Miraculous Colours

Süchtig und stolz drauf - wie alles begann

Es war ein Montag, das weiß ich noch genau. Wir hatten lange Schule und ich war hundemüde. Leider konnte ich mich nicht wie üblich auf die Couch fallen lassen und mich in Selbstmitleid suhlen, denn da war schon besetzt: meine kleinste Schwester @Miraculous_Quinn thronte auf meinem Stammplatz, eine Hand auf der Armlehne, die andere besitzergreifend um die Fernbedienung gekrallt. Sie bedachte mich mit einem herrischen Blick, bevor sie sich wieder vergnügt dem Bildschirm zuwandte. Es war absolut klar, dass sie sich die nächste halbe Stunde nicht von dort wegbewegen würde. Dementsprechend mies gelaunt fläzte ich mich neben sie, um wenigstens eine kleine Dosis meines täglichen Selbstmitleids zu bekommen. Doch leider musste ich feststellen, dass es sich äußerst schlecht in Selbstmitleid suhlt, wenn dabei auf DisneyChannel eine quietschende Jungenstimme Werbung für kleine sprechende Kuscheltiere macht, die sogar Pipi und Aa machen können. Faszinierend. Nach dieser Marketing-Misere folgte Gott sei Dank das Disney-Logo mit der Ansage, die Werbung sei vorbei. Bevor es jedoch mit dem Programm weiterging wurde noch ein kurzer Werbespot für ein blauhaariges Mädchen im gepunkteten Kostüm gezeigt. Auf einmal ganz aufmerksam verfolgte ich, wie sie in genialer 3D-Animation über Dächer sprang und ihr Jo-Jo warf, dann wurde ein Junge mit Katzenohren gezeigt. Der Spot dauerte etwa eine Minute und versorgte mich mit genug Informationen, um feststellen zu können, dass da zwei Menschen mit jeweils zwei Identitäten sind, die sich ineinander verlieben, ohne zu wissen, wer der andere ist. »Ist das lächerlich.«, sagte ich zu meiner Schwester und stand auf. »Ich mache Hausaufgaben. Sag Bescheid, wenn du was mit mehr Inhalt guckst.«

Die Woche verging und irgendwie wollte mir diese Viereck-Liebesgeschichte nicht aus dem Kopf gehen. Am Samstagmorgen gab ich den Kampf auf und googelte "Marienkäfer Superhelden Katzenjunge Jo-Jo ", da ich mir den Namen der Sendung nicht hatte merken können. Quasi sofort sprang mir ein HD-Bild der Helden ins Gesicht und ich suchte nach Folge 1 dieses "Miraculous ". Innerhalb weniger Stunden hatte ich die ersten Folgen durch und konnte die Sendezeiten auswendig, die Folgen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienen waren, sah ich mir im Fernsehen an. Das Warten auf eine neue Folge war Folter, das könnt ihr mir glauben. Die Wartezeit verbrachte ich damit, mir die alten Folgen in allen möglichen Versionen auf YouTube anzusehen. Ich sah sie auf Französisch mit deutschen Untertiteln, auf Englisch mit französischen Untertiteln, auf Koreanisch mit englischen Untertiteln, auf Englisch ganz ohne Untertitel und auf Französisch mit deutschen Untertiteln. Ich hatte zig verschiedene Varianten des Titelsongs gehört und konnte drei davon auswendig, kannte Marinettes Klassenkameraden mit Namen und wusste jeden Glücksbringer und dessen Verwendung. Und dann, als ich auch die letzte Folge endlich gesehen hatte, wurde mir etwas klar. Es war eine Sache, 24 Stunden auf eine zwanzigminütige Folge zu warten. Aber es war eine ganz Andere, auf unbestimmte Zeit auf die zweite Staffel warten zu müssen! Ich sammelte jede Theorie, jedes Fanmade-Video, jeden ComicDub zum Thema Miraculous, aber es war nicht genug, um den Riss in meinem Fan-Herzen zu heilen. Mit der Zeit ebbte der Schmerz etwas ab, zwar nicht ganz, aber es reichte, um wieder klar denken zu können. Und mir wurde klar: Wenn Miraculous nicht bald weiterging, würde ich es eben selbst weitermachen! Dieser eine Montag war Schicksal gewesen! Du bist zu Großem bestimmt, schrie mir mein Ego zu. Aber wir haben doch noch gar keine Ideen, wandte mein Verstand leise ein, was mein Ego mit einem Augenrollen quittierte. Uns fällt schon was ein! Besonders viel Handlung hat die Serie ja auch nicht, alles, was wir brauchen, sind Akumas und Katzenwitze. Das Thema Akuma war schnell erledigt, und da Cat's Witze sowieso schlecht sein mussten, waren meine Notizen schon bald vollständig. Ab diesem Punkt arbeiteten Vernunft und Ego dann Hand in Hand, da beide nach Anerkennung suchten. In diesem Ideen-Sammelsurium fehlte der Pfeffer, wir brauchten mehr Hintergrund, mehr Überraschungen, mehr Dramatik. Vernunft wollte die Story überdenken, Ego wollte die Serie übertreffen. (Dass mein Ego recht groß ist, muss ich nicht sagen, oder?) So jedenfalls bin ich auf die Monster-Kwami-Sache gekommen, was automatisch Dragon zur Folge hatte. Ich wollte keinen OC für diese Rolle nehmen, also habe ich mir den erstbesten Rotschopf geschnappt, seinen Charakter analysiert und ihn in das feurige Gegenteil verwandelt. Und so wurde Nataniël zum Superhelden.

Die restlichen Vernunft/Ego Debatten erspare ich euch, Tatsache ist, dass es sich an einem einzigen Montag entschieden hat, mein Herz, meine Seele und 95% meiner Freizeit der nächsten eineinhalb Jahre zu verlieren. Und ich bereue es nicht! *Fangirl-Drama-Pose*