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Michel

Scheiße. Damit konnte man mein derzeitiges Leben wohl ziemlich genau beschreiben.
Mein Eltern ließen sich gerade scheiden, meine Großmutter, die neuerdings bei uns wohnt, schreit ständig herum und die Leute aus meiner Schule... naja, das einzige was die noch am Leben hielt war das Strafgesetzbuch.

Die U-Bahn hielt an.
Wo bin ich jetzt eigentlich?
Egal, ich stieg einfach aus. Ich hatte alle Zeit der Welt, denn es war schon lange nicht ungewöhnliches mehr, wenn ich mal spontan eine Nacht lang weg war. Um mich herum waren lauter Leute in Anzügen, die allesamt telefonierten.
Zum telefonieren musste man ja auch nicht unbedingt am Schreibtisch im Büro sitzen.
Ich hätte auch gern so ein geregeltes Leben. Am Vortag zu wissen was am Morgen kommt ist sicher schön.
Aber das war unmöglich für mich.
Für jemanden der gerade mal genug Geld hatte um sich hin und wieder mal SecondHand-Kleidung und etwas zu essen und zu trinken kaufen konnte.

Long story short: Ein Leben von dem ich nur träumen konnte. Ich war so

"So früh?", fragte einer der Bürofreaks sein Telefon.
"Früh ist um 11:35 abgelaufen. Jetzt ist Vormittag", meinte ich nach einem flüchtigen Blick auf mein Handy.
12:03.
"Schaffen wir das noch?"
"Jo, wir schaffen das! Bob der Meister...", witzelte ich mit einem unnötigen Singsang in der Stimme.
"Okay. Dann bereiten sie die Unterlagen schon mal vor", sagte der Mann, der mittlerweile bereits recht genervt war.
"Und was ist mit den Oberlagen?", fragte ich gespielt schockiert. "Die fühlen sich benachteiligt."
So ging das auch noch auf der Rolltreppe bis hin zum Ausgang weiter. Ich fand das so unglaublich witzig, das es mir komplett egal war das der Wind in der U-Bahnstation meine Frisur zerstört hatte.

Draußen waren noch mehr Büroleute wie in der Bahn und wenn mich nicht alles täuschte war ich sogar der einzige mit normaler Straßenkleidung.
Eigentlich wollte ich mein nicht vorhandenes Gespräch mit dem Bürotypen weiterführen, aber ich konnte den Mann mit dem dunkelblauen Anzug, den schwarzen Haaren und den fetten Augenbrauen nicht wiederfinden.
Ich verzog mich aus der Menge, Menschen waren nicht so mein Fall.

"Da bist du ja!", sagte jemand und packte mich an der Schulter.
Ich traute mich nicht mich umzudrehen oder sonst irgendwelche Bewegungen zu machen außer Atmen.
"Plötzlich hast du kein freches Mundwerk mehr."
Ich sagte noch immer nichts. Vielleicht wurde ich verwechselt?
Aber wenn man bedachte das jeder außer mir gleich aussah, sank die Wahrscheinlichkeit zusehend.
Er drehte mich zu sich und ich kniff instinktiv die Augen zu.
"Mach bitte die Augen auf", bat er mich in einer nett klingenden Tonlage.
Ich tat gar nichts.
"Mach sofort die Augen auf!", befahl er mir in einem Ton, der mir einen kalten Schauer über dem Rücken jagen ließ.
Lass es nicht wehtun.
Lass es nicht wehtun.
Lass es nicht wehtun.
Lass esー
Er griff noch fester zu und zwang mich dazu meine Augen aufzumachen.

Aber vor mir stand nicht Dave, sondern irgendein langweiliger Bürotyp. Und vor dem hatte ich ganze zwei Minuten lang Angst?
Neuer Tiefpunkt.
Was wollte der den jetzt von mir?
Konnte er etwa nicht sehen das ich bereits entnervt genug war und kein Interesse daran hegte, mich mit irgendjemanden zu unterhalten?

Not my BusinessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt