dunkle Macht

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Über dem Forsthaus brach die Dämmerung herein.
Jakob und Felix kuschelten und küssten immer noch, als plötzlich ein scharrendes Geräusch am Fenster zu hören war. Jakob rutschte von Felix' Schoß und schaute erschrocken, fast ängstlich drein.
Sekunden später klopfte es an die Tür.
„Felix? Jakob?"
„Das ist Daniel!", rief Jakob völlig verblüfft und stürzte zur Tür.
Er öffnete und ein verschneiter und offenbar frierender Daniel kam herein. Er lief an ihnen vorbei zum Fenster, öffnete es und eine Fledermaus flatterte herein und setzte sich auf den Esstisch.
„Ich muss ihr helfen", sagte Daniel, „sie hat noch nicht so viel Erfahrung. Sie schafft das mit dem Verwandeln gerade nicht."

Und so war es, aus irgendeinem Grund schaffte Larissa, um die es sich natürlich handelte, es nicht, sich genügend zu konzentrieren und die bittere Kälte tat das ihrige. Daniel nahm sie auf den Arm, trug sie hinüber zum Ofen und setzte sie auf den Boden. Dann legte er seine Hände auf sie und schirmte sie mit seinem Körper von den Eindrücken um sie herum ab. Er redete leise auf sie ein, und schließlich gelang es ihr. Es raschelte, die Luft knisterte, und die in den Mantel gehüllte junge Frau saß auf Knien auf dem Boden vor dem Ofen und atmete erschöpft.
„Mist", stöhnte sie, „ich hatte mir das Vampir sein nicht so kompliziert vorgestellt."

„Daniel! Wo kommst du her? Was machst du hier? Und wer ist das?"
Jakob hatte seine Sprache wiedergefunden, während Felix immer noch mit großen Augen auf das Geschehen vor sich sah.
„Können wir einen heißen Tee haben?", fragte Daniel.
„Na... natürlich." Felix machte sich ans Tee brühen, und er war froh, dass seine Hände etwas zu tun bekamen, das gab ihm gleich mehr Sicherheit.
„Also", erzählte Daniel, als die beiden Neuankömmlinge wenig später mit den herrlich warmen Tassen in den Händen im Wohnzimmer saßen, „das hier ist Larissa, die junge Frau, deren tapferem Hund wir zu verdanken haben, dass der Mörder keinen Mantel mehr hat."
„Aber ... warum bist du denn ein Vampir?!", fragte Jakob
„Der Mistkerl hat mich gebissen!", fauchte Larissa. Dann erzählte sie in kurzen Worten die ganze Geschichte. Daniel ergänzte, und als er den Namen Friedrich vom Schlossberge erwähnte, seufzte Jakob. Auch ihm ging es nahe, dass es jemand aus einer alten, achtbaren Familie war.

Als Larissa berichtete, was bei den Denzers vorgefallen war, sprang Felix erschrocken auf.
Er war auch nicht wirklich beruhigt, als er erfuhr, dass André und Frodo bei der Mutter geblieben waren.
Na ja, andererseits, Frodo war klug und gewitzt, André stark und mit einem ausgeprägten Beschützerinstinkt. Die beiden würden schon zu verhindern wissen, dass der Mutter noch mal etwas schlimmes widerfuhr.
Marti und Steve waren also mit dem Vater auf dem Weg hierher.
Es berührte die beiden frisch Verlobten, dass ihre Freunde all das auf sich nahmen, um ihnen zu helfen.

„Und ..." sagte Felix schließlich, als Larissa und Daniel geendet hatten, „was tun wir jetzt?"
Es herrschte Schweigen.
„Ich weiß nicht", sagte Daniel und seine Stimme klang gepresst.
Sie schwiegen wieder.
Jakob spürte, wie sich ihm die Nackenhärchen aufstellten.
Ein unangenehmer Schauer kroch ihm den Rücken rauf.
Die Situation war unangenehm. Und wieder kamen ihm diese Gedanken. Hätte er nur ... dann würden jetzt nicht ... Vielleicht sollte er sich einfach ausliefern, sein Schicksal hinnehmen ...
Er schauderte. Warum wieder solche Gedanken? Irgendetwas stimmte hier nicht.
Da stöhnte Daniel auf.
„Jakob", stieß er abgehackt hervor, „Die Familie vom Schloss ...Schlossberge ... ahhh ... beherrscht Gedankenmanipulation ..."

Im nächsten Augenblick wurde auch schon die Tür aufgestoßen, und eine Gestalt betrat das Haus.
Ein Mann mit spitzen, eleganten Gesichtszügen, hochgewachsen, schlank, mit schmalen Gliedmaßen.
„Friedrich ... vom ...", stöhnte Jakob, doch es gelang ihm nicht, den Namen zu Ende zu bringen. Und auch nicht mehr, sich zu bewegen.

Jako und Felix, die beiden Menschen, waren komplett bewegungsunfähig.
Larissa, die eine noch unerfahrene Vampirin war, ebenfalls.
Daniel kämpfte dagegen an. Er schloss die Augen und konzentrierte sich.
'Er darf meine Gedanken nicht kontrollieren, er darf ...'
Es gelang ihm, eine kleine Bewegung mit dem Kopf zu machen und einen Schritt in Richtung Tür, doch noch ehe er weiter vorankam, verstärkte Friedrich seine Bemühungen, und auch der erfahrene und altgediente Vampir Daniel Kronprinz war seinem Willen hilflos unterworfen.

Felix Gedanken rasten.
'was wird jetzt geschehen?' dachte er panisch.
'was wird er mit Jakob tun? Oh Gott, ich muss ihn beschützen! Ich muss ...!'

Friedrich hatte sich Daniel zugewandt. "Sieh an, sieh an, der Herr Kornprinz", spottete er.
Dann griff unter in Daniels Mantel und förderte den silbernen Dolch zu Tage.
„Na, was haben wir den da? Das trifft sich ja prima. Nicht nur, dass ich den Abtrünnigen loswerde, der sein Volk verraten und verlassen hat. Nein, es wird auch noch jeder glauben, du hast ihn getötet, wenn dein Dolch in ihm steckt und ich das bezeuge ... und diese hier ..." er zeigte auf die anderen drei, „werden das auch bezeugen, glaub mir. Dafür sorge ich."
Daniel kämpfte und kämpfte, aber gegen die Gedankenmacht des anderen Vampirs kam er nicht an.

Friedrich wandte sich nun Jakob zu.
„Und nun zu dir, Verräter. Du hast alles mit Füssen getreten, was die alte und traditionsreiche Geschichte der Vampire ausmacht. Dein Bruder und dein Vater sind genauso schlimm. Ich werde euch vernichten. Euch alle. Und dann, wenn das Volk der Vampire einsieht, was für eine Anomalie ihr seid, wird die Familie vom Schlossberge den Thron besteigen, der uns von Alters her zu steht!"
„Darum ... geht es also ..." stöhnte Daniel. „Machtgier ..."

Felix kämpfte ebenso gegen den übermächtigen Willen an.
Er musste Jakob retten.
Er musste den Mann retten, den er liebte.
Er musste ...

Friedrich hob den Dolch und Jakobs Gesicht wurde bleich, doch er zeigte keine Angst. Er zeigte Stolz und Ruhe.
Er strahlte eine Würde aus, wie Felix sie noch nie an ihm wahrgenommen hatte.

In dem Augenblick wurde die Tür von außen aufgestoßen und ein ein kleiner, bellender Wirbelwind stürmte herein.

Wie heiratet man einen Vampir?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt