Kapitel 5 - Everybody has mistakes!

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61,8 kg

60,9 kg

60,1 kg

59,7 kg

In den nächsten Tagen arbeitete ich hart an meinem Gewicht. Meine Mum war den ganzen Tag arbeiten und mein Dad war schon wieder auf Geschäftsreisen, sodass sie das alles nicht mitbekamen. Das war mir ehrlich gesagt auch lieber. Ich wog mich jetzt jeden Morgen und jeden Abend und wann immer ich im Bad war. Es war für mich schon eine Art Sucht geworden, auf diese kleine kalte Platte zu steigen, die mir den Zustand meines Körpers verriet. Es beruhigte mich zu sehen, das mein Plan funktionierte. Ich hatte mir nämlich einen Fitness- und einen Ernährungsplan zusammengestellt, den ich mit aller Kraft einzuhalten versuchte. In meinen Tagen zu Hause hatte das ausgezeichnet geklappt, doch morgen würde ich wieder zur Schule gehen und ich hatte wirklich Panik, das ich wieder zunehmen würde. Ich rannte zum Fenster und schob die hellrosa Vorhänge zur Seite, als ich das wohlbekannte Geräusch des Motors von meiner Mum hörte. Sie fuhr grade aus der Einfahrt. Ich schaute auf den Kalender: Mittwoch. Meine Mum würde erst gegen 16:00 wieder kommen. Ich hatte also noch 7 Stunden Zeit, bis sie wieder da wäre. Ich zog mir meine Sportsachen an, nahm mir eine Wasserflasche und ging runter in unseren "Hobbyraum," wo das Laufband stand. Mehr als eine Meile würde ich nicht laufen, weil man sonst zu viele Muskeln aufbauen würde und ich wollte schlank und nicht stämmig werden.

Nachdem ich meine Kilometer abgelaufen hatte, stieg ich unter die Dusche. Ich stellte das Wasser ganz kalt und fing an, meine Haare zu waschen. Ich fröstelte, aber ich wollten durchhalten. Denn ich hatte gelesen, das man mit kalten Wasser den Fettverbrennungsvorgang beschleunigt. Und außerdem schadet warmes Wasser meinen Haaren, die ich unbedingt wachsen lassen wollte. Im Moment waren sie in der Stufe Mittellang und ich wollte unbedingt in die Stufe "lang" gelangen. Ich klatschte mir eine Haarkur in die Haare, band ein Handtuch drum und setzte mich dann unten vor den Fernseher. Und wieder sah ich die schönen Models im Fernsehn, mit ihren makellosen Gesichtern, den glänzenden langen Haaren und den ultradünnen Beinen. Mein besonderes Vorbild war Barbara Palvin. Ich beneidete sie. Aber was sollte ich schon machen. Mit der Zeit bekam ich Hunger. Aber ich wollte um Himmels Willen nichts essen. Also stapfte ich zurück ins Badezimmer und putze mir die Zähne. Das war auch so ein Trick. Putze man sich die Zähne, würde der Hunger verschwinden. Und das wirkte wirklich. Doch nicht lange und in 3 Stunden hatte ich mir 25 Mal die Zähne geputzt. Als ich es dann irgendwann leid war, nahm ich mir einen Apfel aus der Küche. Der würde meinem Gewicht nicht sonderlich schaden. Die wichtigste Regel war sowieso KEIN FETT UND KEIN ZUCKER! und die hielt ich ein. Gesättigt ging ich zurück in mein Zimmer und wusch die Kur aus meinen Haaren. Dann föhnte ich sie. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich wieder sauber und frisch. Als ich mich im Spiegel betrachtete, wurde mein Glücksgefühl noch verstärkt: Mein Gesicht war schmaler geworden! Es war nicht eingefallen oder etwas der gleichen. Es wirkte nur schmaler. Und auch meine Haut wurde besser. Ich hatte schon seit längerer Zeit eine ziemlich unreine Haut. Ich hatte immer gedacht, das läge nur an der Pubertät, aber bei meinen nächtlichen Internetrecherchen über Schönheit & Fitness hatte ich herausgefunden, das  vieles an der Ernährung lag. Und die Website hatte nicht unrecht gehabt.

Ich ging in mein Zimmer und setzte mich an meinen Schreibtisch. Ich durchwühlte den Haufen von Blättern, die mit der Woche in meinem Briefkasten gelandet waren. Plötzlich entdeckte ich meine Mathearbeit. Oh Schreck! Die hatte ich wohl übersehen. Vorsichtig öffnete ich das Heft. Unter der Arbeit prangte eine dicke fette 5. Ich erschrak. So ein Mist! Wie sollte ich das meinen Eltern beichten? Ich verbannte das Heft in die hinterste Ecke meines Zimmers, während sich ein ungutes, fast schmerzhaftes Gefühl in mir breit machte. Ich hatte meinen Eltern versprochen, diesmal keine 4 auf den Zeugnis zu haben. Und jetzt das. Ich bekam Panik. Aber ich versuchte, mich wieder zu beruhigen. Die nächste Arbeit wird besser! sagte ich mir, auch wenn ich so meine Zweifel hatte. Mein Problem war nämlich, das ich dieses Halbjahr alle Arbeiten in den Sand gesetzt hatte. Selbst Englisch, Deutsch und Französisch. Meine Eltern würden mich hassen! Denn das war das Entscheidungsjahr zur EF.

Langsam beruhigte ich mich wieder. Ich arbeitete mich durch die Aufgaben, die in den ganzen Tagen angefallen waren. Als meine Mutter auf einmal in mein Zimmer schneite, erschrak ich. Ich schaute auf die Uhr. 17:23. Wie lange hatte ich gelernt? Meine Mum gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Es gibt Nudeln." Mein Magen zog sich zusammen. Ich wollte nichts essen. Während ich meiner Mum gegenüber saß und lustlos meine Nudeln erspießte, musterte sie mich. "Hast du abgenommen?" Ich riss den Kopf hoch und starrte sie entgeistert an. Energisch schüttelte ich meinen Kopf und verdrehte die Augen. Aber meine Mum sah mich immer noch skeptisch an. "Clary, ich denke wir müssen mal reden..."

Skinny loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt