Kapitel 8 - Just do it!

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Der Wecker klingelte und ich schälte mich müde aus meinem Bett. Ich tastete mich langsam durch mein dunkles Zimmer, bis ich den Lichtschalter fand. Dann schlich in den nächsten Raum und machte auch im Badezimmer die Lampe an. Ich drehte mich vom Spiegel weg, damit ich mein eigenes Gesicht nicht sehen musste. Denn ich hasse es. Und morgens sah es noch hundert Mal schlimmer aus. Ich zog meinen Schlafanzug aus und stieg in die Dusche. Das Wasser war kalt, aber davon wurde ich wach. Ich nahm mein Shampoo und klatschte es mir in die Haare. Plötzlich überkam mich ein komisches Gefühl und mir wurde ganz schwindelig. Ich setzte mich langsam auf den nassen Boden der Dusche und drückte meine Stirn gegen das kalte Glas. Das war nun schon der dritte Schwindelanfall in zwei Tagen. Aber ich wunderte mich nicht. Vor vier Tagen hatte ich meine neue radikal-Diät angefangen und hatte seit dem nur 2 zwei Äpfel und einen Teller trockene Nudeln gegessen. Mein Plan war es ja, Garnichts mehr zu essen, aber ganz ohne ging es nicht. Noch nicht. Ich arbeitete daran. Das einzige, was ich tat war trinken. Jeden Tag zwei Flaschen Perrier, mindestens. Denn Wasser half bekanntlich beim Abnehmen. Und ich hatte auch schon das Gefühl, leichter zu sein. Als das komische Gefühl wieder weg war, duschte ich weiter und stieg dann aus der Dusche. Obwohl ich nicht warm geduscht hatte, war der Spiegel beschlagen und so kämmte ich mir meine Haare, während ich mein trübes Spiegelbild begutachtete. Mehr als umrisse sah ich nicht und es war mir sehr willkommen. Ich zog mir frische Unterwäsche an und ging dann rüber in mein Zimmer, zu meinem Kleiderschrank. Die linke Tür des Schrankes war auch verspiegelt, sodass ich mich letztendlich doch sah. Aber ich achtete nicht auf mein Gesicht sondern auf meinen Körper. Ich drehte mich in alle Richtungen und begutachtete meine Beine und meine Hüften. Ja. Ich hatte abgenommen. Und ich war stolz drauf. Ich wollte mich freuen, aber etwas hielt mich davon ab. Ich wusste nicht, was es war, aber es machte mich traurig. Ich holte tief Luft und schüttelte energisch den Kopf. Wahrscheinlich musste ich nur noch mehr abnehmen, um glücklich zu sein. Ja, das war es. Ich zog mich an und ging dann ins Badezimmer, um meine Haare zu föhnen. Dann wusch ich mein Gesicht und legte etwas Lippenbalsam und Parfüm auf. Ich schminkte mich nicht. Ich würde gerne, wirklich gerne, aber ich hatte mir geschworen, mich erst zu schminken, wenn ich eine reine Haut hatte. Und ich war dieser schon ein bisschen näher gekommen, aber es würde auf jeden Fall noch seine Zeit dauern. Ich ging wieder in mein Zimmer, nahm meine Schultasche und rannte dann die Treppe runter und nach draußen. Meine Mutter hatte einen neuen Job angenommen, weshalb sie mich morgens nicht mehr sah und mir so auch nichts zu essen aufdrücken konnte, was mir wiederum natürlich gelegen kam. Ich schlenderte zur Bushaltestelle. Genau als ich ankam, traf auch der Bus ein. Ich hielt Ausschau nach meinen besten Freundinnen, aber sie waren nicht da, also setzte ich mich alleine nach Hinten. als wir ankamen, war ich die erste, die aus dem Bus hüpfte. Ich sah Ruby und Jade schon am Schultor stehen und verschnellerte mein Tempo. Doch als ich sah, dass Kyle bei ihnen stand, lief ich wieder langsamer. Leider kam ich aber doch sehr zügig bei ihnen an. Ich umarmte Ruby zur Begrüßung und schaute dann zögernd zu Jade. Sie ließ Kyles Hand los und ich umarmte sie auch. Dann warf ich Kyle einen raschen Blick zu und schaute ihm direkt in seine Augen. Ich erschrak so sehr, dass ich leicht zusammen zuckte und hoffte dann inständig, dass niemand es gesehen hatte. ich machte meine Tasche auf und tat so, als ob ich dringend etwas suchte, aber in Wirklichkeit versuchte ich nur verzweifelt aus dieser Situation zu kommen. Ruby packte mich sanft am Arm und zog mich mit sich. "Komm, wir lassen die Beiden noch ein wenig allein!" sagte sie und langsam entfernten wir uns. Ruby hackte sich bei mir ein und lächelte wissend. Einen Moment lang dachte ich, sie wüsste, was Sache ist, aber Ruby sagte nichts und so hielt ich auch den Mund. Ich schaute die anderen Schüler an, die überall auf dem Schulhof standen. Heute sahen irgendwie alle anders aus. Alle hatten sich etwas besser als sonst angezogen, weil heute der letzte Tag vor den Osterferien war. Und jetzt fühlte ich mich mit meinen Jeans, meinem Hoodie und meiner Frisur noch hässlicher als sonst. Ich ließ die Schultern hängen und versuchte, mich so klein, wie nur möglich zu machen, damit mich keiner beachtete, doch das tat sowieso keiner. Hässliche Menschen wurden doch grundsätzlich gemieden und ich war der hässlichste von allen. Und wieder fragte ich mich, warum zwei der beliebtesten und hübschesten Mädchen der Schule meine besten Freundinnen waren. Es klingelte, doch wir warteten noch, bis ein Großteil der Menge im Gebäude verschwunden war. Eine Angewohnheit von Jade, die wir übernommen hatten. Irgendwann gingen wir dann auch in unsere Klasse. Heute stand alles Kopf. Da wir nur zwei Stunden hatten, setzte sich jeder auf den Platz, auf den er wollte. Ruby und ich setzten uns etwas Abseits zusammen hin. Eigentlich saßen Jade und Ruby immer zusammen, aber damit Kyle und Jade jetzt nebeneinander sitzen konnten, saßen wir eben hier. Mrs. West kam rein und wir wurden still. Immer wieder schielte ich zu Jade und Kyle nach vorne, doch die Beiden saßen nur schweigend nebeneinander und so gab ich es irgendwann auf. Den Rest der Stunde bekam ich so gut wie gar nicht mit. Erst das Klingeln riss mich aus meinen Tagträumereien. Alle standen auf und rasten aus der Klasse. Jetzt hatten wir Ferien! Für alle bedeutete das ausschlafen, rumhängen, entspannen. Für mich hingegen hieß das jeden Tag exzessiver Sport, Kalorien zählen und abnehmen. Ich verabschiedete mich von meinen Freundinnen und rannte zum Bus.

Zu Hause angekommen, warf ich meine Schultasche in die nächste Ecke und holte meinen Koffer raus. Wir würden noch heute Abend nach Frankreich fahren. Ich freute mich darauf.  Denn so kam ich ein bisschen aus dem Alltagstrott raus und vielleicht würde es mir dadurch leichter fallen, abzunehmen. Ich versuchte mir immer einzureden, es wäre das einfachste auf der Welt, einfach mal 48 Stunden nichts zu essen. Aber ich machte mir etwas vor. Doch ich wollte nicht aufgeben und ich würde auch nicht aufgeben. Ich durfte keinen Rückfall mehr haben, das könnte ich mir nicht verzeihen. Außerdem hatte ich durch meine Fressattacke  letzte Woche wieder einiges zugenommen. Und das konnte ich mir bei meiner Figur nicht erlauben. Ich öffnete meinen Schrank, als mir ein Packet auf meinem  Schreibtisch liegen sah. Ich wusste sofort was es ist. Ich riss die Packung auf und hielt meinen Bikini-Body Guide in den Händen. Kayla Itsines, die Entwicklerin war ein wahres Genie, was Fettverbrennen anbelangte und sie war mein Vorbild. Sie hatte einen perfekten Körper und kein einziges Gramm Fett an den Beinen, worum ich sie besonders beneidete. Ich hatte ihre Seite im Internet gefunden und war sofort begeistert gewesen. Und jetzt konnte ich meiner Traumfigur ein bisschen näher kommen. Schnell packte ich meinen Koffer zu Ende. Ganz oben drauf lag der Fitness-Guide. Jetzt konnten auch meine Ferien beginnen!

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