Chapter 4

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Die Aussicht war immer noch so schön, wie sie es am Morgen gewesen ist. Die Strahlen der Sonne, die wieder so unschuldig am Himmel vor sich hin leuchtete, wurden von den unzähligen Glasscheiben des Forschungszentrums von C-Cop reflektiert und ich war, nach wie vor, der Meinung, dass es wie ein riesiger Diamant aussah.
Leon, der neben mir stand, betrachtete das Zentrum der Stadt mit der gleichen Bewunderung, wie ich.
„Es ist schön.", meinte er und sah mich an. Ich lächelte zurück.
Ja, es war schön und wie heute Morgen konnte ich es kaum erwarten dahin zu gehen. Es war, als würde dort etwas Wichtiges auf mich warten.
3 Tage noch, sagte ich mir stumm. In 3 Tagen bist du da.
Ich strich mir meine Haare hinter die Ohren, doch der Wind zerzauste sie immer weiter.
Ein Geräusch ließ mich Aufsehen.
Nicht weit entfernt von uns stieg ein Helikopter aus den Häuserreihen empor. Er war vom Militär und ich hatte ihn schon oft gesehen. Ich war auch schon mit ihnen geflogen. Auf dem Gelände und mit den anderen Castern. Es hatte Spaß gemacht.
Ich war mir sehr sicher, dass er die Nahrung gebracht hatte.
Er drehte ab und flog in den blauen Himmel davon.
Ich sah ihm nicht hinterher, sondern ging wieder nach unten.

Eric und Alex brachten zwei große Kisten mit, die nicht nur Nahrung und Wasser, sondern auch medizinische Dinge beinhalteten, wie Verbandzeug und kleine Fläschchen, wo ich jedoch nicht sicher war, was sich darin befand. Rose und Yui, zwei Caster, hatten Ahnung von sowas, genauso wie ich Ahnung von Technik hatte, zumindest, was Computer und so anging. Die beiden wussten sicher, was sich darin befand und wofür man es verwendete und vor allem, wie. Musste man es trinken oder spritzen.
Ich hielt die Flüssigkeit gegen das Licht. Es war milchig und sah irgendwie richtig Eklig aus.
„Wofür ist das?", fragte mich Alex und ich lachte.
„Keine Ahnung, aber es sieht eklig aus."
Ich steckte die Ampulle vorsichtig wieder zurück und nahm mir stattdessen etwas zu essen.
Ich stopfte es mir förmlich in den Mund und schlang es herunter. Erst jetzt bemerkte ich wie sehr es mir gefehlt hatte etwas zu essen und zu trinken und ich fühlte mich besser. Ich hatte wieder Energie für die nächsten Tage und war mir sicher sie ohne Probleme zu überstehen.
Ich wusste nicht genau warum es so war, aber es war eine Tatsache, dass wir Caster keinen Hunger verspürten. Nicht so wie die Menschen. Es war eher so, als würde uns die Energie ausgehen, wie bei einer Batterie oder eher, wie ein Akku den man durch Strom wieder aufladen musste. Zumindest stellte ich es mir so vor.
Ich glaube dieses Phänomen hat niemanden so richtig gestört. Wir haben, selbst als Kinder, nie nach essen gejammert oder wegen Hunger geklagt. Dafür kam es vor, dass, wenn wir länger nichts gegessen hatten, einfach überall einschliefen.
Es war immer lustig gewesen, die anderen Kinder zu suchen wenn sie eingeschlafen waren, denn das geschah meistens an den seltsamsten Orten.
Ein lautes Piepen ließ mich hochschrecken. Automatisch setzte ich mir die Kopfhörer auf und nahm den Funkspruch entgegen.

Ich lag alleine und im Dunkeln auf einem der Autofraks und sah mir die Sterne an. Keine Wolke verdeckte sie, während sie so einsam und wunderschön vor sich hin leuchteten. Ich dachte über den Tag nach. Es war nicht wirklich viel passiert. Ich hatte mit den anderen Teams gesprochen und wir hatten uns in 3 Tagen bei dem Diamanten verabredet. Ich lächelte kurz, weil sie alle 'Diamant' sagten, so wie ich. Dann hatte ich noch mit dem Militär gesprochen, zwei Mal. Ich seufzte. Wir hatten heute wirklich nicht viel geschafft, außer das Essen und so abzuholen.
Das Gefühl der Angst war wirklich verschwunden, was mich wirklich freute, denn diese fast schon Panikattacken waren ätzend gewesen.
Ich rieb mir über die Arme, weil ich eine Gänsehaut bekommen hatte.
„Hey, Astja!", rief Alex, der in der offenen Tür stand. „Kommst du?"
Ich stand auf und sprang von dem Auto. Bevor ich zurück ging, drehte ich mich um.
Am Ende der Straße stand ein Wolf. Ganz ruhig sah er mich an, so wie der Wolf gestern es auch getan hatte. Alex war stumm. Ich war sicher er sah den Wolf auch, sagte aber nichts. Ruhig starrten wir zurück. Als sich der Wolf umdrehte und verschwand, drehte auch ich ihm den Rücken zu und rannte zum Haus.

„Morgen werden wir Messungen vornehmen.", verkündete Leon, als ich das Haus betrat und hielt einige Stahlungsmessgeräte hoch.
„Sie messen die Viruskonzentration."
Ich tat so, als wüsste ich was er meinte, doch in Wahrheit interessierte mich das nicht wirklich. Ich sollte morgen Dinge messen. Mehr brauchte ich nicht zu wissen.

In dieser Nacht träumte ich von meiner Kindheit auf dem Stützpunkt. Ich erinnerte mich, wie wir uns zu elft abends raus geschlichen hatten, wenn Karneval war. Das war die einzige Gelegenheit uns in der Öffentlichkeit zu zeigen, ohne Aufsehen zu erregen. Das erste Mal, als wir gegangen waren, waren wir 10 Jahre alt gewesen. Es sollte eher ein Scherz sein, doch dann wurde es eine Art Tradition und wir machten es jedes Jahr wieder. Wir waren nie erwischt worden, was an ein Wunder grenzte, doch wir beklagten uns nicht, natürlich nicht.
Staunend hatten wir die riesigen Festwagen betrachtet, die in vielen Farben beleuchtet wurden und aussahen, als wären sie von Göttern gemacht worden.
Diese Tage zeigten uns, wie schön die Welt draußen war und was wir unser Lebenlang verpassen würden.
Wir konnten nichts dagegen machen, deshalb genossen wir die Stunden Freiheit, die wir uns geschafft hatten. Wir sangen, tanzten und taten Dinge die uns Verboten worden waren, neben dem Rausgehen, natürlich.
Einige von uns beglückten sich an dem Geschmack von Alkohol und brachten den Rest von uns in riesige Schwierigkeiten, doch letztendlich war es immer lustig gewesen.
Ich erinnerte mich, wie wir einmal zu unserem Geburtstag ein Lagerfeuer im hintersten Winkel des Militärgeländes gemacht hatten. Wir hatten den letzten Geburtstag, den von Yui, gefeiert, denn sie war die letzte von uns, die Geburtstag hatte.
Wir waren alle im selben Jahr und innerhalb von 5 Monaten zur Welt gekommen, weshalb es sich nicht wirklich lohnt jeden einzelnen zu feiern.
Wir hatten, wie beim Karneval, gesungen und getanzt und diesmal waren wir ganz sicher entdeckt worden, doch niemand hatte uns verraten und auch wenn, hätte die Strafe uns nicht daran gehindert es wieder zu tun.
Es war unser 16. Geburtstag gewesen.
Ich lächelte und öffnete die Augen.

Obwohl ich nicht wirklich geschlafen hatte war ich nicht Müde. Ich stand auf und schlüpfte in den Overall, den ich immer mehr mochte, weil er mir ziemlich gut stand, wie ich fand.
Mein Haar hingegen sah scheiße aus, weshalb ich es mühsam mit einem Band hochband. Es sah nicht wirklich besser aus, aber jetzt störten sie mich nicht mehr.

Der einzige, der bereits bei Morgengrauen wach war, war Eric. Er sah erstaunt aus, als ich die Treppe herunter ging und mir eine Wasserflasche vom Tisch nahm.
Ich hatte Durst, aber keinen Hunger. Irgendwie lustig, dachte ich und trank einige Schlucke.
Eric redete mit mir über den Tag und erklärte mir, was sie vorhatten.
Wir sollten alle möglichen Lebewesen auf die Viruskonzentration messen und die Ergebnisse aufschreiben. Als ich fragte wofür das gut sein zuckte er nur mit den Schultern.
„Auftrag vom Militär.", sagte er nur und ging um die anderen zu wecken.
Ich verließ das Haus sobald er aus dem Raum gegangen war. Ich kletterte wieder aufs Dach und sah den Diamanten an. Er sah wie immer wunderschön aus, wie er sie Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne reflektierte und die Stadt zum Leuchten brachte.
Der Wind löste meinen Zopf und ich hielt mir mit einer Hand die Haare zurück, während der Wind sie in alle Richtungen davon zu wehen versuchte.
Ich mochte diese Stadt, doch ich wusste nicht warum. Etwas hielt mich hier und der Gedanke, dass wir sie bald wieder verlassen mussten versetzte mir ein Stich ins Herz.
Alles hier kam mir unnatürlich vertraut vor und es war fast so, als gehörte ich hier hin und sonst nirgendwo.
Ich beobachtete den Himmel, der sich im Osten rot und orange färbte und die Sonne ankündigte die in sich in wenigen Minuten über den Horizont erheben würde und uns mit ihrer Anwesenheit ehrte.
Ich hoffte, dass es nicht so heiß werden würde, wie auf dem Hinmarsch vor zwei Tagen. Es war ein Höllentrip gewesen, doch ich hatte den Eindruck, als würde es in der Stadt nicht ganz so warm werden, wie draußen auf dem Flachland. Ich fragte mich, warum.
Unten auf der Straße rief jemand nach mir und ich beugte mich vor, um zu sehen wer es war.
Trotz des Schattens, der noch über der ganzen Stadt lag konnte ich Alex mit seinen strahlend weißen Haaren erkennen.
Der Wind frischte in diesem Moment wieder auf und drückte mich ein Stück nach vorne, sodass ich fast gefallen wäre, doch ich konnte mich grade so halten. Ich verlagerte mein Gewicht nach hinten, weg von der Kante, und setzte mich hin.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich musste lachen. Das war knapp, dachte ich und stand auf. Ein letztes Mal sah ich über die Stadt und sah zur Sonne die langsam erhob und den Diamanten noch schöner Glitzern ließ und ging hinunter zu Alex.

Die verlorene StadtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt