Kapitel 7

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Noch immer liege ich auf dem kalten Boden und überlege. Ich weiß nicht wie lange ich hier schon liege, aber eine Stunde aufjedenfall. Meine Gedanken werden nicht besser und immer wieder schweife ich zu meiner Mutter und frage mich selbst was sie gemacht hätte. Ich möchte damit abschließen, aber irgendwas in meinem Kopf hindert mich daran. Ich will das eigentlich nicht, aber was soll ich machen? Ich bin einfach erbärmlich. Das ist alles.

Umso länger ich über die Worte von ihm nachdenke, umso verlockender - muss ich sagen - wirkt das Angebot.
Es hat schon Vorteile, wie, ich wohne nicht mehr alleine oder muss nicht mehr alles alleine meistern. Aber auch, wenn ich von der Schule nach Hause komme und jemand da ist, der mich begrüßt, obwohl... Andererseits, aus Erzählungen weiß ich, dass er reich ist und bestimmt muss er sehr viel arbeiten.

Aber es hat auch einige Nachteile. Ich muss diesen Menschen ertragen, den ich über alles hasse. Er wird früher oder später meine Probleme erfahren und ich weiß auch garnicht wie er drauf ist, hatte ja nie Kontakt zu ihm. Ich kenn ihn nur aus Erzählungen, aber die verbinde ich nicht so, wie es Eomma gemacht hat - mit Freude, sondern mit Hass.

Ich seufzte überfordert. Was soll ich machen? Es gibt mehr Nachteile, die ich nicht vergessen darf, aber schon allein das Argument 'ich bin nicht mehr die ganze Zeit alleine' überredet mich schon fast. Soll ich ihn anrufen und sagen, dass ich es mir doch anderst überlegt habe? Gott so viele Fragen. Die bringen mich noch um.

Ich sollte noch ein paar Tage warten. Vielleicht meldet er sich ja nochmal. Ich möchte schon wissen, ob er wirklich möchte, dass ich bei ihm einziehe. Nach einer gefühlten Ewigkeit stand ich müde auf und schleppte mich in die aufgeräumte Küche. Dort zubereitete ich mir eine Tasse Tee und setzte mich auf die Couch. Kuschelte mich in die warme Decke mit der Tasse in der rechten Hand und schaltete durch die Programme, die gerade im Fernsehen liefen. Nachdem aber nichts interessantes kam, entschied ich mich einfach irgendeinen schnulzigen Drama anzuschauen. Nebenbei schlürfte ich den Tee und schlief auch dann irgendwann ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von den grellen Sonnenstrahlen, die in mein Gesicht strahlten, geweckt. Nachdem ich meiner Morgenroutine fertig war, wagte ich einen ersten Blick auf mein Handy. Wie jedes Mal schweiften meine Augen zu erst zur Uhr - ich weiß eh, dass mir niemand geschrieben hat. Wer soll mir auch schon schreiben? "9:35 Uhr.", flüsterte ich vor mich hin. Scheisse, ich bin über eineinhalb Stunden zu spät! Wie vom Blitz getroffen griff ich nach meinem Handy und Wohnungsschlüssel und zog meine Schuhe an, nahm noch meine Tasche und wollte aus der Wohnung rennen, aber da wurde mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Plötzlich bildeten sich vor mir ganz viele kleine schwarze Punkte.
Fall jetzt ja nicht um! Redete ich mir selber ein. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und merkte schon, wie es mir immer übler wurde. Am Ende rannte ich aufs Klo und übergab mich.

Na toll. Scheiss Krankheit! Warum musste ich auch krank werden? Ich muss zur Schule! Ich kann es mir nicht leisten krank zu sein!

Als es wieder einigermaßen ging, stand ich auf und lief wieder zur Haustür um zur Schule zu gelangen. Dieses Mal rannte ich nicht wie ein verrückter und es ging mir sogar einigermaßen besser. Mein blasses Gesicht versteckte ich hinter meinem wieder zu großen Pullover genauso wie meine Arme.

Vor dem altbekannten Klassenzimmer hielt ich an und klopfte, bevor ich eintretete. "Ah Kim Taehyung. Lassen sie sich auch Mal blicken!", motzte gleich Frau Eumin​. Neeeein!! Warum hab ich nur verschlafen? Außerdem, hatten wir sie nicht schon gestern? Ach egal, kann man eh nichts ändern. "Tut mir leid. Ich habe verschlafen. Das kommt nicht mehr vor." Mit einer Verbeugung entschuldigte ich mich und ging auf meinen Platz. Frau Eumin flüsterte noch irgendwas was vor sich hin. "Kim Taehyung! Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass sie zu spät sind! Haben sie dazu nichts zu sagen?"

Kann die Mal aufhören mich auszufragen? "Mir geht es gut! Wie schon gesagt, es tut mir leid. Außerdem geht ihnen mein privat Leben nichts an!" Am Ende hob ich etwas meine Stimme, was den anderen etwas wundern ließ. Nicht nur ihnen, auch ich war total erstaunt von mir selber.

Ich kann einfach nicht mehr. Das ist zu viel für mich. Alles fresse ich in mich rein und das ist nicht so einfach. Und dann kommt noch sowas, wie meine ach so tolle Lehrerin, die meint bei sowas so einen Aufstand zu machen. Das ist doch echt das minderste, ich hab andere, schlimmere Probleme, als zu spät zu kommen. Nervig!

Sie schnaubte noch kurz, bevor sie mit ihrem Unterricht vorfuhr. Endlich! Umso schneller ist der Schultag zu Ende!

Tatsächlich verlief der Schultag ziemlich schnell. Jetzt haben wir schon Pause. Das heißt, nicht mehr lange und ich hab den Tag überstanden. Zumindest ein Teil. Wie immer in der Pause ging ich zu meinem Stammplatz. Da hab ich wenigstens meine Ruhe. Aber auch da wurde mir einen Strich durch die Rechnung gemacht - was ist heute nur los? Der ganze Tag läuft genauso ab, wie ich es nicht möchte. Aufjedenfall, Jin, Namjoon und Jimin kamen auf mich zu. Na toll, auch noch die.

Spiel den glücklichen wie immer!

"Was machst du hier? Seit wann bist du da, wenn andere in meiner Nähe sind?", flüsterte ich leise vor mich hin.

Ich bin immer da! Merk dir das! Ich bin du... Leider.

Ich schluckte. Er ist immer da.

"Taehyung?" Wurde ich durch eine sanfte Stimme aus meinen Gedanken gerissen. Monoton hob ich meinen Kopf an, um in die drei besorgten Gesichter zu schauen. "Was wollt ihr?", fragte ich genauso monoton. "Wir machen uns Sorgen um dich! Immerhin waren wir Mal Freunde.", sagte Jimin besorgt, passend zu seinem Gesichtsausdruck. Bitter lachte ich auf. "Ja, wir waren Mal Freunde! Da hast du Recht. Also was geht euch das dann an?"

"Taehyung was ist los mit dir? Du bist ganz anders. Nicht mehr so fröhlich wie früher.", fragte Namjoon besorgt. Ist die Frage ernst gemeint?

"Dein Ernst? Sowas traust du dir zu fragen?" Ich bin sauer auf sie alle! Mit ihnen hatte ich nie Streit. Noch nie! Nur weil Jungkook sie auf seine Seite gezogen hat, haben sie angefangen mich zu ignorieren und distanzierten sich immer mehr von mir.

Nachdem er nicht antwortet, nahm ich die Chance und redete weiter, ohne Emotionen. Ich habe es satt immer der zu sein, der ständig heult und der zu sein, der der schwächere ist. "Wisst ihr, bestimmte Situationen ändern einen Menschen. Kennt ihr das? Wenn zu viel passiert und ihr keine Kraft mehr habt das zu verarbeiten?" Reflexartig griff ich nach meinem Arm. Ich habe es unzählige Male erlebt. "Nein ihr kennt es nicht, Stimmt's?! Ihr führt ein sorgenfreies Leben und denkt nur an das schöne. Aber auf einen Schlag, kann sich alles ändern! So schnell könnt ihr garnicht reagieren, dann ist es schon passiert!"

"Taehyung, von was redest du da?" Wieder lachte ich bitter auf. "Lebt einfach so weiter wie immer. Irgendwann kommt der Moment an dem ihr über meine Worte nachdenken werdet und euch fragt, 'wieso habe ich nicht schon früher auf ihn gehört'. Es ist nur eine Frage der Zeit bis das passiert." Mit dem Satz stand ich auf und ging.

Ich konnte die unzähligen Tränen doch nicht zurück halten. Und wieder wurde mir klar, dass ich einfach nur zu schwach für die Welt bin. So einen Menschen braucht und will niemand!

𝐎𝐔𝐓𝐑𝐎: 𝐓𝐄𝐀𝐑 • ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt