Kapitel 6

143 6 0
                                    

Ich vergrub mein Gesicht an Mason's Brust und versuchte so leise wie möglich zu sein. Nur einen Schritt müsste er nach links oder rechts machen, denn würde er uns entdecken. Doch er entfernte sich wieder. Irgendwann hörte man in der Ferne die Äste knackten und einen verzweifelten Schrei. Vermutlich hatte er wieder einer seiner Tobsuchtsanfälle und misshandelte gerade einen armen Baum, der am wenigstens für seine Aggresivität konnte. Der Baum tat mir leid.

Meine Knie fimgen an zu zittern und gaben nach. Langsam rutschte ich auf den Boden. Ich vergrub mein Gesicht in meinem Händen und heiße Tränen rollten über meine Wangen. Warum konnte er mich nicht in Ruhe lassen? Warum musste er mir immer wieder auflauern und mir das Leben schwer machen? Warum?

*Flashback-vor gut 7 Jahren*

Ich rannte fröhlich die Straße entlang. Ich hatte Geburtstag und durfte, sobald ich zu Hause war, meine heiß geliebten Geschenke auspacken. Ich freute mich so sehr. Daddy hatte gesagt er hätte eine Überraschung für mich. Was es wohl war? Wieder ein neues Puppenhaus? Ich hatte mittlerweile schon drei. Viele Mädchen aus meiner Klasse sagten mit 10 sei man zu alt für sowas, doch die waren mein ein und alles. Nie würde ich es übers Herz bringen, sie wegzuschmeißen, geschweige denn zu verkaufen oder sontiges. Ich liebte sie über alles. Sie ließen mich in eine fremde Welt eintauchen wo alles perfekt war. Ein Ausgleich zum Alltag. Ich wartete geduldig an der Ampel bis sie auf Grün schaltete. Es war ein Maitag. Die Sonne schien und der Himmel strahlte blau. Doch hätte ich damals gwusst, dass der Schein trügt, wäre ich nie nach Hause gegangen.

Ich stellte mich auf Zehenspitzen um an unser Klingenschild zu kommen. Der Türsummer ertönte und ich drückte die Eingangstür auf. Flott rannte ich die Treppen rauf, in der Hoffnung das alles schon bereit lag. Doch was ich dann sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Mein Vater hatte ein blutiges Messer in der Hand und kam torkelnd auf mich zu. ,,Hallo Schätzchen! Alles Jute zum Jeburtstag!", lallte er und schwamg das Messee gefährlich um seinen Kopf. Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah ihn an. ,,Geh ruhig rein. Geschenke liegen auf dem Tisch. Wie jedes Jahr.", lallte er weiter und machte eine einladene Geste Richtung Wohnung. Zögeend und mit einem gewissen Abstand huschte ich in die Wohnung und wollte die Tür schließen, doch nein Vater hatte andere Pläne. Er stellte seinen Fuß dazwischen und drückte die Tür mit Leichtigkeit wieder auf. ,,Na na na, du wolltest doch deinen Vater nicht aussperren?", fragte er und zeigte mit der Messerspitze auf meine Brust. Natürlich wich ich zurück, doch er kam immer weiter auf mich zu, sodass ich rückwärts in unser Wohnzimmer stolperte. DIe Luft war zum Schneiden dick. Vermutlich hatte er wieder geraucht und getrunken und alles gleichzeitig. Ich dachte irgendwann würde mal eine Wand kommen, gegen die ich laufen würde, aber es kam nix und ich wollte auch nicht über die Schulter gucken. Also lief ich brav weiter nach hinten. Bis ich stolperte. Als ich dann auf meinem Hintern saß und realisierte über was ich gestolpert war, fing ich an zu schreien und alles wurde schwarz um mich herum. Mein Vater hatte meine meine Mutter in unserer Wohnung umgebracht.

*Flashback-Ende*

Erstickte Schlurchzer brachen aus mir heraus und ich zitterte am ganzen Körper. Mason beugte sich zu mir herunter und legte mir einen Arm um die Schultern. Doch das war nicht das was ich wollte. Ich wollte eine richtige Umarmung. Eine, die mich vor dem Untergang bewahrte. Mehr nicht. Ich schüttelte seinen Arm ab und wiegte meinen Oberkörper hin und her. Versuchte mich, wie so oft, selbst zu beruhigen und ließ dann keinen an mich heran. ,,Alli?", Mason's Stimme war irgendwo rechts neben mir. Doch ich wollte nicht reden. Zu groß war die Erinnerung und die Gefühe die in mir tobten. Oft hatte ich auch schon über Selbstmord nachgedacht. Einfach nur um das alles nicht mehr mitmachen zu müssen und um wieder bei meiner Mutter zu sein. Im Himmel. Dort wo alles friedlich war und alles perferkt. Anders als hier auf der Erde. Doch ich wusste das ich zu feige dazu war. Zu feige zu zu geben, dass ich ein anderes Leben wollte. Das ich Hilfe brachte und vorallem, dass ich Liebe brauchte. Irgendetwas das mich nicht zweifeln ließ. Etwas was mir Schutz und Geborgenheit gab. Etwas auf das ich vertrauen konnte. Plötzlich spürte ich zwei Arme um mich herum und wie ich in die Luft gehoben wurde. Vor Schreck holte ich kurz Luft und vergub dann mein Gesicht an Mason's Halsbeuge. Sein Griff um meine Beine wurde stärker und er trug mich weiter bis an eine Hütte. Irgendwie schaffte er es die Tür aufzubekommen und auch das Licht einzuschalten. Er schloss die Tür und setzte sich dann auf eines der vielen Sofas die hier standen. Es war sauber hier und es sah eigentlich.. Es war eine Jagdhütte. Jäger waren vermutlich öfters hier. Ansonsten wäre es nicht so.. Sauber und ordentlich hier. ,,Was war gerade?", flüsterte er und strich mir über den Kopf wie bei einem Welpen. Ich schüttelte bloß den Kopf und klammerte mich noch mehr an ihn ran. ,,Rede mit mir.. Dann wird es besser..", sagte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wollte diese elenden Bilder vertreiben. Ich konnte sie so lange ignorieren. Bis jetzt.

,,Was ist wenn ein Jäger kommt?", fragte ich mit erstickter Stimme. ,,Ich weiß nicht.. Aber es geht nicht darum was dann passiert, sondern was mit dir los ist.", sagte er und guckte schräg auf mich herunter. Ich biss mir auf die Unterlippe und sah an ihm vorbei, an die gegenüberliegende Wand. Viele schöne Geweihe und Köpfe von Wildschweinen und Rehen und Hirschen hingen dort. ,,Ich hatte dich was gefragt.", erinnerte er mich und schob mich ein Stück weit von sich um mich angucken zu können. ,,Ich hab dich auch verstanden.", erwiderte ich gereizt und faltete meine Hände in meinem Schoß. ,,Dann antworte mir doch..", sagte er und sah mich bittend an. ,,Ich kann nicht..", sagte ich und schloss gequält die Augen. Der blutige Körper. Das Messer. Sein dreckiges Grinsen. Wie er näher kam. Und mich lüstern ansah. All das kam wieder hoch. Seine Berührungen. Sein nach Alkohol stinkender Atem. Sein Gekeuche. Sein Gewicht was auf mir lastete. Er. Er als Person. Als 'Tier'. Mein Vater. Mein Peiniger. Mein Vergewaltiger. Sicher fragt man sich jetzt 'Wie kann die dann noch sowas tun?! Die ist doch krank im Kopf!!'.

Nein. Ich war nicht krank im Kopf. Ich war krank im Herz. Ich hatte.. Zumindest glaubte ich, ich sei nix wert. Wollte mehr. Aber hatte kein Geld. Ich mag es mir halt auf anderem erarbeitet. Mehr nicht. Ich stand schon so oft vor dem Spiegel und hatte mich selbst gefragt 'Wie könnte jemand eine wie mich lieben?' Bis heute hatte ich noch keinen Freund gehabt. Keine Zärtlichkeit in dem Sinne gespürt. Ich war allein. Ich war eine Schlampe und allein. Ich hasste mich. Ich wollte nicht mehr. Nicht mehr Leben. Ich war bereit alles hinzuschmeißen und zu gehen.

Kennst du das? Wenn dein Leben von dem einen zum anderen Moment plötzlich keinen Sinn mehr macht? Du dich fragst warum du überhaupt auf dieser Welt bist? Genau jetzt hatte ich diesen Moment. Mein Leben war mir egal. Ich hatte keinen Grund mehr hier zu bleiben. Ich sollte gehen. Ich wollte es sogar. Ich wollte von Mason's Schoß runter, doch er ließ mich nicht. Er hielt mich fest. ,,Lass mich..", murmelte ich schwach und wollte seine Hände von mir weg schieben. ,,Nein, erst sagst du mir was los ist.", sagte er und drückte mich noch näher an sich. ,,Ich kann es dir nicht sagen. Du würdest mich hassen.", sagte ich leise. ,,Wie könnte ich dich jemals hassen? DU bist wundervoll..", seine Worte schmerzten. ,,Nein, bin ich nicht und jetzt lass mich.", ich versuchte meine Stimme stäker klingen zu lassen, doch es brachte nix. ,,Sag mir was los ist.", erwiderte er ruhig. Ich schüttelte den Kopf. Neue Tränen flossen meine Wange herunter. ,,Ich.. Ich.. Ich bin vergewaltigt worden. Von meinem Vater..", nuschelte ich und drückte dann mein Gesicht gegen Mason's Brust. ,,Was?!", fragte er. Er klang aggressiv. Dann sprudelte alles aus mir heraus. Der Tod meiner Mutter. Und der Rest. Ich spürte Mason's Wut wie als wäre es meine eigene. Es tat mir leid. Er konnte schließlich nix dafür und war trotzdem immer für mich da. In jeder Hinsicht. Und jetzt kam auch noch sowas. Ich war froh, dass er mich nicht direkt von sich herunter geschubst hatte. Ich biss mir auf die Lippe und sah ihn an. ,,Du.. Du hasst mich jetzt oder?", fragte ich stotternd. Energisch schüttelte er den Kopf. ,,Wieso sollte ich?", fragte er. ,,Ich.. Ich weiß nicht..", flüsterte ich. Natürlich wusste ich es, aber ich sagte es nicht. ,,Das was passiert ist, kannst du nicht rückgängig machen und es ist ein Teil der zu dir gehört. Ich mag dich nicht weniger dadurch.", sagte er und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. Ich sollte glücklich sein. Aber das einzigste was ich konnte, war heulen. Ich hatte damit gerechnet, dass er anhauen würde. Mich allein lassen würde. Aber nein. Er saß hier mit mir und trocknete meine Tränen. So war das nicht gedacht. Ich musste wieder das 'Bad Girl' werden. Die jeden dazu brachte, ihr zu geben was sie verlangte. Ich konnte nicht so weinerlich bleiben wie jetzt. Vorallem, ich musste lernen meine Gefühle hinter eine Mauer zu verbergen. Musste unnahbar werden. Ich war zu leicht zu durchschauen. Das musste geändert werden. ,,Was geht in deinem hübschen Köpfchen vor?", fragte Mason. Er machte mir Komplimente. Schlecht. Nachher verbirgt sich mehr dahinter. Noch schlechter. ,,Nichts.", entgegnete ich und strich mir einzelne Strähnen hinters Ohr. ,,Wir könnten weg. Für ein paar Tage. Wenn du willst.", stotterte er herum. Warum war er so nervös? ,,Klar.", antwortete ich knapp angebunden und kuschelte mich an seine Brust. Er redete noch, aber ich schlief ein und bekam nichts mehr mit.

The broken Girl [ABGEBROCHEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt