Concord | New Hampshire - 5

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Während des gesamten Kampfes war ich unfähig irgendetwas aufzunehmen. Ich konnte nichts hören und nichts außer ihm sehen.

Er sah unglaublich gut aus. Ich hatte sein Gesicht eher jung in Erinnerung gehabt, nicht kindlich, aber eben auch nicht alt. Doch jetzt, mit diesem ernsten Ausdruck sah er um so viele Jahre älter aus.

Seine Augen waren wie zwei dünne Schlitze, seine blutigen Lippen brutal aufeinandergepresst und sein Kiefer angespannt.

Jeder Muskel in ihm wirkte bereit und es ging eine ungewöhnlich aggressive Ausstrahlung von ihm aus. Schon klar – das war bei solchen Sportarten nicht unüblich , aber er wirkte wie ein wildes Tier unter Drogen.

Und irgendwie sagte mir mein Gefühl, dass er das hier nicht unbedingt freiwillig tat. Es wirkte erzwungen, widerstrebend, kalt, tot.

Er steckte viele Schläge ein und teilte mindestens genauso viele aus. Ich verlor schnell den Überblick, wer bei diesem Kampf die Oberhand hatte.

Und mit jedem Riss in seiner schönen Haut, mit jedem Tropfen Blut, den er verlor, steigerte sich seine Wut. Vielleicht war es auch sein Kampfgeist, sein Wille zu gewinnen, sein Stolz – ich konnte es beim besten Willen nicht sagen.

Dieser Mann dort unten, mit den blutigen Boxhandschuhen war mir nach wie vor ein Rätsel.

Wie der Kampf ausging bekam ich auch schon gar nicht mehr richtig mit.

Ich hatte angefangen auf den Fingernägeln zu kauen, hatte Angst um ihn. Dabei war ich mir noch nicht einmal sicher, was ich über ihn denken sollte.

Noch immer wie paralysiert wanderte ich nach draußen in die Mittagssonne.

Meine Lunge begann sofort an die frische Luft einzusaugen und bekam einen Hustenkrampf, der hartnäckig wie eine Zecke haften blieb.

Ich ließ meinen knochigen Körper vor den Eingang, auf den Boden sinken und blieb dort schwer atmend und hustend hocken.

Ich sah die drei pinken Kröten an mir vorbei ziehen, in ihrem Schlepptau der andere Junge aus dem Boxring.

Eigentlich war ich sogar ganz froh, dass sie mich nicht sahen. Für Schule war es jetzt eh zu spät und ich war nicht sonderlich gewillt, darüber hinaus schon wieder Zeit mit ihnen zu verbringen.

Zumal ich kein gutes Gefühl hatte, was die Anschmachterei anging. Drei Mädchen ohne Grenzen, willig alles zu tun mit so einem schmierigen Typen in einem Auto – das musste ich mir echt nicht geben.

Ich blieb weiter mit dem Rücken an die Wand gelehnt sitzen, machte meine Augen zu und lauschte Vögeln, Autos und weinenden Kindern. Die Sonne knallte weiter auf meine käseweiße Haut, – mit Sicherheit war ich morgen krebsrot - während aus der Halle die letzten Menschen traten.

Bis schließlich er heraus kam. Er war voll mit verkrustetem Blut und sah unglaublich müde aus. Auf seiner gebräunten Stirn glitzerten ein paar Schweißperlen.

Ich sah vom Boden zu ihm auf und starrte ihn ungehemmt an, genau wie er mich von oben herab musterte.

Schließlich ließ er sich zu mir herab sinken. Dabei fing er unter Schmerzen an zu stöhnen und setzte sich seine Sonnenbrille auf.

„Geht’s?“ Ich hielt ihm bereitwillig meine Hand hin, doch er ignorierte sie und nahm stattdessen die Wand als Stütze um auf den Boden zu kommen.

Als er es endlich geschafft hatte, legte er seinen Kopf in den Nacken und stützte ihn am Gebäude ab.

„Danke Mia, aber ich bin schon groß“ brummte er mir entgegen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 03, 2017 ⏰

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