Mit einem sanften Ruck kamen die Bote zum Stehen und alle stiegen vorsichtig aus, um nicht nass zu werden. Mittlerweile war die Sonne untergegangen und alles war in schwarz getaucht. Die einzigen Lichter kamen von dem großen Schloss vor ihnen, auf das sie jetzt zugingen.
„Sind alle da? Folgt mir!", rief Hagrid über seine Schulter und ging mit großen Schritten voraus. Die anderen mussten laufen, um mit ihm mitzuhalten.Harry trottete schweigend zwischen Ron und Hermine her. Seit Ron Draco in den See geschubst hatte, war dieser mit Crabbe und Goyle unterwegs und sie steckten die ganze Zeit die Köpfe zusammen und redeten in gedämpften Stimmen miteinander. Rons Gesicht hatte immer noch die Farbe einer Tomate, genauso wie Hermines.Harry fühlte sich einfach nur bedrückt. Er hatte gehofft, Draco und Ron, und vielleicht auch Hermine, würden sich gut verstehen. Aber so wie es aussah, hatte Harry sich getäuscht – dieses hochmütige Funkeln in Dracos Augen, als er gehört hatte, dann Ron ein Weasley oder dass Hermine muggelstämmig war, hatte er sich nicht eingebildet.Plötzlich blieben die Schüler vor Harry stehen und er wäre fast in ein Mädchen mit schwarzen Locken reingelaufen. Hagrid öffnete die große Eichentür und nach einander betraten sie Hogwarts. Die Wärme war angenehm; Harry hatte gar nicht bemerkt, wie kalt es draußen eigentlich gewesen ist. Dann sah er die Eingangshalle und war erst mal baff; sie war gigantisch und eine riesengroße Marmortreppe befand sich vor ihnen, die in die oberen Stockwerke führte. Als er den Hals reckte, um die Decke zu erkennen, konnte er sie nicht ausmachen.
„Hagrid? Das sind sie also", rief plötzlich eine schwarzhaarige Frau. Sie sah sehr streng aus und sie trug einen smaragdgrünen. Sie kam auf die kleine Menge zu und ließ ihren Blick prüfend zwischen den Erstklässlern umherwandern. Dann wandte sie sich an Hagrid.
„Vielen Dank. Ich kümmere mich ab jetzt um sie", sagte sie. Hagrid lächelte Harry noch einmal zu und verschwand dann hinter einer Tür, aus der Gespräche und eine Menge Lärm zu vernehmen waren.
„Ich bin Professor McGonagall, ich bin die Hauslehrerin des Hauses Gryffindor und Lehrerin für Verwandlung. Und nun, bitte folgt mir."
Professor McGonagall führte die Erstklässler in eine kleine Kammer und erklärte ihnen dann irgendetwas, aber Harry hörte gar nicht zu. Er beobachtete Malfoy und wie dieser höhnische Blick zu Hermine, Ron und dann auch Harry warf. Als er sah, dass Harry ihn in diesem Moment beobachtet hatte, wurde sein blasses Gesicht rosa und er drehte sich verärgert weg.
„... so, und nun wartet bitte. Wenn alles vorbereitet ist, komme ich euch holen", sagte sie dann und weg war sie. Harry blinzelte und schaute Ron dann fragend an.
„Sie hat irgendwas von einsortieren gesagt. Wie wird man einsortiert? Also in die Häuser", fragte er.
„Fred, mein Bruder, hat gesagt, sie machen irgendeinen Test und dass es wehtut, aber ich glaube er hat gelogen", erwiderte Ron.
„Einen Test?", fragte Harry überrascht. Er konnte doch gar nichts, wieso wollten sie ihn testen? Was, wenn er sich vor der ganzen Schule lächerlich macht und sie ihn nach Hause schicken würden, zu den Dursleys? Aber, wenn Harry ehrlich sein sollte, konnte der Tag gar nicht mehr schlimmer werden. Betrübt seufzte er.
„So, bildet eine Schlange und folgt mir in die Große Halle", sagte McGonagall, als sie den Raum erneut betrat. Harry stellte sich hinter Ron und lief dann hinter ihm her.
Je näher sie der Großen Halle kamen, desto schneller schlug Harrys Herz. Gleich war es soweit, dachte Harry. Ihm war ziemlich mulmig zumute und die Gedanken über Draco und Ron verschwanden, als er durch die Tür ging.
Der Saal, er war riesig, war hell erleuchtet. Vier große Tische, an denen Schüler saßen standen nebeneinander, und ein fünfter, an dem die Lehrer Platz genommen hatten, stand vor ihnen. Alle schienen die Erstklässler anzustarren und murmelten, einige zeigten mit den Fingern auf sie.
Harry wusste gar nicht, wo er hingucken sollte; zur Decke, die den Eindruck machte, kein Dach zu haben, zu den hunderten Kerzen, die einfach so vor sich hin schwebten oder den durchsichtigen Personen, die Geister zu sein schienen.
Harry hörte Schritte und sah, dass Professor McGonagall aus einem kleinen Raum hinter dem Lehrertisch kam. In der Hand hielt sie einen kleinen Hocker und einen alten, braunen Spitzhut. Sie stellte den Hocker vorne hin, legte den Hut auf ihm ab und trat zurück. Stille kehrte ein und alle starrten den Hut an; Harry fand das sehr seltsam. Dann machte sich ein kleiner Riss auf dem Hut breit, der aussah wie ein Mund und der Hut fing an zu singen:Ihr denkt, ich bin ein alter Hut,
mein Aussehen ist auch gar nicht gut.
Dafür bin ich der Schlauste aller Hüte,
und ist's nicht wahr, so fress' ich mich, du meine Güte!
Alle Zylinder und schicke Kappen
sind gegen mich doch nur Jammerlappen!
Ich weiß in Hogwarts am besten Bescheid
und bin für jeden Schädel bereit.
Setzt mich nur auf, ich sag' euch genau,
wohin ihr gehört - denn ich bin schlau.
Vielleicht seid ihr in Gryffindor, sagt euer alter Hut,
denn dort regieren, wie man weiß, Tapferkeit und Mut.
In Hufflepuff hingegen ist man gerecht und treu,
man hilft dem andern, wo man kann, und hat vor Arbeit keine Scheu.
Bist du geschwind im Denken, gelehrsam auch und weise,
dann machst du dich nach Ravenclaw, so wett' ich, auf die Reise.
In Slytherin weiß man noch List und Tücke zu verbinden,
doch dafür wirst du hier noch echte Freunde finden.
Nun los, so setz mich auf, nur Mut,
habt nur Vertrauen zum Sprechenden Hut!
Alle klatschten Beifall, als der Hut wieder verstummte. Auch Harry klatschte Eifrig in die Hände. Er war erleichtert; er musste nur den Hut anziehen, keine Tests oder Prüfungen. Er und Ron lächelten sich froh an.
Nur ein Gedanke ließ Harry nicht los – er konnte sich mit keinem der Häuser identifizieren. Er war weder besonders gerecht, noch weise und schon gar nicht listig oder mutig. Wenn es doch nur ein Haus gäbe für die, die sich ein wenig unsicher fühlten; das wäre das Richtige für ihn.
„Wenn ich euren Namen aufrufe, kommt ihr bitte nach vorne, setzt euch den Hut auf und geht dann zu eurem Tisch", sagte Professor McGonagall, während sie eine Pergamentrolle auseinander rollte.
Sie räusperte sich. „Abbot, Hannah"
Ein Mädchen mit blonden Haaren ging schnell nach vorne, setzte sich auf den Hocker und setzte sich den Hut auf. Eine Weile war es still, dann –
„Hufflepuff!", rief der Hut und Hannah Abbott lief zu dem Tisch auf der rechten Seite der Halle, der mächtig johlte und klatschte.
Immer mehr Schüler wurden aufgerufen, mal wurden sie nach Ravenclaw geschickt, mal nach Gryffindor. Harrys Hände wurden langsam schwitzig; bald würde er dran sein.
„Granger, Hermine", wurde aufgerufen.
Angespannt ging Hermine nach vorne und setzte sich vorsichtig den Hut auf. Eine ganze Weile lang sagte der Hut nichts. Nach vollen zwei Minuten rief der Hut dann aber „Ravenclaw!" und Hermine ging aufgeregt zu dem zweiten Tisch von links.
Er beobachtete, wie sie sich zu den anderen setzte und sofort ein Gespräch mit einem hübschen Mädchen mit schwarzen Haaren anfing.
„Hastings, Cassandra!" Das Mädchen mit den schwarzen Locken, in welches Harry vorhin fast reingelaufen wäre, ging nach vorne und setzte sich auf den Hocker. Auch bei ihr dauerte es ziemlich lange, sie wurde dann aber eine Slytherin.
Dann war Draco dran. Dieser ging selbstsicher nach vorne und noch bevor der Hut seinen Kopf berührt hatte, rief dieser bereits „Slytherin!".
Draco ging zu Crabbe und Goyle, offensichtlich zufrieden mit sich selbst und würdigte Harry keines Blickes.
Dann wurden noch einige aufgerufen, „Moon" ... „Nott" ... „Parkinson" ..., dann die Zwillinge „Patil" und „Patil" ..., dann „Perks" und dann, endlich –
„Potter, Harry!"
Einen Augenblick lang war es still, dann fingen alle an zu murmeln. „Der Harry Potter?"
Harry versuchte das alles so gut wie möglich zu ignorieren, während er nach vorne stolperte. Er ließ sich auf den Hocker fallen und setzte sich den viel zu großen Hut auf. Einen Moment lang passierte nichts, dann aber hörte Harry eine piepsige Stimme in seinem Ohr.
„Hmm, schwierig. Viel Mut, wie ich sehe und auch kein schlechter Kopf. Da ist Begabung, du meine Güte, ja. Und ein kräftiger Durst, sich zu beweisen. Nun, wo soll ich dich hinstecken?"
Harry wusste nicht, was er sagen sollte. Er selbst hatte absolut keine Ahnung, wo er gut aufgehoben wäre.
„Noch keine Tendenzen? Ich rate dir Slytherin – du kannst noch vieles erreichen, Junge", sagte die piepsige Stimme.
Harry schluckte. Ron hatte viel Schlechtes über das Haus Slytherin gesagt. Aber wenn Harry nach Slytherin gehen würde, könnte er die Sache mit Draco klären. Aber dann würde er nicht zu Ron nach Gryffindor kommen ...
„Wenn du keine Einwände hast, dann ist es SLYTHERIN"
Harry hörte, dass das letzte Wort laut ausgesprochen wurde. Der Tisch der Slytherins jubelte und Harry ging mit wackeligen Beinen rüber. Er spürte die Blicke aller anderen und auch ihre Gespräche waren nicht zu überhören. Er blendete alles so gut es ging aus. Draco winkte ihm zu und Harry setzte sich ihm gegenüber, neben das Mädchen mit den schwarzen Locken.
„Sorry wegen vorhin", sagte Draco schnaubend, „du kannst nichts dafür, was dieser dreckige Weasley macht."
Harry wollte wiedersprechen und ihm sagen, dass er Ron nicht beleidigen sollte, aber er wollte jetzt keinen Streit anfangen. Er nickte Draco versöhnlich zu und suchte dann Ron unter den wenigen Erstklässlern, die übrig geblieben waren. Harry erschrak, als er Rons traurigen und enttäuschten Blick sah und lächelte ihn schwach an. In diesem Moment wurde Ron aber aufgerufen und schlurfte nach vorne.
Sosehr Harry auch wollte, dass Ron und er zusammen in einem Haus waren, drückte er ihm die Daumen, dass er nach Gryffindor kam. Und tatsächlich, Sekunden später rief der Hut „Gryffindor!" und Ron lief zu seinen Brüdern. Beim Hinsetzen kehrte er Harry den Rücken zu.
Harry wusste nicht, wie er das deuten sollte, aber er wusste, dass er das klären musste. Schließlich war Ron sein Freund - hoffte er.
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What if? A different Harry Potter Story
Fiksi PenggemarWas wäre, wenn Charaktere eben nicht so sind, wie sie sind? Wenn sie ganz andere Dinge tun und sagen würden, wenn sie ganz andere Entscheidungen treffen würden? Was aber, wenn ein einziger Schicksalsschlag die ganze Geschichte auf den Kopf stellt? I...