weißer Schnee

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Felix und Jakob hatten an diesem Sonntag Morgen ausgeschlafen und spät mit den Eltern gefrühstückt.
Anschließend hatten sie sich warm angezogen und waren hinaus an die frische Luft gegangen.
"Wenn wir schon einmal hier sind, können wir auch die schöne Landschaft genießen und uns so richtig schön erholen."
Immerhin hatte Jakob angeblich einen Burnout, und für so etwas waren lange Spaziergänge an frischer Luft mit Sicherheit nicht verkehrt.
Außerdem hatten sie so die Möglichkeit, unter vier Augen zu reden.

Sie stapften gerade einen Feldweg entlang, zwischen schwarzen und entlaubten Apfelbäumen, als Felix' Handy klingelte.
Es war Rick. Felix ging dran.
"Hallo Rick, wie geht es dir?"
Jakob spürte, wie sein Liebster sich anspannte.
Das Handy gab den Signalton für eine eingehende MMS. Felix starrte darauf.
Was in den nächsten Minuten gesprochen wurde, bekam Jakob nur durch eine Art Nebel mit. Dennoch war ihm am Ende klar, dass derjenige, der es auf ihn abgesehen hatte, wusste, wo er war.
Verdammt. Und dabei hätten ihm ein paar ruhige Tage auch ohne Burnout gut getan. Statt dessen waren sie somit wieder auf der Flucht.

"Komm", sagte Felix leise. "Wir müssen unsere Sachen holen. Und irgendwie Mama und Papa erklären ... dass wir weiter müssen."
Jakob nickte. Er ließ den Kopf hängen und trottete neben Felix her. Es fiel ihm nicht leicht, zu akzeptieren, dass sie erneut in Schwierigkeiten waren und es keine ruhigen Tage geben würde.
Sie waren halb auf dem Rückweg, als das Handy erneut klingelte. Diesmal war es Daniel.
"Felix, ich bin es. Ich habe gerade von Frodo erfahren, was los ist. Verdammt. Hast du eine Idee, wo ihr euch verstecken könnt?"
"Ja, ich glaube schon."
"Gut. Felix, du musst ihn beschützen, hörst du? Er ist mein Bruder, und auch wenn wir uns früher manchmal gestritten haben - ich liebe ihn von Herzen und könnte nicht ertragen, wenn ihm etwas zustoßen würde."
"Glaub mir, Daniel, ich werde alles tun, damit ihm nichts geschieht."
"Felix, wenn das alles hier vorbei ist, dann gibt es noch etwas, was du tun kannst, damit er nie wieder in einer solche Gefahr gerät. Aber das erzähle ich dir dann in Ruhe. Und Felix?"
"Ja?"
"Danke für alles."
Und Daniel legte auf.

Als die beiden jungen Männer beim Haus der Eltern ankamen, fanden sie es leer vor. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel.
"Wir wollten euch ein bisschen Freiraum lassen. Sind zu Freunden ins Nachbardorf. Kommen gegen Abend wieder. In der Küche steht Kuchen."
Felix stieß einen erleichterten Seufzer aus.
"Das ist gut. Dann müssen wir nicht viel erklären."
Er nahm einen Rucksack, in den er den Kuchen packte und eine Thermoskanne Tee, die er rasch zubereitet hatte. Außerdem einen kleinen Topf, den kleinen Gaskartuschenkocher des Vaters und ein paar Beutel Tee sowie ein paar Konserven.

"Wo gehen wir hin?", fragte Jakob.
"In das alte Forsthaus. Da haben wir als Jugendliche manchmal kampiert. Es gibt einen Brunnen vor dem Haus, so dass wir Wasser haben. Und es gibt einen Ofen. Hinter dem Haus lag immer Holz aufgestapelt. Wen wir Glück haben, hat sich das nicht verändert, denn bewohnt wird das Haus schon lange nicht mehr. Außerdem grenzt es mit der Rückseite an eine Felswand. Wir haben also den Rücken frei und von vorn, von der leicht abschüssigen Lichtung, sehen wir, wenn jemand kommt."
Jakob nickte.

Sie packten ein paar ihrer Sachen in Vaters alten Jagdrucksack.
Als sie das Haus verließen, seufzte Felix.
„Mama und Papa werden sich sorgen. Aber es ist besser, wenn sie nichts wissen."
Ihm war nicht wohl dabei, ohne ein Wort zu gehen. Aber manchmal bleibt einem eben keine Wahl. Sie machten sich also auf den Weg.
Zwei Stunden würden sie ungefähr unterwegs sein. Da es jetzt, bei ihrem Aufbruch, gerade mal später Mittag war, würden sie es also noch vor dem um diese Jahreszeit frühen Einbruch der Dämmerung schaffen.

Jakob war sehr still, während sie durch den Schnee stapften. Er schien ganz tief in seinen Gedanken versunken zu sein. Sein sonst so fröhliches und lebensbejahendes Gemüt schien unter einer Schicht aus Angst und Sorgen verborgen zu sein.
Felix würde sich auch darum kümmern. Später. Jetzt war erst einmal anderes vordringlicher. Der Weg war anstrengend und führte teilweise steil bergan.
Er führte durch den Wald und über Lichtungen. Er war streckenweise tief verschneit, an anderer Stelle wieder ausgesprochen glatt. Felix war erleichtert, als sie so gegen halb vier endlich auf die letzte Lichtung hinaus traten, an deren anderem Ende sie das Forsthaus sahen. Die kleinen Fensterscheiben waren heil geblieben und der große Stapel Feuerholz, von dem sich Felix und seine Freunde schon als Kinder bedient hatten, war auch noch da.

Eine Stunde später hatten sie sich so gut es ging eingerichtet. Der Ofen war angeheizt. Mit Hilfe einiger Decken, die es auch noch im Haus gegeben hatte, hatten sie sich auf dem durchgesessenen alten Sofa ein ganz passables Lager hergerichtet. Sie hatten sich Tee eingeschenkt und aßen dazu Mutter Denzers guten Kuchen.
Eng aneinander gekuschelt und den Blick auf die hinter den verrußten Glasscheiben des Ofens flackernden Flammen gerichtet, ließ es sich erst einmal aushalten.
"Wie lange wir wohl hier bleiben müssen?", fragte Jakob.
"Ich weiß es nicht", antwortete Felix. Er zückte sein Handy, aber es gab keine neuen Nachrichten.
"Ein paar Tage vielleicht."
Er küsste Jakob sanft auf die Wange.

Felix rappelte sich vom Sofa auf.
"Ich werde ein paar Decken vor die Fenster hängen, damit man von außen das Licht hier drinnen nicht sehen kann."
Jakob stand ebenfalls auf.
"Lass nur, ich schaff das allein ..." sagte Felix. Jakob schaute verletzt drein.
"Bitte, Felix, behandle mich nicht wieder so, als wäre ich so zerbrechlich."
"Entschuldige. Du hast recht. Dann komm."
Gemeinsam machten sie sich also an die Arbeit. Und trotz der angespannten Lage und der gelinde gesagt absurden Situation machte das gemeinsame Arbeiten Spaß. Die Handgriffe klappten reibungslos. Und sie spürten beide, dass sie gut zusammenwirken konnten. Als Felix eine Decke aus der Hand rutschte und er fast auf sein Hinterteil geplumpst wäre, sahen sie sich an und kicherten.
Es tat ihnen beiden gut

Bevor sie schlafen gingen, feuerte Felix den Ofen noch einmal kräftig an, damit die Wärme die Nacht über hielt.

Die Nacht war erfüllt von Geräuschen.
Sie hörten das Holz im Ofen knacken. Die alten Balken des Hauses arbeiteten. Draußen schrie ein Käuzchen, es raschelte, knackte und knisterte.
Es war so ungewohnt für sie beide, dass sie nicht besonders fest schliefen. Hinzu kam, dass Jakob Alpträume plagten. Immer wieder schreckte er auf, stöhnte oder jammerte im Schlaf.
Felix nahm ihn jedesmal in den Arm, tröstete ihn und wiegte ihn wie hin Kind wieder in den Schlaf.

Felix war froh, als am nächsten morgen endlich die Morgendämmerung kam.

Wie heiratet man einen Vampir?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt