» Berlin - Stadt der Vielfalt

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Zweihundertdrei Meter und Achtundsiebzig Zentimeter.
Diese Höhenangabe schwirrte Jackson bereits seit knapp zehn Minuten im Kopf herum.
Die Tatsache, dass er sich fast 204 Meter über festem, sicherem Boden befand machte ihm mehr zu schaffen als er anfangs hätte zugeben wollen.
Seitdem er und sein Freund den Fahrstuhl verlassen hatten, welche die Beiden zu der Aussichtsplattform des Berliner Fernsehturms gebracht hatte, stand der Blonde in Türnähe.
Er war nicht besonders scharf darauf durch eines der vielen Fenster zu sehen, die überall den Ausblick auf Berlin ermöglichten. Viel lieber würde er wieder hinunter auf den Alexanderplatz, um dort durch die Geschäfte zu laufen.
Sein Freund, welcher vor einem der Fenster stand, sah das ganz anders.
Seine hellbraunen Haare hingen ihm vereinzelt ins Gesicht, da er seinen Kopf ein wenig nach unten geneigt hatte und selbst aus der Entfernung konnte Jackson das begeisterte Lächeln in Marks Gesicht erkennen.
"Jackson, komm her.", rief Mark plötzlich und winkte dabei mit einer Hand in die Richtung in der er seinen Freund vermutete. Jackson wusste, dass er nicht aus dem Fenster fallen würde, doch etwas in ihm sträubte sich dagegen zu seinem Freund zu gehen.
Er war noch nie ein Freund von großen Höhen gewesen, weshalb er im Flugzeug auch nie am Fenster saß.
Als Mark bemerkte, dass der Blonde sich nicht von der Stelle rührte, wandte er seinen Blick von dem herrlichen Ausblick ab. Der Brünette wusste von der Höhenangst seines Freundes und wollte ihn auch nie zu etwas zwingen.
Mit einem ermutigendem Lächeln sah Mark zu Jackson bevor er sich in Bewegung setzte.
Mit ein paar großen Schritten war Mark auch schon bei dem Blonden, legte ihm eine Hand auf die Schulter, um Jackson dann vorsichtig umzudrehen. Verwirrt runzelte dieser die Stirn, ließ aber zu, dass er nun mit dem Rücken zu Mark stand.
"Was-", setzte Jackson an, wurde jedoch sofort von der beruhigenden Stimme seines Freundes unterbrochen.
"Ich hab eine Idee. Du musst mir nur vertrauen."
Schluckend nickte Jackson.
Es war nicht das erste mal, dass Mark dies sagte und für gewöhnlich endete es damit, dass Jackson sich in aller Öffentlichkeit blamierte.
Gestern erst, als es so unerträglich heiß gewesen war, hatte Mark eine Idee für die perfekte Abkühlung gehabt. Kaum hatte Jackson zugestimmt, stand er auch schon im kühlen Nass der Berliner Wasserkaskaden- dabei war es nicht von Vorteil gewesen, dass sein weißes Shirt schließ klatschnass an seinem Körper geklebt hatte.
Mark riss Jackson aus seinen Gedanken als er ihn langsam ein Stück näher an sich zog und sich dann in Bewegung setzte, wobei er den blonden jungen Mann mit sich zog.
Während Jackson rückwärts seinem Freund hinterher stolperte, würde das Grinsen auf Marks Gesicht noch eine Spur breiter.
Wieder bei den Fenstern angekommen, ließ Mark von Jackson ab, kramte sein Handy aus seiner Hosentasche und hielt dieses dann mit geöffneter Frontkamera vor sich und Jackson.
"Lächeln!", rief der Brünette erfreut, drückte Jackson einen Kuss auf die Wange und betätigte währenddessen den Auslöser bevor er sich schließ das Selfie ansah.
Jackson, der zuvor doch einen Blick aus dem Fenster gewagt hatte, hatte auf dem Bild etwas ängstlich das Gesicht verzogen, aber an ansonsten war es ein niedliches Bild geworden.
Marks steckte sein Handy wieder weg, nahm dann eine von Jacksons Händen in seine und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zum Fahrstuhl.

Ein genüssliches Seufzen kam über Jacksons Lippen als er von seinem Hähnchenbürger abgebissen hatte.
Nachdem sie den Fernsehturm verlassen hatten und noch ein wenig über den Alexanderplatz gelaufen waren, hatten sie sich entschlossen etwas Essen zu gehen. Da sie vorhatten später noch an der Berliner Mauer entlang zu laufen, haben sie sich dafür entschieden dort in der Nähe zu essen.
Es hatte zwar ein wenig gedauert bis sie vom Alexanderplatz zu dem kleinen versteckten Bürgerladen in der Nähe der Mercedes-Benz-Arena gelangt waren, aber der Weg hatte sich gelohnt.
Schmunzelnd sah Mark von seinem Bürger mit gebratenem Bacon zu seinem Freund, der sich gerade neu verliebt zu haben schien.
Das Essen war einfach göttlich- von den perfekt, frisch zubereiteten Bürgern, den knusprigen Pommes, bis hin zu dem kleinen Salat.
Mark genoss diese seltenen Momente in denen er und Jackson ein ganz normales Paar sein konnten, das einfach durch die Stadt laufen und essen gehen konnte. Weit weg von stressigen Terminkalendern, dem Management oder der Presse.
"Mark? Ist alles in Ordnung?"
Überrascht erwiderte Mark den Blick des Blonden, welcher ihn aus warmen braunen Augen ansah.
"Du weißt, dass ich dich liebe oder?", fragte Mark leise und Jackson verstand sofort worauf sein Freund hinauswollte.
Ihr Urlaub war fast zu Ende und dann würde das ganze Versteckspiel wieder beginnen.
Doch für Jackson war das im Moment unwichtig- alles was für ihn zählte waren er und Mark.
"Ich liebe dich.", erwiderte der Jüngere von beiden schließlich. Sie hatten sich schon vor langer Zeit abgewöhnt ein "auch" an die Erwiderung zu hängen.
Breit grinsend machten sich die Beiden daran aufzuessen, um dann ihren Weg fortzusetzen.
Sie waren fast an ihrem eigentlichen Ziel ang langt, als Mark stoppte und Jackson dann mit sich in eine kleine Seitenstraße zog.
"Mark, was ist denn los?", fragte der Blonde irritiert, erhielt seine Antwort allerdings direkt als er den Straßenkünstler sah. Während Mark zu dem Mann ging, um ihn anzusprechen, hielt sich Jackson ein wenig zurück. Er war- zum wiederholten Male an diesem Tag- verwirrt über das Verhalten seines Freundes. Dies änderte sich auch nicht als er mitbekam, wie Mark dem Künstler die Hand schüttelte als wären sie bereits Jahre lang befreundet.
Kurz darauf kam Mark wieder auf seinen Freund zu und reichte Jackson schließlich ein zusammengerolltes Blatt Papier. Mit vor Freude strahlendem Blick beobachtete der Älter wie Jackson das Blatt entrollte und schließlich mit großen Augen auf die schwarz-weiß Zeichnung sah.
"Wie... Wann...", stotterte der Blonde schlussendlich- nicht im Stande einen klaren Gedanken zu formulieren. Mark wusste genau was Jackson zu sagen versuchte. Er hatte das Bild vor zwei Tagen dem Straßenkünstler gegeben, als Jackson gerade in einem kleinen Souvenirladen gewesen war, und hatte ihn gebeten eine Zeichnung anzufertigen.
Die Zeichnung war das genaue Abbild einer Fotografie, die vor Jahren entstanden war. Mark und Jackson saßen sich gegenüber, sie sahen sich gegenseitig in ihre Augen und Mark hatte das Gesicht des Jüngeren mit seinen Händen umschlossen, während ein verliebtes Lächeln seine Lippen geziert hatte. Es war der Abend gewesen, an dem Mark zu Jackson das erste Mal "Ich liebe dich" gesagt hatte.
Ohne dass es Jackson bemerkt zu haben schien, hatten sich einige Tränen aus seinen Augenwinkeln gelöst. Bevor Mark allerdings die salzige Flüssigkeit bemerken konnte, hatte sein Freund schon seine Arme um Mark geschlossen- sehr darauf bedacht das Meisterwerk nicht zu knicken.

Mit ineinander verschränkten Händen liefen die Beiden an den verschiedene bunten Kunstwerken vorbei, die die Mauer zierten.
Jackson hätte sich des Öfteren schon laut gefragt was die Künstler mit ihren Meisterwerken wohl auszudrücken versucht hatten. Jedoch konnten sowohl Mark als auch die kleinen Erklärungstafeln, die vereinzelt aufgestellt waren, seine Frage meist nur grob beantworten.
Es war eine gute Idee gewesen um diese Uhrzeit an der Mauer entlang zu laufen- die Sonne war gerade dabei unterzugehen und färbte die Umgebung somit in angenehme Rot- und Orangetöne.
Der Jüngere war so sehr in das Farbspiel vertieft, dass er gar nicht mitbekam wie Mark eine Lücke in der Mauer mit einem breiten Grinsen fixierte.
Schneller als Jackson hätte reagieren können, zog der Brünette ihn in eben jene Lücke und drückte ihn dann auf der anderen Seite gegen die Mauer. Noch immer geschockt, starrte Jackson in das wunderschöne Braun von Marks Augen bevor dieser den geringen Abstand, welcher zwischen ihren Lippen herrschte, schloss.
Der Blonde war so überrumpelt von dem plötzlichen Stimmungswechsel, dass er erst kurze Zeit später den Kuss erwiderte.
Die Tragetasche, die er die ganze Zeit über bei sich trug, ließ er unbeachtet fallen.
Er wollte sich voll und ganz auf seinen Freund konzentrieren. Ihm war es sogar egal, dass sie sich eigentlich mitten in der Öffentlichkeit befanden.
Obwohl beiden allmählich die Luft ausging, dachten sie nicht daran sich voneinader zu lösen. Mark legte seinen Kopf ein wenig schief, um den Kuss zu vertiefen, strich dann fast schon vorsichtig mit seiner Zunge über Jacksons Lippen und kurz darauf starteten die beiden einen hitzigen Kampf um die Dominanz.
Schnaufend und nach Luft ringend, lösten sie sich schließlich doch voneinander.
Atemlos und ohne ein Wort zu sagen, sahen sie sich erneut einfach nur an. In diesem Moment sagten ihre Blicke mehr als es Worte jemals hätten sagen können.
Jackson wollte Mark gerade wieder zu sich ziehen, um einen neuen Kuss zu starten, als eine helle Stimme neben ihnen erklang und dafür sorgte, dass die beiden erschrocken auseinander fuhren.
Überrascht und zum Teil auch belustigt sah Mark zu dem kleinen Kind- ob es ein Junge oder ein Mädchen war, konnte er nicht genau sagen.
Neugierig sahen die Kinderaugen zwischen den beiden jungen Männern hin und her bevor sie an einer weiteren Person hängen blieben.
Das Kind fragte seine Mutter aufgeregt was die beiden Fremden dort taten, die nach wie vor mit großen Augen das Kind ansahen.
Mark und Jackson verstanden kein Wort, da sie die deutsche Sprache nicht beherrschten, konnten allerdings nur mit Mühe und Not ihr Lachen zurückhalten.
Die Frau warf den beiden Koreanern noch ein paar undeutsame Blicke zu, dann verschwanden sie und das Kind auch schon wieder.
Kaum waren Mark und Jackson wieder allein, brachen sie auch schon in schallendes Gelächter aus.
"Gott, war das peinlich.", lachte Jackson und wollte gerade sein Gesicht hinter seinen Händen verbergen als Mark dies übernahm.
Er schenkte dem Blonden noch einen kurzen verliebten Blick und verband dann erneut ihre Lippen miteinander.

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