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Schniefend hielt ich eine Hand vor meinen Mund, und sah der bitteren Realität entgegen, dass ich hier niemals glücklich werden würde. Ich würde niemals akzeptiert werden, ich würde meinen Abschluss nicht schaffen, der unter den Attacken der anderen litt. Ich würde auf der Straße landen, kein Geld für meinen Liebespartner haben, und auf dem dreckigen Asphalt untergehen. Ein Horrorszenario nach dem anderen rauschte mir durch die Gedanken, und unbewusst weinte ich lauter und zerbrechlicher.

Die Person die vor meiner Kabine stand, war still und ruhig. Ich nahm die Aura des Jungen wahr, konnte aber einfach nicht meine Tränen stoppen. Ich war am Ende, sagte ich mir selbst. Ich konnte nicht mehr weiter machen.

"Was denkst du gerade?", kam es plötzlich von der anderen Seite, und die kleine Holzwand, die mich und Louis trennte, verschwamm vor meinen Augen. Ich wollte nicht reden, ich wollte nichts sagen.

Der Kloß in meinem Hals wurde größer, und mit einem wimmern machte ich ihm klar, dass ich nicht auf seine Frage antworten konnte. Abgesehen davon wusste ich nicht wie mir die Frage, an was ich dachte, je weiterhelfen sollte.

Aber Louis ließ nicht locker, ich sah seine schwarzen Schuhe unter der Wand hindurchspitzen, da dort ein kleiner Abstand zum Boden war, und hatte schon Angst, er würde unter dieses Loch kriechen und zu mir durch kommen. Alleine dieser Gedanke zusammen mit allen anderen, ließ mich panisch nach Luft schnappen, und mein Herzschlag verschnellerte sich. Er sollte nicht kommen, sollte nicht mein tränenüberströmtes Gesicht sehen.

"Komm schon. Sag mir, an was du denkst", hauchte er dann wieder, und klang dabei so sanft und fürsorglich, dass ich tatsächlich für einen Moment vergaß zu atmen. Was nicht mal logisch war, da atmen ein Reflex des Körpers war. Und trotzdem hielt ich mit allem für eine Sekunde inne, während ich einen Stich in meiner Brustgegend fühlte.

"Ich will dir helfen. Bitte. Ich werde dich nicht auslachen. Hier ist niemand außer mir."

Sollte ich ihm vertrauen? Nein. Die Antwort hieß ganz klar nein. Ich konnte niemanden vertrauen. Niemand interessierte sich wirklich für mich. Alles lügen.

"Komm schon. Mach die Türe dann auf, und du siehst das ich alleine bin. Ich weiß wir kennen uns nicht, aber ich wäre sehr gerne für dich da."

Stumm schüttelte ich den Kopf, sodass meine Locken umher flogen und schniefte wieder auf. Mein Heulanfall kam langsam wieder zurück in das Loch, aus dem es gekommen war, und leise schluchzend wischte ich mir über die Augen, die so sehr brannten, als hätte ich einen Haufen Zwiebeln vor mir liegen.

Nachdem ich mich einigermaßen wieder einbekommen hatte, setzte ich mich gerade hin, und schüttelte erneut den Kopf. "Geh weg", stotterte ich bittend. "Lass mich in Ruhe. Du verstehst mich nicht", brachte ich unter zittrigen Atemzügen hervor.

Niemand verstand mich. Es würde auch niemals jemand verstehen.

"Gib mir eine Chance dich zu verstehen. An was denkst du? Sag's mir schon. Worüber machst du dir sorgen? Du hast eine Stimme. Und ich werde dafür sorgen, dass sie gehört wird. Deine Probleme sind bei mir sicher, versprochen."

Er klang wie ein Psychologe, und die Art wie er ruhig auf mich einredete, ließ meinen Puls langsamer werden, und meinen Herzschlang rhythmischer. Irgendwas hatte er an sich, dass ich ihm tatsächlich glaubte, und erklärte ihm gleich darauf alle meine Probleme. Ich erzählte ihm, von der Angst durchzufallen, da meine Noten momentan schlechter als Drei waren. Ich sagte ihm, dass meine Mutter schwer zu arbeiten hatte, und krank war. Ich ließ ihn wissen, dass ich seit Jahren fertig gemacht wurde, dass ich Angst hatte auf der Straße zu landen, und dass ich glaubte, für immer ein Loser zu bleiben. Mein Redeschwall hörte nicht mehr auf, es fühlte sich zu gut an, endlich sprechen zu können. Unter erneuten Tränen sagte ich ihm, dass ich jede Nacht nur drei Stunden schlief, dass ich fast ein Jahr lang einen Nervenzusammenbruch erlitt und ich täglich totale Bauchschmerzen hatte. Das kein Arzt wusste, was ich hätte und ich nie eine Diagnose für irgendwas bekam. Dass ich keinen einzigen Freund oder Bruder hatte, mit dem ich reden konnte, und mich jeden Abend in den Schlaf weinte. Dass ich mein Leben hasste, dass ich es beenden wollte, weil der Spot auf mich danach noch größer wurde, als alle realisierten, wie tief ich am Boden wirklich angekommen war.

Als ich mit allem fertig war, rechnete ich damit, dass er schon längst gegangen war, und wahrscheinlich grinste, weil das alles so lächerlich war. Aber als ich runter auf den Boden blickte, standen seine Vans noch immer auf dem Boden, und versicherten mir, dass er hier geblieben war, und mir zuhörte.

Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder, und schlug gegen den weichen Stoff meines Oberteils. Die Angst übernahm meinen Körper, als einige Sekunden keine Antwort kam, was ich ihm aber nicht übel nehmen konnte. Würde ich vor mir selbst stehen, und hätte meiner Stimme zugehört, die schwach und hoffnungslos klang, hätte ich meinen Kopf schon gegen die Wand gehämmert.

Die Tränen liefen wieder meine Wange hinunter, und wimmernd zog ich die Beine an meine Brust. Ich fühlte mich wie ein Häufchen Elend, als ich auf einmal Louis tief durchatmen hörte.

"Okay."

Meine Stirn zog sich unsicher zusammen, und schluckend krallte ich mich in meine Jeans. Meine Nägel bohrten sich fest in den Stoff, da ich momentan nichts anderes hatte, dass mir Halt spendete.

"Okay. Hör mir zu. Ich stelle dir jetzt ein paar Fragen und denkst erstmal darüber nach, bevor du antwortest, ja?"

Zögernd nickte ich und antwortete ihm mit einem bebenden: "Ja." Mein Hals schnürte sich für den Augenblick zu, da ich nicht wusste worauf er hinaus wollte.

Ich hörte ihn wieder tief durchatmen, und dann fragte er etwas, worüber ich noch nie nachgedacht hatte.

"Sind deine Sorgen real? Ist dein Problem wirklich so groß, wie du es dir einredest? Kann das, worüber du dir Sorgen machst, eintreffen? Oder sind es nur wilde Vermutungen, die du dir stellst, wenn du zu viel nachdenkst?"

Und diese Fragen machten mich sofort so unglaublich wütend, dass ich die Lippen zusammenpresste und aufstand. Ich brauchte keinen gespielten Psychologen, der mich offensichtlich überhaupt nicht verstand. Ich wusste nicht, ob ich absolut enttäuscht darüber sein sollte, weil ich irgendwie mehr erwartet hatte, oder ob ich einfach mit neutraler Miene dem entgegen sehen sollte, weil es sowieso klar war. Wahrscheinlich beides.

"Hast du darüber nachgedacht?", fragte er mich dann und Kopf schüttelnd atmete ich zischend aus.

Schnell schloss ich die Kabine der Toilette auf, wischte mir über die Augen und sah sofort in ein himmlisches blau, dass mich freundlich musterte. Zuerst blieb ich wie angewurzelt stehen, denn er war der erste, der mich nicht besorgt oder mitleidig musterte. Er sah mich ganz normal an, und sogar sein Mundwinkel war ein wenig in die Höhe gezogen, als wäre ich der süße Nachbarsjunge, der ihm jeden Morgen ein Croissant brachte.

Trotzdem schüttelte ich wieder den Kopf, und lief an ihm vorbei. Ich bemerkte sofort, dass sich seine Mimik veränderte, und sein Blick trauriger wurde. Während ich zum Waschbecken lief, um meine eiskalten Hände aufzuwärmen, fragte er mich warum ich nicht darüber nachdachte. Meine Antwort war ein simples: "Weil es Bullshit ist", und durch den Spiegel  hindurch, sah ich, wie er langsam seine Arme verschränkte.

Als das Wasser meine Hände hinunterlief, erschauderte ich kaum merklich. Schnell zog ich meine Hände wieder weg, schluckte schwer und trocknete meine nassen stellen wieder ab. Louis sagte kein Wort mehr.

Erst als ich rausging, hörte ich ihn ganz leise flüstern: "Sorgen macht man sich immer, und überall. Aber 90 Prozent der Sorgen treten in Wirklichkeit gar nicht ein."

[meinung ?🌺 konnte mit dem Update nicht warten haha]

His Heartbeat Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt