Epilogue

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Manchmal fragte sich Louis wie viel ein Mensch ertragen musste, um zu zerbrechen. Wie viel Schmerz konnte ein Mensch in sich tragen, bis dieser ihn zerstörte. Er war sich sicher, dass jeder Mensch ein anderes Limit hatte, denn er hatte seins erreicht.

Louis war schwach, so schwach. Das wusste er. Er gab auf, obwohl er hätte kämpfen können. Aber für Louis gab es kein Grund mehr zu Kämpfen, seine Gründe wurden ihm genommen. Er würde für seine Gründe aufgeben.

Wie schwachsinnig dies auch klingen mochte, aber er hatte es leid. Er hatte es leid jedes Mal aufs neue verletzt zu werden, jedes Mal wieder eine Enttäuschung zu ertragen. Er hatte es alles so leid.

Sein einziges Ziel war nur noch der Himmel und genau jetzt befand er sich einen Sprung entfernt von diesem.

Es war fürchterlich kalt und Louis zitterte am ganzen Körper, doch das hielt ihn nicht davon ab sich mit seinen dünnen zitternden Händen am Geländer des kalten Metall der Brücke fest zu krallen und sich zu wünschen das alles schon hinter sich zu haben.

Tief atmete Louis durch, strich sich die gesammelten Tränen aus seinen Augen und starrte nach oben in den Himmel, in welchem tausende von Sternen zu sehen waren.

"Harry, Mum? Seid ihr da?", flüsterte er leise und unterdrückte sich ein schluchzen. "Gleich werde ich auch da sein. Bei euch im Himmel.", murmelte er geistesabwesend und umklammerte das Geländer unter seinen Händen immer fester.

Langsam hob er sein rechtes Bein so hoch an, dass er es über das Geländer schwingen konnte. Das andere folgte schnell. Unter ihm glänzte das Wasser wunderschön, der Mond spiegelte sich in diesem und man konnte erkenne, wie leichte Regentropfen auf die Wasseroberfläche trafen.

Immer wieder vielen Louis die Augen zu, doch er wehrte sich nicht dagegen, denn genau das war sein Ziel. Bereits vor dreißig Minuten saß er auf der Brücke und starrte auf das Wasser, bis er die zwei Schlaftabletten, welche er sich zuvor in seine Hosentasche geschoben hatte, einnahm. Vor einiger Zeit hatte er sie von seinem Arzt empfohlen bekommen. Da hatte er nicht im geringsten erwartet, dass sie einmal so zur Verwendung kommen würden. Er wollte einschlafen und dem Schmerz des Ertrinken entkommen.

Immer schwächer wurde Louis, seine Augen bereits vollkommen geschlossen und seine Hände nur noch locker auf dem Metall des Geländer. Sein Herz raste, er fing an zu zittern und die Tränen auf seinen Wangen tropfen nach unten, schienen vollkommen in der unendlichkeit zu verschwinden.

"Louis."

Nur ein leises hauchen, aber für Louis war es nichts als eiserne Stille.

"Tu das nicht."

Ein murmeln, kaum zu verstehen.

"Du musst leben. Für uns."

Es war gerade noch so laut, dass Louis es verstehen konnte.

"Harry?", schoss es sofort aus ihm heraus, drehte sich so schnell nach hinten um, dass er fast herunter fiel, doch er konnte sich gerade noch so halten.

"Harry, wo bist du?", rief Louis hysterisch und wollte wieder zurück auf die andere Seite, doch er war zu schwach. Seine Beine schienen sich einfach nicht bewegen zu wollen, genauso wie der Rest seines Körpers.

"Komm da weg, Lou.", ertönte wieder seine Stimme. So rau wie, doch zugleich so sanft wie eine Feder. Immer wieder spuckte diese Stimme durch Louis' Kopf, immer wieder versuchte er sich umzusehen und nach Harry zu suchen, doch er fand nichts als Dunkelheit.

Noch immer mit Tränen im Gesicht und rasendem Herzen suchte sich Louis verzweifelt nach Harry um, doch wie auch zuvor blieb er erfolglos. "Harry, bitte.", wimmerte er leise, mit bebender Unterlippe und einem Herzen, was sich mit jeder Sekunde weiter zusammen zog.

"Louis.", hörte es der Blauäugige ein letztes Mal, ehe die Stimme völlig verblasste und ihn in der eisigen Stille hinterließ.

Bitterlich am weinen ließ sich Louis das Geländer runter rutschen, bis er auf dem letzten Zentimeter des Boden stand und mit müden, Tränen gefüllten Augen auf das Wasser blickte, auf welches der Regen immer stärker zu prasseln schien. Louis' Anziehsachen, so wie seine Haare, waren mittlerweile schon vom Regen durchnässt und es fühlte sich so an als würde das Regenwasser in seinen Klamotten ihn nach unten ziehen wollen.

Vielleicht war es ein Zeichen, dass er es endlich hinter sich bringen sollte.

Ein letztes Mal schaute er nach hinten, schloss dann seine Augen und ließ seine Hande dann langsam vom Geländer gleiten. Es kam ihm wie ein Wimpernschlag vor, bevor er fiel. Er fiel so als würde es kein Ende mehr geben, als würde er fallen und es gab kein Boden. Aber auch wenn er sich diese Unendlichkeit gewünscht hatte ging sie zuende.

Mit einem lauten platschen traf Louis auf die Wasseroberfläche und aus Reflex schnappte er sofort nach Luft, was dazu führte, dass sich das kalte Wasser in seiner Lunge ausbreitete. Das letzte bisschen Luft entwich mit einem explosiven Stoß.

Dann fing die Qual an. Louis fing furchtbar an zu Würgen, in ihm herschte ein unerträglich erstrickendes Gefühl. Der Druck auf seinem Trommelfell war beinahe nicht auszuhalten und das Summen in seinem Kopf ebenso.

Automatisch begann er mit seinen Händen schwach und krampfhaft um sich zu schlagen, doch es nütze nichts. Sollte es auch nicht.

Das letzte was Louis aufnehmen konnte war das weiße Licht, was immer näher auf ihn zuzukommen schien, bis er in einem tiefen schwarzen Loch versank.

-

Das erste was Louis spürte, als er seine Augen auf schlug war nichts. Absolut nichts. Er sah sich um, doch alles war dunkel. So dunkel als würde selbst das Licht von dem schwarz eingenommen werden, wenn es denn welches gäbe.

"Louis.", flüsterte jemand.

"Kannst du mich hören?"

Langsam drehte sich Louis um, mit der Vermutung, dass dort niemand sein würde. Doch anstatt der unendlichen Dunkelheit sah er Licht. Helles und grelles Licht, in welchem sich eine Gestalt befand, und anhand der Stimme wurde Louis klar, dass es Harry war.

"Harry?", wimmerte Louis leise, sodass er selbst es kaum verstand. Das Licht blieb dort, als sich Harry mit kleinen Schritten auf den Blauäugigen zu bewegte. "Komm zu mir.", flüstere Harry, streckte seine Hand nach Louis aus, welcher zitternd auf ihn zu ging und seine Hand in Harrys legte.

"Wieso hast du das getan?"

Louis starrte nur emotionslos in Harrys glanzlosen Augen. Für einen Moment fühlte es sich so an als wäre alles wie zuvor, als wäre nichts von dem allem passiert und sie könnten glücklich weiter leben. Das einzige Problem war nur, dass sie eben nicht mehr am leben waren.

"Ich konnte nicht mehr."

Harry nickte nur mit geschlossenen Augen und legte seine Hand an Louis' Wange. "Küsst du mich ein letztes Mal?", fragte der Größere bittend, strich sanft Louis' Wange entlang und näherte sich seinem Gesicht vorsichtig. "Ein letztes Mal?", erwiderte Louis verwirrt.

"Ein letztes Mal bevor wir ins Licht gehen."

"Ins Licht?", erwiderte Louis, doch ehe Harry hätte antworten können legte er seine Lippen langsam und vorsichtig auf Harrys. Louis' Hände lagen sanft um Harrys Nacken und seine Lippen bewegten sich im Einklang mit denen seines Freundes.

"Ja, ins Licht.", sagte Harry, nachdem sie ihre Lippen widerwillig voneinander lösten. "Deine Mum wartet auf dich." Harry zeigte auf das grelle Licht, welches sich hinter ihnen befand. Zuerst konnte Louis nicht genau erkennen auf was Harry deutete doch dann erblickte er wie seine Mum auf der anderen Seite des Lichtes stand. Ein Lächeln zierte ihre Lippen.

"Komm. Wir müssen uns beeilen. Sonst verschwindet es.", gab Harry Louis zu verstehen und griff nach seiner Hand, um ihn in Richtung des Lichtes zu ziehen. Kurz davor blieb Louis jedoch stehen und drehte sich zu Harry.

"Wird es weh tun?"

"Nein, wird es nicht."

Mit einem letzten Lächeln von Harry verstärkte Louis seinen griff um Harrys Hand und setzte den letzten Schritt, sodass sie vollkommen im Licht verschwanden.

In diesem Moment, als Harry seine Arme um ihn und seine Mum schlung, sie alle aneinander drückte und seine Nase im Louis' Haaren vergrub wurde ihm eines klar. Liebe endete nicht nach dem Tod, denn sie ging weiter. Sie ging bis ins Unendliche.

He Was The One [Larry Stylinson]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt