Kapitel 15 ~ Flucht

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Mein Blick ist auf die Tablettendose geheftet. Ich kann die Dose kaum festhalten, so sehr zittern meine Hände. Nathen sieht mich überheblich grinsend an. "Was ist Schätzchen?" Er war die letzten zwei Wochen nicht im Land. Jetzt ist er jedoch wieder da.
Ich sehe ihn angewidert an.

Luke kommt in die Küche und schickt seinen Bruder weg. Er sieht erst mich und dann die Tablettendose an.

"Nimm sie nicht." Sage er.
Ich seufze. "Wenn ich sie nicht nehme, werde ich sterben. Sie werden mich beseitigen, schon vergessen?" Meine Augen suchen seine. Er schüttelt langsam den Kopf. "Be, du wirst sterben, wenn du die Tabletten weiter nimmst." Er nimmt mir die Dose aus der Hand, legt sie auf den Küchentisch und nimmt meine Hände. "Ich lasse nicht zu, das sie dich töten." Sagt er leise und sieht mir dabei fest in die Augen.

Luke nimmt die Dose und öffnet sie. Bevor ich ihn daran hindern kann, hat er die Tabletten schon in den Abfluss geworfen. Geschockt sehe ich ihn an. "Bist du bescheuert?" Rufe ich.

Er legt seine Hände auf meine Schultern. "Dir wird nichts passieren." Seine Stimme ist fest und selbstsicher. Fast glaube ich ihm. Aber nur fast.

-

Der Tag ist nur schleppend verstrichen. Die Sonne geht gerade unter und wir stehen auf einem Friedhof. Luke, Mauricio und ich.
Ich starre auf den Sarg, der gerade von zwei Männern in das Grab gelassen wurde und nun unter einem Haufen Rosen und Erde liegt.
Mauricio weint.
Ich ebenfalls.
Luke nimmt mich in den Arm und streicht mir über den Rücken.

Elle hat das nicht verdient. Keine von uns hat das verdient. Ich bin wütend und verzweifelt. Wütend, weil diese Firma uns behandelt, als hätten wir keine Gefühle. Als wären wir einfach nur Hüllen ohne Seele. Als wären wir Roboter. Verzweifelt, weil ich ganz genau weiß, das alle Klone sterben werden und ich absolut nichts dagegen unternehmen kann.

Ich lasse mich von Luke zum Auto ziehen und starre die gesamte Fahrt stumm aus dem Fenster. Ich merke gar nicht, wie wir die Auffahrt zu Lukes Haus passiert haben. Also sehe ich ihn verwirrt an, als er meine Tür öffnet.
"Wir sind da." Sagt er und deutet aufs Haus. Ich nicke langsam und schnalle mich ab.
Luke trägt mich in mein Zimmer und setzt mich aufs Bett. Als er gehen will, halte ich ihn am Arm fest. "Bleib bei mir." sage ich und sehe ihm in die Augen. Er lächelt und nickt. 

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Ich bin wohl eingeschlafen aber nun werde ich von einem lauten Poltern geweckt. Nathen steht in meiner Tür. "Sie wissen es." Jetzt ist auch Luke wach und sieht seinen Bruder fragend an. "Die Company weiß, das Elle ihre Medikamente nicht nimmt." Luke richtet sich auf.

Kalte Angst schnürt mir die Kehle zu. Ich frage mich, warum Nathen uns das sagt. Es scheint, als mochte er mich nie so wirklich. Was Bring es ihm also? "Ihr müsst verschwinden." sagt er eindringlich. Warum hilft er mir? Luke hatte mir einmal gesagt, das Nathen bei der Company als Bioktechniker arbeitet. Er hat mich sozusagen erschaffen. Er kennt meinen Code. Den aller Klone. Er könnte damit seinen Job verlieren oder sogar ins Gefängnis kommen.

Luke springt aus und zieht eine große, schwarze Tasche unter meinem Bett hervor. dann verschwindet er damit im Ankleidezimmer und kommt wenig später wieder zurück. Er nickt Nathen dankend zu, dann nimmt er meine Hand und zieht mich hinter ihm her, die Treppen runter und zu seinem Auto.

Er schmeißt die Tasche auf die Rückbank und setzt sich ins Auto. Ich setze mich ebenfalls, dann verlässt Luke auch schon mit quietschenden Reifen die Auffahrt. Er wählt Mauricios Nummer. Dieser nimmt nach dem dritten Klingeln ab. "Die Company weiß von den Tabletten. Wir verschwinden." Stille. Dann Mauricios Stimme. "Wo wollt ihr hin?" "Wir fahren erstmal über die Landstraßen von der Stadt weg. ich melde mich später." Luke legt auf und drückt aufs Gas. Wir schweigen. Die Welt fliegt an uns vorbei. Der Himmel ist klar und von Sternen übersäht. Es ist eine Schöne Nacht. Zu schön.

Wir sind noch nicht weit gekommen, da sehe ich vor uns auf der Straße blinkende, blaue Lichter. Luke macht eine Vollbremsung. Ich werde nach vorn geschleudert. Der Gurt schneidet in meine Haut und presst mir die Luft aus der Lunge. Der Wagen steht und Luke schnallt uns beide ab. Dann steigen wir aus. Er lässt die Tür offen und kommt zu mir. "Der Chip." Sagt er. Seine Stimme ist fest und stark. Das komplette Gegenteil von dem, wie ich mich fühle. "Sie können dich Orten. Hier in der Nähe ist eine Scheune. Da können wir hin und versuchen, ihn zu entfernen. Komm." Er nimmt meine Hand und rennt los. Wir rennen durch ein Feld. Die Halme des Getreides schneiden mir in die Beine. Meine Lunge brennt und Schweiß fließt von meiner Stirn. Doch ich renne weiter. Luke vor mir und hinter mir das Bellen der Polizeihunde.

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