Kapitel 3

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Yasmine

Yasmine war wütend, vermutlich sogar mehr als das und immer wenn sie ihr Temperament kaum noch beherrschen konnte, gruben sich ihre spitzen Fingernägel tiefer und tiefer in die zarte Haut ihrer Hände. Ihr Vater lief auf und ab, würdigte sie kaum eines Blickes, währenddessen Yasmine mit einer Unmengen an Wörtern um sich warf. „Ich kann es einfach nicht glauben, dass du schon wieder über meinen Kopf hinweg entscheiden wolltest.", schrie sie durch den prunkvoll ausgeschmückten Thronsaal, welcher zudem noch unglaublich hallte, weshalb es so klang als würde der König von allen Ecken beschimpft werden. Den König schienen die Anschuldigungen seiner Tochter nicht wirklich zu interessieren, denn dieser schüttelte nur den Kopf – so wie er es immer tat, wenn Yasmine versuchte ihren Willen durchzusetzen. „Denk doch bitte einmal nach Yasmine."

Wie oft hatte Yasmine diesen Satz in den letzten zehn Minuten wohl gehört, vermutlich öfter als sie es an ihren beiden Händen hätte abzählen können. Ihr Vater vergaß anscheinend, dass sie sehr wohl in der Lage dazu war gut durchdachte Schlüsse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen. Jedoch fand sie die Entscheidung ihres Vaters sie zu einer Heirat zu zwingen weder gut durchdacht, noch äußerst sinnvoll. Allein durch das Herumschwirren dieses Wortes in ihren Gedanken wurde ihr kotzübel. Heiraten und Yasmine waren zwei völlig verschiedene und einander fremde Wörter, die man unter keinen Umständen in eine Verbindung setzen sollte. Das wäre wie ein chemisches Experiment von dem man bereits vorher wusste, dass es alles in die Luft jagen würde und es trotz dessen durchführen lassen wollte.

Yasmines Kopf hatte bereits die rötliche Färbung einer frisch geernteten Tomate angenommen, ihr Vater jedoch, setze sich ganz gemütlich und ohne jegliche Eile auf seinen Thron und schaute sie nur schweigend an. Sie erwiderte das Schweigen, ließ aber tausende von Vorwürfen durch ihre Gedanken schießen. „Mutter hätte nicht gewollt, dass du mich gegen meinen Willen mit irgendeinem daher gekommenen Idioten verheiratest." Der König hasste es, wenn seine Tochter seine einst geliebte Gemahlin erwähnte, nur weil sie wusste, dass dies sein einziger wunder Punkt war. Er erhob sich wie vom Blitz getroffen und warf seiner Tochter einen Blick zu, wie sie ihn noch sie zuvor gesehen hatte. Einen Blick, der nur so gefüllt war von Hass, aber auch von Trauer und Missgunst. Yasmine wusste, dass sie einen Schritt zu weit gegangen war, aber schwierige Situationen erfordern ebenso passende Maßnahmen.

Noch bevor ihr Vater in der Lage war sich seinen Ärger und Zorn aus dem Leibe zu schaffen, betraten Floris und Reena den Raum. In ihren Gesichtern konnte man sehen, dass die beiden nicht wirklich wussten wie sie mit alldem hier umgehen sollte. Yasmine hoffte insgeheim nur, dass wenigstens Reena in der Lage war zu unterscheiden, was für ihre Freundin gut war und was nicht. Bei Floris hingegen hegte sie nicht einmal den kleinsten Hoffnungsschimmer, denn seitdem diese zu einer königlichen Beraterin ernannt wurde, sagte sie zu allem was der König verlangte „Ja" und „Amen.". Floris und Reena verbeugten sich beide gleichzeitig vor ihrem König, was Yasmine irgendwie albern fand, da sie ihn seit ihrer Kindheit kannten und schon immer zu den engsten Freunden der Familie zählten. Reena wandte sich zu Yasmine, doch diese konnte ihrer eigentlich so guten Freundin nicht in die Augen sehen, denn obwohl sie eigentlich alles voneinander wussten, hatte Reena nicht den Mut Yasmine schon vorher die Wahrheit zu sagen. Floris bekam von diesem kurzen Augenblick nicht sonderlich viel mit, doch irgendwie spürte sie, dass eine seltsame Stimmung in der Luft lag.

Der König durchbrach das Schweigen in dem er sich an Floris wandte, die ihn nur erwartungsvoll anblickte. Mit einem „Ich hoffe du kannst meiner Tochter ein wenig Anstand beibringen und ihr zeigen, dass eine Heirat das einzig Logische ist." verließ er den Raum und ließ die drei Freundinnen allein zurück.

Yasmine wollte nicht, dass ihr Floris versuchte Anstand beizubringen, denn den hatte sie schon seit klein auf, sie war schließlich nicht umsonst die einzige Kandidatin für den Thron. „Es haben schon vorher Königinnen regiert und das taten sie prächtig, auch ganz ohne einen Mann, der es vermutlich nur darauf abgesehen hatte der alleinige Herrscher zu werden.", sagte Yasmine, rollte dabei mit den Augen und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. Reena konnte Yasmine in diesem Punkt nur zustimmen, doch ihr fielen einfach nicht die passenden Worte für solch eine Konversation ein und generell war dies auch mehr ein Thema für Yasmine und Floris.

Auch Floris wusste, dass Yasmine Recht hatte, es gab ganz klar Belege dafür, dass es schon früher Regentinnen ohne einen Ehemann an ihrer Seite gab, aber hier ging es nicht allein um dem Thron. Floris war sich nicht ganz sicher, ob Yasmine sich dessen bewusst war.

„Yasmine du solltest dabei nicht an dich, sondern an das ganze Königreich denken.", begann sie, schluckte aber die restlichen Wörter wieder hinunter, da Yasmine sie zu gleich unterbrach.

„Ich hab vorher nie an mich gedacht, alles was ich tue, tue ich für dieses Land, für mein Zuhause. Und ich werde sehr wohl beurteilen können, ob eine Heirat meinerseits etwas Gutes für meine Heimat ist und ich schwöre dir Floris bei allem was mir lieb und teuer ist, das ist sie nicht.", schrie Yasmine, wobei sie mehr ihr Herz als ihren Verstand sprechen ließ. „Ich dachte ihr beide würdet das verstehen. Was bringt mir eine Heirat, was bringt mir die Liebe? Nichts außer Schmerz und Trauer. Seht doch meinen Vater einmal in die Augen, sie spiegeln nur noch seine tiefsten Gefühle und diese werden keinesfalls von Glück durchströmt.", fügte sie anschließend hinzu, ehe sie die Leute, die sie seit ihrer Kindheit wie Schwestern sah, stehen ließ und in einem schnellen Tempo den Saal verließ.

Yasmine wollte jetzt einfach nur noch weg, weg in ihr Zimmer und sich unter den tausend Decken und Kissen in ihrem Bett vergraben. Die Welt und ihre Pflichten nur für einen Moment vergessen. Warum verstand sie keiner? Warum fühlte keiner, was sie fühlte? Diese Frage rasten ihr durch den Kopf, machten sie verrückt, doch sie konnte einfach keine Antworten darauf finden. War es so schwer sich in ihre Lage zu versetzen? Sie wollte nun mal keinen wildfremden Menschen an ihrer Seite, gerade nach dem Tod ihrer geliebten Mutter war sie nicht mehr bereit dazu irgendeine Art von Verbindung mit jemandem einzugehen, die tiefer reichen würde als Freundschaft. Als sie endlich die hölzerne Tür ihres Zimmers erreichte, blieb sie einen kurzen Moment stehen und sah sich um, denn sie hatte vermutet, dass ihr wer folgen würde, doch dies war glücklicherweise nicht der Fall. Yasmine betrat den Ort, der für sie seit ihrer Kindheit zu einem der einzigen Rückzugsplätze gehörte, schloss die Tür hinter sich und sank zu gleich zu Boden.

Niemand würde je erfahren, was sie einmal für Gefühle in diesem Moment spürte.

A Valley full of Pain and SorrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt