernd nahm ich ihr gegenüber Platz." Und warum genau wollen sie jetzt mit mir reden? "

" Also Daphne, ich weiß, wie viel du durch gemacht hast. Du bist ein wundervolles Mädchen und du hast beeindruckende körperliche Leistung in all deinen Jahren hier gezeigt. Du bist sehr diszipliniert und hast hier viele Freunde gefunden, und das ist gut so. Ich freue mich sehr für dich, dass du so gut in diesem Leben zurecht kommst, an dem so viele doch scheitern. " Ich wurde rot, solche Komplimente habe ich bis dahin noch nicht mal von meinen Freunden gehört." Das Angebot der Fraktionen ist sehr großzügig, sie nehmen ein paar von euch auf, doch ich glaube, auch du kennst die Kehrseite. Mich würde es sehr interessieren, ob du diese Gefahr eingehen würdest, um dieses Leben hinter dir zu lassen." Ich blickte sie an. Ihre Frage verwirrte mich zutiefst. Warum sollte ich so etwas wissen?" Keine Sorge, du hast noch den ganzen Abend Zeit, um mir diese Frage zu beantworten, Essen wir erst mal einen Bissen. Hast du Hunger? " Ich nickte schnell und sie stand auf, um einen dampfenden Topf zu holen. Vorsichtig hob sie ihn mit zwei Lappen an, um ja kein Tropfen des kostbaren Essens zu verschwenden. In dem Topf befand sich eine klare Rinderbrühe mit viel Gemüse und Fleisch." Nimm dir ruhig viel zu Essen. Es genug für uns beide da." Oh ja, der Topf war bis oben hin voll und hätte wahrscheinlich drei Schlafzimmer satt gemacht. Ich nahm mir drei ordentliche Kellen der Brühe, denn ich hatte seit heute morgen nichts mehr gegessen. Die nächsten 10 Minuten aß ich stillschweigend meine Suppe und dachte über Alessandra's Worte nach. Sie hatte Recht, die Chance bei mir ist groß, dass ich eine Unbestimmte war. Ich musste mir selbst eingestehen, dass ich keinerlei Lust hatte, mein ganzes Leben ein Versuchskaninchen zu sein.

"Nein", sagte ich. Alessandra sah mich verdattert an, also wiederholte ich meine Antwort:" Nein, ich möchte diesen Test nicht machen." Da lachte sie plötzlich auf:" So habe ich das doch gar nicht gemeint, Kind! Der Test lässt sich nicht vermeiden.", ihr Blick wurde wieder ernst, " Nein, ich möchte sogar, dass du gehst. Wir werden dich zwar alle vermissen, aber du bist zu höheren bestimmt, Daphne." Diese Antwort machte mich etwas zu schaffen. Was sollte das bedeuten?

" Seit deiner Geburt verfolgt mich immer wieder dieser eine Traum: Dort sehe ich dich, als erwachsene Frau. Du bist normal und das Wetter ist schlecht, doch dann kommen viele Menschen, eine Masse an Leuten, die ein Käfig um dich bilden, doch du wirst zu einem Falken und fliegst hinfort in den Himmel und das Wetter bessert sich. Daphne, du bist die Hoffnung. Die Eine, die vielleicht alles verändern kann! Weißt du, wofür ein Falke steht?" Ich schüttelte den Kopf." Er steht für Entschlossenheit und Hoffnung, außerdem ist er das Tier des Apollon. Das Licht der Welt, du bist Hoffnung, kleiner Vogel. Und irgendwann, wenn der Falke erscheint, wird es so weit sein, dann wird sich deine Bestimmung zeigen!"

Das war zu viel für mich. Ich stand auf und  schmiss das Glas mit voller Wucht gegen die Wand. Meine Hände Bälle ich ich zur Faust und schrie:" Das ist doch nur ein Traum, warum sollte ich die Bestimmte sein! " Alessandra saß weiterhin ruhig auf ihrem Platz und ließ es einfach geschehen, was es für mich nicht einfacher machte. Ich schrie sie weiter an, doch ich war längst nicht mehr wütend, es war die Verzweiflung, die mich so in Rage brachte. Tränen liefen über meine Wangen, zu viel hatte ich in meinen kurzen Leben schon erlitten." Ich will doch einfach nur ein normales Leben..."

„Wie die Zeit auch hingeflogen - die Erinnerung weichet nie. Wie ein lichter Regenbogen - steht auf trüben Wolken sie.“ ~Dieter Ross

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 25, 2017 ⏰

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