Zwei Wochen vor Schulbeginn saß Tom mit seiner Familie beim Frühstück. Es gab Pfannkuchen mit Brennnesselmarmelade. Tom nippte genüsslich an einer Tasse Muckefuck. Am liebsten würde er den süßlichen Getreidekaffee den ganzen Tag trinken, aber seine Mutter erlaubte nur einen am Morgen.
»Paaaaaahhhh!« Alex war hinter ihm hervorgesprungen und schnitt eine Grimasse.
Tom fiel vor Schreck fast vom Sessel. »Bist du verrückt? Warum erschreckst du mich so?«
»Ich dachte ...« Alex verstummte, setzte sich und verharrte mit gesenktem Blick.
Seine Eltern waren offenbar auch sprachlos über das Benehmen von Alex, denn sie sagten nichts. Tom starrte einen nach dem anderen an. Er sah den schuldbewussten Blick von Alex. Es versetzte ihm innerlich einen Stich. Sein Bruder hatte ihn erschreckt, weil er hoffte, dass sich dadurch endlich eine Begabung zeigte.
»Du, du, du glaubst wohl, du bist etwas Besseres als ich«, presste er hervor. »Ihr fragt euch doch alle schon, was los ist.« Er wurde lauter. »Was wollt ihr denn tun, wenn ich unbegabt bin?« Tom schrie nun so laut, dass sich seine Stimme überschlug. »Wollt ihr mich dann aus der Familie schmeißen?« Er sprang auf. »Wisst ihr was, ich verschwinde, dann seid ihr mich los!«
Er rannte zur Tür, schnappte den Riesenseerosenschirm und die Windkammer und stürmte hinaus. Es war ihm egal, dass er noch nicht alleine fliegen durfte, er wollte nur noch weg. Seine Mutter rief ihm hinterher, er solle zurückkommen. Doch Tom schwebte schon davon und drehte sich nicht um. Wie konnte ihm Alex so etwas nur antun? Wahrscheinlich hatte er sich mit den Eltern abgesprochen um herauszufinden, ob er eine Begabung hatte oder nicht. Hatten sie gemeinsam festgelegt, wie sie ihn testen wollten? Tom schluckte und presste die Lippen zusammen. Nun wusste er, dass seine Familie einen Unbegabten nicht hinnehmen würde. Bei dem Test war er durchgefallen. Er hatte keine Begabung. Sonst hätte sie sich bei dem Schreck gezeigt.
Was sollte er jetzt tun? Wovon sollte er leben, er war doch noch ein Kind! Tom riss sich zusammen. So klein war er auch wieder nicht, schließlich war er schon zwölf.
Wie lange war er geflogen? Er schaute hinunter. Wo war er überhaupt? Weit und breit sah er nur dichten Wald. Die Arme schmerzten. Wo sollte er landen?
Allmählich wurde er langsamer und begann zu sinken. Alarmiert hielt er seine Nase in den Luftstrom, der aus den Windlöchern entwich. Entsetzt stellte er fest, dass die Luft immer schwächer herausströmte. Anscheinend war die Windkammer nicht voll gewesen. Hastig suchte er in allen Richtungen nach dem Waldrand. Er musste in der Nähe der dunklen Seite sein, die immer von der Sonne abgewandt war, denn das Tageslicht verschwand in der Ferne allmählich und ihn fröstelte.
Überall turmhohe Bäume, die dicht zusammenstanden. Irgendwie musste er zwischen den Bäumen den Boden erreichen. Aber wenn sich der Schirm in den Baumwipfeln verhakte und er abstürzte? Fieberhaft suchte Tom nach einem Ausweg. Könnte er auf einem Baumwipfel landen und dann hinunterklettern? Er war nicht besonders gut im Klettern. Als er sich schon dazu entschlossen hatte, erspähte er den Waldrand. Hoffentlich schaffte er es bis dorthin, die Baumkronen kamen bedrohlich näher.
Da griff ein Baum nach seinen Füßen und er blieb hängen. Der Riesenseerosenschirm drehte sich und sank tiefer. Verzweifelt strampelte und trat er nach den Ästen, die ihn gefangen hielten. Doch vergeblich. Seine Finger krampften sich um die Wurzeln. Lange konnte er den Schirm nicht mehr halten. Mit aller Kraft riss er die Beine hoch. Endlich war er frei. Aus den Windlöchern blies nur noch ein laues Lüftchen und der Schirm torkelte durch die Luft. Tom schlang beide Arme um den Wurzelansatz, presste verzweifelt die Augen zusammen und riss sie dann doch wieder auf.
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Tom Janus und die Wettermacher - Bullige Saponenwolken
AdventureDer zwölfjährige Wettermacher Tom Janus ist verzweifelt. Er hat kein Talent zur Wetterproduktion auf der Erde - sein Atem reicht nicht zum Windblasen, er kann nichts vereisen, er niest keine Wolken und seine Tränen eignen sich nicht zur Regenprodukt...