Der Ranzen segelt durch den Raum und landet hart am anderen Ende des Zimmers. Die Mutter kocht gerade und der Golden Retriever erfreut sich noch der Rückkehr seines Jungen Freundes, doch nichts wie raus auf die Straße. Möglichst wenig Zeit in den eigenen bedrückenden vier Wänden verbringen.
So gut wie jeden Tag geht der elfjährige Billy nach der Schule aufgeregt die Straße herunter zum Jugendzentrum und verbringt den Nachmittag mit seinem stummen Freund. Dort angekommen wartet ein blasser, in Herbstfarben gekleideter Junge vor dem Eingang auf ihn.
„Hi, Bryan!“, ruft Billy. Bryan winkt ihm nicht wie gewohnt lächelnd zu, sondern starrt ihn an und tritt beiseite damit Billy eintreten kann.
Sie gehen an einigen Räumen vorbei und den langen Korridor entlang, bis die beiden Jungs in einem Raum mit vielen, bunt vollgekritzelten Tischen ankommen. Sie zeichnen stets zusammen, vor allem, weil dies das einzige ist, wonach Bryan sich hingezogen fühlt.
Sie machen gerne einen Wettbewerb daraus: Die beiden einigen sich auf ein Motiv, zeigen es sich gegenseitig, und wählen schließlich das bessere Bild aus. Dieses Mal soll das zu zeichnende Motiv eine Orange sein. Bryan schafft es noch immer nicht sich ein Lächeln zu erzwingen und fängt einfach an sein Blatt Papier mit einem Wachsmalstift zu bearbeiten. Für gewöhnlich steht Bryan zunächst auf und stapft in die Küche des Jugendzentrums um sich ein Glas Wasser zu holen, welches immer gleich gefüllt ist, er immer an derselben Stelle des Tisches abstellt und wie gewöhnlich keinen Schluck davon trinkt. Eigenartigerweise bestürzt Billy das Ausbleiben von Bryans monotoner Marotten. Er lässt seine Bedenken jedoch fallen und macht sich daran, eine Orange aufs leere Papier zu zaubern. Während er sich bemüht feine, ordentliche Linien zu ziehen, schleift und sägt Bryan auf seinem Papier herum ohne einen Blick davon zu lassen.
Billy hat die Frucht nun mehr oder weniger filigran gezeichnet und hält seinem Freund das Bild nun entgegen: „Fertig!“ Bryan beachtet ihn nicht und ist weiterhin über dem Papier gebeugt. Billy tippt seine Hand an. Der stumme Junge fährt hoch vor Schreck. Er wirft Billy einen ernsten Blick zu und faltet daraufhin sein Blatt Papier zusammen. „Willst du es mir nicht zeigen?“, fragt Billy verwundert. Keinerlei Reaktion. Bryan faltet seine Zeichnung klein und fest zusammen, hebt sich von seinem Sitz, und geht zwei Schritte auf Billy zu. Sie blicken sich in die Augen. Bryans, die üblicherweise Grün waren, sind nun Schwarz und es gibt keinen erkennbaren Übergang von Pupille zu Iris. Er schaute finster drein, als wäre er verärgert über Billy. Der stumme Junge hebt den Arm. Signalisiert Billy das Stück Papier aus seiner Hand zu nehmen. Billy tut es – widerwillig, doch ohne Einspruch. Noch bevor Billy ihn zurückrufen kann, dreht sich Bryan um und verschwindet schnellen Schrittes. Als Billy das Papier, auseinandergefaltet hat runzelte er die Stirn. Es war definitiv keine Orange darauf zu sehen, aber auch nichts anderes, das ihm vertraut vorkommt. Es war lediglich ein schwarzer, unsauber ausgemalter Kreis. Bryan muss den Wachsmalstift fest aufs Papier gedrückt haben, denn man kann die Linien auf der Rückseite ertasten. Billy sieht es sich eine Weile an. Bloß ein schwarzer Kreis.
Wieder Zuhause wirft Billy alle Dinge, die er bei sich hatte in die nächstgelegene Ecke und lässt sich auf sein Bett fallen. Noch immer ist er verwundert wegen Bryans Verhalten. Als wäre gestern etwas mit ihm passiert. Was auch immer vorgefallen sein muss, je länger er an dieses Bild und Bryan dachte, desto mehr wurde Billy flau im Magen. Die Kritzelei strahlte eine Kraft aus, die er sich nicht erklären kann, denn wenn er in die Ecke sah, in die er die Zeichnung hinwarf, war es als würde es ihm etwas mitteilen wollen. Schwachsinn, dachte Billy, es ist doch nur ein Stück Papier.
So zieht der Tag schließlich vorüber und der Mond und die Sterne schmücken den Himmel. Gedanken und Vorstellungen die sich rund um diesen merkwürdigen Nachmittag kreisen lassen ihn aber nicht einschlafen. Als Stunden vergingen, in denen es so ausgesehen hat als würde er die Decke mit Telekinese verbiegen wollen, fielen Billy nun fast die Augen zu. Im selben Moment jedoch, in dem seine Augen ruhen wollen, vernimmt er ein Flüstern – so sanft wie der Wind. Doch der nächtliche Wind würde anders klingen, da ist er sich sicher. Er sah sich kurz im Liegen um, der Junge hatte das Gefühl dieses Geräusch kam aus seinem Zimmer. Aber versuchte wieder die Augen zu schließen, in der Annahme, er hätte es sich im Halbschlaf nur eingebildet. Kurze Zeit später jedoch, säuselt erneut eine Stimme durch den Raum – dieses Mal lauter und doch unverständlich. Jetzt macht es Billy stutzig. Ebenso neugierig wie verwirrt setzt er sich auf die Bettkante. Er horcht, doch nichts außer das leise Summen der Heizung ist zu hören. Er steht auf, stellt sich in die Mitte seines Kinderzimmers auf einen kleinen Teppich, und sieht sich um. Kein Laut ist von Billy zu hören. Nicht einmal sein Atmen. Sowie er den Kopf langsam umherschwenkt, ist für einen kleinen Moment das Flüstern erneut zu hören. Er versucht das Geräusch zu lokalisieren und da… es kommt aus der Richtung, in der die Zeichnung liegt. Er wagt sich langsam vor, sieht das kleine Viereck auf dem Boden und es wird lauter. Billy tritt bei jedem Schritt nur leicht auf, als versuche er zu schleichen. Das Laminat unter seinen Fußsohlen fühlt sich kälter an als sonst. Er steht direkt über dem Blatt. Das was vorher ein Flüstern war klingt nun wie ein sachtes Ausatmen, doch es ist so laut als würde jemand seinen Mund direkt vor Billys Ohr halten. Er hebt die Zeichnung auf. Sie wirkt schwer in seiner Hand. Er führt sie näher an sich ran und faltet das Papier zitternd auseinander. Er blickt auf den schwarzen Kreis und hat das Gefühl er könne hindurch fassen, wie ein Tor zu einer anderen Welt. Er sieht lange hinein und verliert sich fast darin. Plötzlich schreit jemand seinen Namen. Als könne er den Schall auf seinem Körper spüren fällt er auf seinen Rücken und es raubt ihm für Sekunden den Atem. Doch er bleibt ruhig. Ihm ist klar, dass er hätte brüllen und kreischen, und in das Bett seiner Eltern fliehen sollen. Er hob sich vom Boden. Für einen Augenblick steht er nur da und blickt unwillkürlich aus dem Fenster, denn seine Augen wissen nicht wohin. Nun wagt er es nicht seinen Augen zu glauben. In der Dunkelheit zeichnet sich eine Gestalt ab. Schulter und Kopf mag er wage erkennen, doch kein Gesicht. Zuerst fürchtet er sich, dann hat dieses Antlitz aber etwas Anziehendes. Die Gestalt bewegte sich, sie winkte Billy zu, und der Junge kann plötzlich sehen, dass dieser Körper im Dunkeln ein Mann ist. Er sah auch, dass der Mann einen Mantel trägt, dessen rote Farbe kurz zum Vorschein kommt. Nun hält es ihm nicht mehr in seinem Haus. Im Schlafanzug geht Billy hinaus. Der Wille zu diesem Mann zu gehen kann er sich nicht widersetzen, und will es auch nicht. Billy stapft über blanken Stein und Laub. Der Mann wartet bereits vor der Auffahrt auf ihn. Trotz der Dunkelheit konnte Billy ihn nun in seiner vollen Pracht sehen. Es wirkt als würden die Straßenlichter nur diesen Mann anscheinen. Er ist groß, hat weiße, makellose Haut. Sein Haar ist lang und Braun, und sieht weich aus. Unter seinem langen roten Mantel verbirgt sich ein Anzug, zu dem er eine ebenfalls rote Fliege trägt. Der Mann lächelt, ein lächeln, bei dem Billy sich der Magen umdreht. Er ist sich nicht bewusst ob das Gefühl gut oder schlecht ist. Der Mann begibt sich mit dem Jungen auf Augenhöhe. „Magst du Piraten, mein Kleiner?“, fragt er Billy mit seiner dunklen, durchdringenden Stimme. Billy starrt dem Mann in die Augen, gefesselt von seiner Präsenz. Er antwortet nicht. Der Unbekannte fährt fort ohne eine Antwort zu erwarten: „Denn das Bild, dass Bryan dir gemalt hat macht dich fast zu einem“ Er scheint mit Freuden davon zu berichten. „Man nennt das Motiv „Das Schwarze Mal“. Es wurde vor langer Zeit stets weitergegeben, immer an einen ganz besonderen Piraten.“, erzählt der Mann weiter.
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Horrorstorys
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