Diagnose Depression

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Die Diagnose bekam ich vor circa einem Jahr, allerdings war schon einige Jahre länger etwas 'nicht ganz richtig' mit mir, wie meine Familie es gerne mal ausgedrückt hat. 

Ich werde vorerst nicht genauer auf den Grund eingehen, weshalb es mir rapide schlecht ging. Aus dem ganz einfach Grund, dass ich der Meinung bin, dass es nicht wichtig ist. 

Es gibt viele Gründe, die Depressionen auslösen können. Bei mir war es der Tod meines Vaters, oder eher gesagt die ganze Vorgeschichte, mehr werde ich jetzt aber nicht darauf eingehen. Sollte es aus irgendeinem Grund dringend gewünscht werden, werde ich eventuell mal ein extra Kapitel darüber schreiben. 

Am Anfang waren alle eher verwundert, dass ich nicht getrauert habe. Oder eher gesagt, weil ich nicht getrauert habe, wie sie es von mir erwartet haben. Ich war 14 zu dem Zeitpunkt und war noch nie der Mensch, der gerne Gefühle vor anderen zeigt. Nicht mal vor der eigenen Familie. Natürlich saß ich manchmal in meinem Zimmer und habe mir die Augen ausgeheult, doch trotzdem habe ich mich nicht schlecht gefühlt, wenn ich auch mal gelacht habe, weil irgendwas dämliches im Fernsehen kam. Doch genau dann kamen die komischen Blicke von meiner Familie. Ich hatte das Gefühl, dass alle von mir erwarteten, dass ich 24/7 mit Tränen in den Augen herumlaufe. Doch das konnte und wollte ich nicht. 

Ich ging nach einer relativ kurzen Zeit wieder in die Schule, während meine Mutter noch Monate zu Hause blieb, weil sie der Meinung war es noch nicht zu packen, nach so kurzer Zeit wieder arbeiten zu gehen. 

Nach und nach wurde der Alltag für mich wieder normaler. Man bekam weniger mitleidige Blicke von Freunden und Lehrern und wurde nicht mehr wie eine Porzellanpuppe behandelt. Doch spätestens wenn ich nach Hause kam wurde ich wieder daran erinnert, dass doch nicht mehr alles wie vor ein paar Monaten war. Nicht selten kam ich nach Hause und meine Mutter saß weinend auf der Couch. Nie wusste ich, was genau ich tun sollte, fühlte mich jedoch schlecht, wenn ich ihr erzählen würde, dass es bei mir gut läuft. Und so begann ich praktisch eine Art Doppelleben zu führen, so blöd das auch klingt. In der Schule und wenn ich Zeit mit meinen Freunden verbrachte, war ich wieder die 'Alte', die über jeden Scheiß Witze machte und auch über alles lachte, und zu Hause saß ich mit langem Gesicht meiner Mutter gegenüber und versuchte sie abzulenken. Und irgendwann übernahm die 'Zuhause-Seite' die Überhand. Wenn ich heute daran zurückdenke, war es vielleicht gar nicht so falsch, als alle meinten, dass ich die Trauer verdrängt habe und es deswegen alles auf einmal kam, aber damals wollte ich mir das nicht eingestehen. 

Obwohl bereits einige Monate seit dem Tod meines Vaters vergangen waren und nun mittlerweile alle halbwegs damit klarkamen, begann ich nun mich zurück zuziehen. Ich war zwar schon in den Jahren davor jemand, den man als 'Emo' bezeichnete (obwohl ich das meines Erachtens nicht war), hatte Piercings, Tunnel, gefärbte Haare und trug hauptsächlich schwarz, doch zu dieser Zeit begann ich mich auch so zu verhalten. Ich machte nichts mehr mit meinen Freunden, saß meistens alleine in meinem Zimmer mit heruntergelassenen Rollläden und versuchte mich jeder Interaktion mit Menschen zu entziehen. Dies ging ein paar Monate so weiter. Natürlich fing auch meine Familie an zu bemerken, dass ich noch komischer als sonst war, aber ich hatte selbstverständlich immer irgendwelche Ausreden parat. 

Zwangsweise hatte ich jedoch immer Kontakt mit Leuten, da ich selbstverständlich zur Schule gehen musste. Allerdings war es dann im November 2015 soweit, dass ich dies nicht mehr tat. 'Mir geht es nicht gut. Kopfschmerzen, Magenschmerzen.' Diesen Satz hörte meine Mutter so ziemlich jeden Morgen. Die ganze Sache war auch nur halb gelogen. Mir ging es wirklich nicht gut, jedoch lag das nicht an irgendwelche körperlichen Beschwerden. Es lag eher an meinem Kopf, meinen Gedanken. Doch selbst wollte ich mir das damals nicht so recht eingestehen. Ganz genau kann ich es selbst nicht beschreiben, aber Fakt ist, mir ging es so schlecht, dass ich zu nichts mehr in der Lage war. 

Anfangs hatte meine Mutter Verständnis. Ließ mich zu Hause, gab mir die ein oder andere Kopfschmerztablette. Aber als ich dann die vierte Woche in Folge nicht zur Schule ging, zog auch sie einen Schlussstrich, für den ich ihr heute dankbar bin. 'Wir fahren zu einer Therapeutin.' Sagte sie mir vorsichtig als wir bereits im Auto saßen. Ich schaute sie nur fragend an. Was sollte ich bei einer Therapeutin? Mir fehlte doch nichts. Dachte ich. 

Der Rest der Autofahrt verlief still. Ich war sauer. Warum würde sie mich dahin schleifen? Heute kenne ich die Antwort, doch damals, vor drei Jahren, war ich fest davon überzeugt, dass mir nichts fehlte, dass das alles nur eine Phase war. Immerhin war ich in der Pubertät und da passiert sowas doch bestimmt jedem mal, nicht wahr? Falsch. Ich hatte wirklich keinen Kontakt mehr zu Menschen außer meiner Familie, sperrte mich nun den kompletten Tag über in meinem Zimmer ein und meine Gedanken waren mehr als negativ. Dazu kam der Punkt, dass ich natürlich eine Schulpflicht hatte. Letztendlich wollte meiner Mutter mir nur helfen.

Darauf folgten wöchentliche Besuche bei meiner 'Therapeutin', oder besser gesagt Kinderpsychologin. Ab hier mache ich es kurz. Es dauerte 1 1/2 Jahre und sehr viel schlechtere Zeiten vergingen, bis jemand zur Diagnose Depressionen kam. Die Beziehung zu meiner Psychologin ist so etwas wie eine Hass-Liebe. Die Sitzungen, die ich auch noch heute alle 2 Wochen besuche, tun mir gut, allerdings haben sie mir damals nicht so geholfen, wie sie hätten helfen sollen. Das lag jedoch wahrscheinlich auch größten Teils an mir. Ich strebte mich dagegen. Erzählte ihr, was sie hören wollte, war jedoch froh, dass mir überhaupt jemand zuhörte. Das war nämlich nicht mehr selbstverständlich. Viele meiner damaligen Freunde hatten das Vertrauen verloren, was ich Ihnen auch nicht verübeln konnte, immerhin erzählte ich ihnen nicht, was mit mir los war, als ich beispielsweise mehr als einen Monat nicht zur Schule kam oder wieso ich seit Ewigkeiten nichts mehr mit ihnen unternehmen wollte.

Alles in einem, auch wenn ich damals manchmal vor Wut darüber geheult habe, dass ich mit 15 bereits zu einer Psychologin geschickt werde, bin ich heute froh darüber, dass meine Mutter mich dorthin geschleppt hat. Und auch, wenn es ein langer Weg war, bis eine Lösung gefunden wurde, würde ich es wieder tun. 

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