Harry PoVWas ich dann zu Gesicht bekam, raubte mir wortwörtlich den Atem, und ich konnte rein gar nichts dagegen unternehmen, als sich ein schwerer Stein auf meinem Herzen ablegte.
Sydneys Mann hatte keine Beine.
Er saß auf einen Rollstuhl und begrüßte uns mit einem breiten Grinsen. Er fuhr auf dem glatten Wohnzimmerboden bis zu uns, wobei ich ihn nur mit einer erschrockenen
Miene anstarren konnte. Obwohl ich so eine unfreundliche Reaktion von mir gab, sah er mich mit sanften braunen Augen an, die mit voller wärme gefüllt waren.Auf seinen Wangen lagen unzählige Sommersprossen, und seine Nase war klein und süß. Die offenen Augen blinzelten mich an, und seine Lippen sahen gepflegt und weich aus. Allgemein zierte keine Unebenheit das Gesicht des Mannes, und schwer schluckend sah ich wieder auf den Rollstuhl auf dem er saß. Mein Herz wurde auf einmal ganz schwer.
"Harry? Das ist mein Mann Christian. Aber nenn' ihn ruhig nur Chris. Das ist ihm lieber."
"Baby ich kann auch selbst sprechen."
Der Mann lachte, und immer noch überfordert wendete ich verlegen meinen Kopf ab. Der Anblick ließ mich so schwer schlucken. Wieso? Weshalb? Wieso hatten Menschen sowas verdient? Unzählige Fragen schwirrten in meinem Gehirn umher. Stattdessen sah ich aber zu Louis, der mit leuchtenden Augen das Paar betrachtete. In seinen Augen spiegelte sich nicht ein Funken Mitleid wieder, und es schien auch, als hätte er sie schon mehrmals getroffen. Meine Augen waren immer noch vor Schock geweitet, und meine Kehle war ganz trocken.
Woher hatten sie Louis kennengelernt? Wahrscheinlich waren sie Freunde. Okay ganz wahrscheinlich waren sie Freunde. Okay, sie sind welche.
"So Harry, also. Sehr schöner Name, für so einen schönen Jungen. Du bist mit Louis befreundet?", fragte mich Chris und seine Art, wie sanft er die Worte aussprach, erwärmte mein Herz wieder.
Er sah glücklich aus. Das sah ich sofort. Obwohl er keine Beine hatte, lächelte er ehrlich und schien keine Sekunde damit zu vergeuden, meine Reaktion ins negative zu interpretieren. Aber trotzdem fragte ich mich immer noch: warum?
Ich nickte als Antwort, wobei ich mir innerlich wünschte, dass es mehr als Freundschaft sein könnte, und sah wieder zu Chris. Der Anblick löste in mir schon ein ungewöhnliches Gefühl aus, und ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte. Es war zugegebenermaßen das erste Mal, dass ich sowas zu sehen bekam und es ließ meinen Puls schneller werden. Er tat mir leid. Das musste doch furchtbar sein.
Wir nahmen alle am Sofa Platz. Unruhig starrte ich den kleinen Kaffeetisch an und versuchte nicht all zu sehr auf den Rollstuhl zu starren. Aber Chris und Sydney waren wirklich sehr offen für jegliches Thema. Als ich mich zögernd traute die Frage zu stellen, ob Chris denn gar nicht traurig war, blinzelte er mich nur ein paar mal an und schüttelte den Kopf.
"Ich mag mich wie ich bin. Ich habe gesunde Arme, einen klaren Verstand und eine wunderbare Frau an meiner Seite. Ich habe schöne Haut, weiße Zähne und einen besten Freund. Wieso sollte ich traurig sein? Mein Leben ist perfekt. Ich bin dankbar für alles was ich habe. Bestimmt denkt nicht jeder so, aber ich tue es."
Ich antwortete vorerst nicht, da mich die Antwort extrem verunsicherte. Wie konnte er sein Leben als perfekt betiteln, wenn er keine Beine hatte? Das konnte nie und nimmer perfekt sein, aber dennoch lächelte er breit und schien sich sehr sicher mit seinen Worten.
"Ich habe schon als kleines Kind damit abgeschlossen das ich anders bin, Harry. Natürlich ist mir aufgefallen, dass andere mich schräg anstarrten. Und ich hatte auch jahrelang eine schreckliche Zeit, ganz normal. Als Kind versteht man vieles noch nicht, aber dennoch ging es irgendwann. Andere sind dicker, andere haben vielleicht bunte Haare oder sind unbeliebt. Manche haben schreckliche Eltern oder sind von Natur aus oft gewalttätig. Und ich habe eben keine Beine. Das ist okay."
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His Heartbeat
FanfictionDer niedliche Lockenkopf Harry wird nicht nur mit ständigen Problemen konfrontiert, die ihm die Lust zum Leben nehmen, sondern verstummt auch von Tag zu Tag immer mehr, während andere um ihn herum laut lachen und ihn zu Boden drücken. Harry hat sch...