Lesenacht Teil 4

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Rhyse

Mit einem letzten prüfenden Blick über die Schulter verließ ich das Haus und schloss die Tür hinter mir. Dann stiefelte ich zu meinem Auto und stieg ein. Ich könnte auch zu Fuß gehen, aber das würde zu lange dauern und ich konnte so schneller flüchten, falls einer meiner Cousins auflief.

Einer der drei Versager tauchte immer auf und wenn ich zu Fuß lief hatten sie die nervige Angewohnheit mich zu begleiten und sich in unser Haus zu schleichen. Und das wollte ich weder mir noch Luxe antun.

Luxe, der der Grund meines kleinen Ausfluges war. Immer wenn mich etwas beschäftigte, redete ich mit meiner Großmutter. Ihr hatte ich als kleines Kind erzählt, was ich von dem ständigen Wegbleiben meiner Eltern hielt. Sie war die erste gewesen, die erfahren hatte, dass ich schwul war. Sie hatte als erste erfahren, was ich studieren wollte. Also sollte sie auch die Erste sein, die von meinen Gefühlen für den Jüngeren erfuhr.

Ich konnte nur hoffen, dass sie mir Tipps zum weiteren Vorgehen geben konnte. Ich wusste nämlich wirklich nicht, was ich tun sollte, um das Eis zu brechen. Luxe wollte es zwar eigentlich in seinem Tempo, aber wenigstens einen Plan B sollte ich doch haben.

Durch das ganze Grübeln vergaß ich beinahe, abzubiegen. Glücklicherweise bemerkte ich es rechtzeitig und bog in den Waldweg ein, der etwas versteckt lag. Bestimmt fünf Minuten folgte ich dem Weg, bis er sich langsam öffnete und ein schon etwas in die Jahre gekommenes Gebäude zeigte.

Der Hof lag weit und verlassen, hier und da kroch Unkraut zwischen den Steinen hervor, aber das störte mich nicht. Das war genau das, was ich mochte. Ich bevorzugte dieses Ambiente sogar. Nirgends war es so friedlich und einladend. Auch das Steingebäude vor mir, dessen Fenster zu teilen etwas schief auf dem alten Material saß, besaß seinen ganz eigenen Stil.

Mir einem leichten Lächeln stieg ich aus meinem Auto aus und schritt zügig auf das Haus zu. An der großen, hölzernen Haustür betätigte ich den großen Türklopfer, eine Klingel hatte das Anwesen nicht, und wurde sofort mit dem lauten Bellen eines Hundes willkommen geheißen.

Diesen gab es schon seit meiner Kindheit. Genauso wie die ältere Frau, die gerade langsam die Tür öffnete. Sobald sie mich erblickte, begann sie zu strahlen. Ich lächelte zurück und half ihr dann dabei, die schwere Tür etwas weiter aufzuschieben.

Sobald ich durch den Spalt hindurch geschlüpft war schloss ich sie vorsichtig hinter mir und schloss die um einiges kleinere Frau in meine Arme.

„Hey Oma", murmelte ich leise in ihre weißen Haare und drückte ihr einen Kuss auf die faltige Wange.

Sie gab mir ebenfalls einen Kuss und hielt mich dann an den Armen fest. Dann musterte sie mich, als hätte sie mich Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Dabei war es noch keinen Monat her, dass ich mir meinen anfänglichen Kummer über Luxe von der Seele geredet hatte.

„Ach mein Junge, gut siehst du wieder aus. Aber das du keinen Mantel trägst, das geht wirklich nicht. Dir muss doch kalt sein. Zieh erstmal deine Schuhe aus, ich mache dir einen Tee. Du kuschelst dich schon einmal auf deinen Sessel und begrüßt Cookie. Er freut sich bestimmt mindestens genauso dich zu sehen wie ich es tue."

Dann ließ sie mich schon los und wuselte überraschend schnell in die Küche. Ich dagegen folgte ihren Worten und schlüpfte aus meinen Turnschuhen. Dann lief ich durch den Flur, in das gemütlich Wohnzimmer. Dort machte ich es mir in einem der großen Ohrensessel vor dem Kamin gemütlich und kraulte den alten Hund ein wenig. Cookie, so hatte ich ihn genannt.

Eigentlich hieß er anders, aber ich hatte es mir in meiner Pubertät angewöhnt, den schon etwas schwerfälligen Schäferhund so zu nennen, da sein Fell mich an einen Cookie erinnerte. Meiner Oma hatte der Spitzname gefallen und sie hatte ihn schließlich übernommen.

Apropos Oma: Sie kam gerade mit einem kleinen Servierwagen herein und schob ihn zwischen die beiden Sessel. Dann setzte sie sich auf den anderen und legte eine Decke über ihre Beine. Als nächstes wandte sie sich dem Wagen zu und hielt mir eine Tasse hin. Mit einem leichten Lächeln nahm ich sie an und zog vorsichtig den Teebeutel heraus.

Sobald der raus war rührte ich den Tee um und roch vorsichtig daran. Karamelbrownie, meine Lieblingssorte. Meine Großmutter hatte bestimmt einen Lavendeltee, damit sie später besser einschlafen konnte. Ich war es von ihr nicht anders gewohnt. Einige Minuten bleib es still, wir hingen beide unseren Gedanken nach und starrten in das Feuer.

„Was liegt dir auf dem Herzen, mein Junge?", durchbrach meine Lieblingsfrau schließlich die Stille.

Ich seufzte bloß. Sie kannte mich wirklich viel zu gut. Aber was sollte ich anderes von ihr erwarten?

„Luxe."

Diese einfache Aussage machte meine Oma neugierig.

„Der Pflegejunge? War er wieder so unverschämt? Soll ich vielleicht mal vorbeikommen und ihm die Ohren langziehen?"

Mit einem Lachen schüttelte ich den Kopf.

„Luxe hat nichts schlimmes gemacht. Es ist eher das Gegenteil."

Kurz blieb ich still und nahm einen Schluck von meinem Tee. Dann begann ich ihr von den letzten Tagen zu erzählen. Kein einziges mal wurde ich unterbrochen, selbst Cookie gab keinen einzigen Laut von sich.

„Und jetzt wollte ich von dir wissen, was ich machen soll. Ich weiß nicht, was ich machen soll, damit er sich mir weiter öffnet", beendete ich meinen Vortrag schließlich.

Dann wanderte mein Blick zu meiner Oma, die konzentriert in die Flammen blickte.

„Ich weiß es nicht, mein Junge. Das beste ist es wirklich, ihm Zeit zu lassen. Aber ich möchte dir eine Frage stellen und ich möchte, dass du sie mir ehrlich beantwortest: Bist du der Meinung, dass es sich lohnt, um die Liebe dieses Jungen zu kämpfen? Bist du sicher, dass du dich so sehr zu ihm hingezogen fühlst? Bist du sicher, dass es nicht nur dein Beschützerinstinkt ist, der dich so fühlen lässt, sondern die Liebe, die so leicht blind macht?", fragte sie nach einigen Minuten des intensiven Schweigens.

Gedankenverloren beugte ich mich zu dem Hund hinunter und kraulte ein Ohr. Dabei blieb mein Blick auf einem Fleck in dem hellen Fell des Tieres hängen, den nur ich sehen konnte. Minuten ließ ich mir Zeit, überdachte mein Antwort, bis ich mich schließlich dazu entschloss, auf die unkomplizierteste Art zu antworten, die mir in denn Sinn kam.

„Ja, auf jeden Fall."

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Der nächste Teil, wieder pünktlich. Um 23 Uhr kommt noch ein Kapitel, denke ich mal.

Over and Out, _Amnesia_Malum_  

𝔻𝕖𝕤𝕡𝕖𝕣𝕒𝕥𝕖 𝕃𝕠𝕧𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt