Als nach 1 1/2 Jahren eine mittel-schwere Depression als Diagnose schwarz auf weiß stand, hatte ich nun im Prinzip eine Antwort, wenn mich jemand fragte, weshalb ich nicht zur Schule gehe, nichts mehr mit Freunden mache und es mir nicht gut geht. Allerdings ist diese Antwort keine, die man gerne jedem preisgibt. Meine Mutter war natürlich die erste, die es gemeinsam mit mir 'erfahren' hat. Im Prinzip war es schon vorher klar, aber wenn man es dann gedruckt auf einem Papier vom Psychologen vor sich liegen hat, ist es doch nochmal eine andere Sache. Wir haben beide relativ gefasst darauf gewirkt, da es im Prinzip eine gute Nachricht war. Gut in dem Sinne, dass man es behandeln kann, jetzt, wo man eine ärztliche Bestätigung hat. Doch trotzdem weiß ich von diesem Tag recht wenig. Obwohl mir schon am Morgen und auf dem Weg zur Psychologin klar war, was am Ende des Tages herauskommen würde, waren meine Gedanken danach wie dichter Nebel. Ich weiß noch, dass wir danach zu meiner Oma gefahren sind, um unseren Hund abzuholen und meine Mutti ihr dann alles erzählt hat. Danach haben beide gemeinsam geweint. Ich nicht. Ich weine allgemein nicht. Ist angeblich auch was psychisches. Mit der Zeit hat es natürlich auch der Rest der Familie erfahren, obwohl ich das eigentlich überhaupt nicht wollte. Es ist zwar Familie, allerdings seh ich den Großteil wenn es hoch kommt 4 mal im Jahr. Und ich finde, Dinge wie Depressionen sind eine ziemlich persönliche Sache, über die man nicht am Weihnachtsabend während des Abendessens redet. Ich verlasse meistens den Raum, wenn das Thema aufkommt. Ich habe einfach keine Lust mir anzuhören, wie jeder seine Ratschläge in die Runde wirft und plötzlich qualifizierter Psychologe ist. Aussagen wie "Dann versuch doch einfach mal positiv zu denken!" oder "Mach doch mal Sachen, die dir Spaß machen. Dann wirst du sehen, dass es dir direkt besser geht!" sind Standard. Wenn das mal so einfach wäre. Ich habe manchmal das Gefühl, niemand versucht auch nur ansatzweise mich und die Krankheit zu verstehen. Alle bilden sich ihre Meinung und versuchen sie mir aufzudrängen. Doch so funktioniert die ganze Sache nicht. Gerade solche Aussagen sind es, die meine Laune wieder in den Keller treiben und dazu führen, dass ich die nächsten Tage wieder in meinem Zimmer hocke und darüber nachdenke, was genau mit mir falsch gelaufen ist. Doch das scheint keinen zu interessieren. Selbst jetzt, wo es mir deutlich besser als vor 2 Jahren geht, muss ich mir solche Sachen noch anhören. Es passiert heute noch, dass ich mal schlechte Tage, Wochen oder sogar mal einen Monat habe. Das ist einfach so. Ich habe mich damit abgefunden, da ich weiß, dass es wieder besser wird, allerdings scheint es für den Rest der Familie gefundenes Fressen zu sein, um mir wieder aufzubinden, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe, sodass ich jetzt im Fortschritt zurückfalle. Anfangs habe ich noch versucht, sie aufzuklären und ihnen zu verstehen zu geben, dass das der Ablauf der Krankheit ist und ich mittlerweile weiß, wie ich damit umgehen muss. Doch die Reaktion ist meist immer die selbe. Ein abwinken und Kommentar drüber, dass ich noch zu jung bin um sowas einzuschätzen und ich doch lieber auf Leute hören sollte, die schon etwas mehr Erfahrung im Leben hätten, als ich sie hab. Und deshalb lass ich es. Ich lasse sie weiter in ihrer kleinen Traumwelt, in der man alles mit einem besserwisserischen Ratschlag besser machen kann.
Mit meinen Freunden war die Sache für mich am schlimmsten. Denn ich musste es ihnen selbst sagen. Was meine Familie anging, war das 'einfacher'. Man hat es einer Person erzählt und die Sache hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. So war das mit meinen Freunden nicht. Eigentlich gut so. Bisher wissen gerade mal drei meiner engsten Freunde davon. Zum einen, weil ich nicht möchte, dass jeder darüber Bescheid weiß, und zum anderen, weil niemand fragt. Klar, anfangs, als ich für lange Zeit in der Schule gefehlt habe, kamen viele Fragen, was denn los sei. Allerdings war das wohl eher einfach nur Neugier und die Angst was zu verpassen, als wirkliches Interesse an mir. Allgemein muss ich sagen, dass viele meiner "Freunde" mehr oder weniger 'Zwangsfreundschaften' sind, bzw. waren. Man war in einer Klasse, einem Freundeskreis oder ähnliches, also musste man wohl oder übel mit einander klar kommen.
Dem entsprechend habe ich es nur Leuten erzählt, denen ich wirklich vertrauen konnte. Und obwohl es nur drei Personen waren, waren es wahrscheinlich die schwierigsten Gespräche, die ich bisher führen musste. Grundsätzlich habe ich immer mit dem Satz "Ich will kein Mitleid." angefangen. Denn das war für mich das schlimmste; Wenn man danach diese Blicke bekommen hat, als wäre man ein Welpe, der gerade einen Tritt bekommen hat. Ich wollte nicht als das arme kleine Mädchen dastehen, dass man mit jedem unüberlegten Wort zum weinen bringen könnte, dann das war und bin ich nicht. Im Gegenteil. Niemand meiner Freunde hat mich jemals weinen sehen. Zum einen, weil ich nun mal verdammt selten Gründe habe, um wirklich in der Öffentlichkeit los zu heulen, andererseits könnte ich das wahrscheinlich auch nicht. Ich habe wirklich Schwierigkeiten damit, Emotionen zuzulassen. Ein weiteres Problem, an dem ich während meiner Therapie arbeite. Wenn ich mich dann nun nach langem Drumherumreden dazu durchgerungen hatte zu sagen, was Sache ist, folgte immer Schweigen. Niemand wusste so wirklich was er sagen sollte, was ich auch verstehen konnte. Ich hätte selbst nicht gewusst, wie ich auf so etwas reagiert hätte,weshalb ich es meisten mit einem dummen Witz versucht habe, um den Ernst etwas aus der Situation zu nehmen. Danach ging es meist mit etlichen Fragen weiter. Was man dagegen machen könne, ob sie etwas für mich tun könnten und so weiter. Ich nahm mir die Zeit und erklärte alles, bis so gut wie keine offenen Fragen mehr waren, was meist eine ganze Zeit brauchte, denn logischer Weise hat man in diesem Alter meist keine Erfahrungen mit depressiven Menschen. (Nebenbei bemerkt mag ich das Wort 'depressiv' nicht. Für mich waren depressive Menschen immer Personen, die 24/7 traurig sind, ihr Leben hassen und kurz vorm Selbstmord stehen. Jetzt, wo ich selbst so betitelt werde, kann ich nur eins sagen; es stimmt nicht. Nicht immer.) Ein Satz, den ich mir immer anhören durfte, war "Aber du wirkst gar nicht so." Anscheinend haben also viele Leute das gleiche Bild wie ich von Depressiven. Doch übel nehmen kann ich es keinem. In meinen schlimmsten Zeiten, in denen es mir verdammt dreckig ging, hat mich keiner meiner Freunde erlebt. Ich habe selbst entschieden, wann sie mich sehen, und das war nun mal ausschließlich, wenn es mir besser ging. Und auch wenn es mir währenddessen mal nicht so gut ging, dann habe ich es überspielt. Das konnte ich sowieso gut.
Man kennt ja diese typischen Tumblr Sprüche wie 'Menschen, die am meisten Lachen, zerbrechen innerlich am meisten'. Früher fand ich diese Sprüche lächerlich, doch mittlerweile kann ich da fast zu stimmen. Klar, es ist etwas überspitzt, aber viele Menschen, die psychische Probleme haben, wirken nach Außen wie die ausgeglichensten, fröhlichsten Leute. Natürlich nicht immer, aber wenn sie müssen.
Nach dem Gespräch ist es eigentlich jedesmal gleich abgelaufen. Man hat an diesem Tag viel darüber geredet, aber das wars dann auch. Teilweise kam meine Krankheit nie wieder zu Gespräch, was wahrscheinlich daran liegt, dass es meinen Freunden ebenfalls unangenehm ist darüber zu reden. Einerseits bin ich froh darüber, da ich, wenn ich Zeit mit Freunden verbringe, nicht die ganze Zeit über solche Themen reden will, andererseits wünschte ich mir schon manchmal, dass ich wirklich jemanden hätte, mit dem ich reden könnte, wenn ich mal wieder eine schlechte Zeit habe. Klar, ich könnte mich einfach an einen von ihnen wenden und drauf los erzählen, sie würde mich nicht davon abhalten, aber ich hätte nichts davon, da keiner von ihnen Erfahrung mit solchen Gefühlen hat. Und das ist auch gut so. Letztendlich würde ich wieder nur gut gemeinte Ratschläge bekommen, die mich jedoch kein Stück weiter bringen würden und mich wahrscheinlich sogar nerven würden. Das soll auf keinen Fall 'undankbar' oder so klingen, aber es wäre für beide Seiten einfach ein unangenehmes Gespräch.
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Mein Leben mit Depressionen
De TodoKeine Fanfiction oder ähnliches. Dieses komplette Buch dreht sich um meine Krankheit und mein Alltag mit ihr. Depressionen. Dieses Buch ist für alle gedacht, denen es ähnlich wie mir ging/geht oder die sich einfach nur dafür interessieren. Es soll...