Kapitel 4: Der Deal I

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Leider war mir nicht allzu viel Zeit zum Entspannen vergönnt gewesen, denn meine Schicht im Fitzgeralds stand an. Nur eine kurze Dusche und eine Tiefkühlpizza hatten mir meinen kurzen Aufenthalt zu Hause versüßt. Aber es half ja nichts. Ich brauchte das Geld. Also hatte ich mich pünktlich zu meinem Schichtbeginn in dem Irish Pub eingefunden.

Seit Stunden schon trug ich Getränke an die Tische und erfüllte den Kunden ihre Wünsche. Auf den großen Flachbildschirmen wurde das Spiel übertragen, während Kris Kross' „Jump" zum gefühlten hundertsten Mal durch die Boxen dröhnte. All jene, die die Hornets nicht live spielen sahen, oder nicht konnten, befanden sie hier. Zumindest empfand ich das so, denn es gab keinen einzigen freien Tisch mehr. Jeder Korb wurde jubelnd gefeiert und nicht wenige kommentierten die Spielzüge lautstark und hatten natürlich stets bessere Ideen, wie man den Gegner ausspielen konnte. Kurz gesagt es herrschte eine ausgelassene Stimmung, doch bisher verlief alles friedlich. Aber das Spiel war auch noch nicht vorüber und wenn die Fans aus dem Stadion, welches sich nur ein paar Häuserblocks weiter befand, ihren Weg durch die Innenstadt bahnen würden, würde es vermutlich anders aussehen. Besonders, wenn einige von ihnen ins Fitzgeralds kommen würden. Ich verdrängte den Gedanken und konzentrierte mich wieder auf meine Arbeit.

Ich ging an einem Tisch vorbei, an welchem soeben ein paar Männer aufgesprungen waren und laut 'Defense' schrien. Gekonnt balancierte ich das Tablett auf meiner Hand und konnte so verhindern, dass die Getränke sich auf dem Boden verteilten. Innerlich fluchte ich über die Rücksichtslosigkeit mancher Gäste und bahnte mir meinen Weg zu einem der hinteren Tische, die normalerweise von May bedient wurden. Aber sie kam mit den Bestellungen nicht nach, also half ich ihr aus.

Ich widmete den jungen Männern, die an einem großen dunkelbraunen Eichentisch saßen nicht viel Aufmerksamkeit. Stattdessen stellte ich das Tablett auf den Tisch.

»Vier Guinness, zwei Tonic und wer bekommt die Coke?«, fragte ich in die Runde. Die Männer antworteten nicht direkt, sie griffen einfach nach den Getränken, die sich auf dem Tablett befanden. Einige ließen nicht einmal ihren Blick von dem Spiel ab. Mir sollte das recht sein, machte einiges einfacher.

»Die Coke ist für mich«, erklang eine dunkle Stimme aus der Runde. Sofort schnellte mein Blick zu ihm und ich konnte gerade noch ein lautes Seufzen unterdrücken, als ich ihn erkannte. Es war Jack Harris. Wusste er, dass ich hier arbeitete, oder war er rein zufällig hier und wollte genau wie die anderen nur das Spiel sehen?

»Officer Harris.« Ich nickte ihm knapp zu und reichte ihm die Coke, welche er entgegen nahm, allerdings nicht, ohne mir einen eindringlichen Blick zu schenken. Er wirkte nicht zufrieden und als er gerade den Mund öffnete, war ich mir sicher, dass er mich erneut korrigieren wollte, ihn doch endlich Jack zu nennen, also kam ich ihm zuvor.

»Kann ich den Herren sonst noch etwas bringen?«, wendete ich mich an die Runde. Jetzt hatte ich tatsächlich die Aufmerksamkeit einiger, die ihren Blick vom Fernseher lösten. Ein etwas rundlicher Mann, den ich auf etwa vierzig schätzte, lächelte mich freundlich an. »Mach nochmal die gleiche Runde fertig, das dauert ja heute ewig.«

»Sehr gerne«, bestätigte ich ihm seine Bestellung und notierte sie auf meinem Notizblock.

»Von mir aus kann sie ruhig die nächste Runde bringen, solange sie sich danach zu uns gesellt. Auf meinem Schoß wäre noch Platz«, bemerkte ein blondhaariger Mann, der neben Jack saß, und wohl auch, in dessen Alter war. »Ist doch niedlich die Kleine. Vielleicht können wir ja gemeinsam den Sieg feiern«, fügte er noch hinzu, während er einen tiefen Schluck aus seinem Guinness nahm und mich eindringlich musterte. Dabei entging mir nicht, dass er Schwierigkeiten hatte geradeaus zu sehen.

»Halts Maul, Dave!«, herrschte Jack ihn an, woraufhin sich dieser sofort zu ihm umdrehte.

»Wieso wäre doch lustig?«, antwortete Dave nur und verstand offensichtlich nicht, warum Jack kurz davor war ihn mit seinen Blicken zu erdolchen. »Was hat er denn für ein Problem, Matt?«, wendete Dave sich an den rundlichen Mann, der mir zuvor die Bestellung gegeben hatte.

»Halt einfach den Mund, Dave!«, sagte Matt und rollte mit den Augen.

Innerlich musste ich schmunzeln. Ich brauchte keinen Beistand um mir betrunkene Gäste vom Leib zu halten. Doch dieses Platzhirschgehabe war durchaus unterhaltsam. Ich ignorierte Dave und schaute wieder zu Matt. »Noch etwas?«

»Nein, danke!« Matt setzte ein gezwungenes Lächeln auf, während er zu mir hinauf schaute. Ich steckte meinen Kugelschreiber wieder in die kleine Tasche an meiner Schürze und ging zurück zur Bar.

»Tisch 17, nochmal das gleiche«, rief ich May zu. Die Brünette nickte knapp und machte eine weitere Bestellung fertig. Sie wirbelte so hektisch mit Gläsern und Flaschen hinter dem Tresen, dass ich jeden Augenblick damit rechnete, dass etwas zu Bruch ging. Doch May hatte die Sache offensichtlich unter Kontrolle, auch wenn es nicht so aussah.

»Kommst du fünf Minuten ohne mich aus?«, wollte ich wissen, denn ich arbeitete schon seit Stunden und sehnte mich nach einer Zigarette.

»Ja geh nur«, sagte May, ohne mich anzusehen.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich ging zielstrebig durch die kleine Tür, welche auf den Hinterhof führte. Sobald die Tür hinter mir zuschlug, nahm ich die Musik und die Stimmen nur noch gedämpft war. Die Stille hatte etwas Beruhigendes.

Endlich eine kurze Pause. Ich griff nach der Zigarettenschachtel in meiner Schürze und zündete mir eine an. Genüsslich schloss ich die Augen, nachdem ich den ersten Zug getan hatte. Rauchen war definitiv eine meiner schlechteren Angewohnheiten, doch es beruhigte mich und ließ einfach den ganzen Stress wenigstens für ein paar Minuten von mir abprallen. Ich beobachtete zufrieden, wie sich der Rauch seinen Weg in die Dunkelheit bahnte, als ich Schritte hinter mir wahrnahm.

Sofort wirbelte ich herum. »Jack«, gab ich knapp wieder, als ich ihn erkannte. Nein es überraschte mich nicht, dass er hier auftauchte. Vermutlich hatte er beobachtet, wie ich durch den Seiteneingang den Pub verlassen hatte.

»Rauchen ist eine scheiß Angewohnheit«, sagte er und warf meiner Zigarette einen missbilligenden Blick zu, während er seine Hände in den Hosentaschen verschwinden ließ.

»Stalken auch!«, konterte ich trocken und nahm einen weiteren Zug. Als würde mich interessieren, was er dachte. »Was wollen Sie hier?«, fragte ich ihn fordernd.

Er antwortete nicht sofort, stattdessen lächelte er und fuhr sich mit seiner Hand durch sein Haar. »Ich wollte mich für meinen Kollegen entschuldigen«, begann er. »Dave ist ein ziemlicher Idiot, außerdem hat er schon wieder zu viel getrunken.«

Ich machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. »Ich weiß mich durchaus gegen betrunkene Gäste zu wehren. Es ist nicht nötig ...«

»Das würdest du nicht sagen, wenn du ihn kennen würdest«, unterbrach Jack mich.

Nein, das würdest du nicht sagen, wenn du mich kennen würdest, schoss es mir durch den Kopf.

»Aber ich habe ihm klar gemacht, dass ich nicht teile und ich denke, er hat es verstanden«, fuhr er fort.

Bitte, was? Fassungslos starrte ich Jack an, der mich nur fordernd angrinste. »Mr. Harris«, begann ich förmlich, weil ich wusste, dass ihn das störte. »Ich dachte, ich hatte deutlich gemacht, dass ich kein Interesse an einem Date habe.«

Er kam noch einen Schritt auf mich zu. »Und ich dachte, ich hatte deutlich gemacht, dass ich niemals aufgebe«, entgegnete er leise. »Außerdem teile ich nicht, und ich lasse nicht zu, dass irgendjemand meinem Mädchen etwas antut! Dave wird dich ab jetzt in Ruhe lassen.«

Ich rollte mit den Augen und dieses Mal gelang es mir nicht, ein Seufzen zu unterdrücken. »Ich bin nicht dein Mädchen!«, spie ich ihm entgegen.

»Noch nicht«, erwiderte Jack kühl.

»Okay, das reicht jetzt«, sagte ich und ließ meine Zigarette zu Boden fallen. »Sie werden sich von mir fern halten, oder ich werde sie anzeigen! Und es ist mir scheiß egal, wie viele Kollegen auf dem Revier ihnen noch einen Gefallen schulden. Ich lass es drauf ankommen!«

Nichts, aber auch gar nichts war in der Lage das selbstgefällige Grinsen aus Jacks Gesicht zu verbannen. »Soll ich deine Anzeige gleich aufnehmen? Ich muss heute Abend ohnehin noch zur Dienststelle.«

Frustriert warf ich die Arme nach oben und stieß einen Fluch aus. Der Kerl machte mich wahnsinnig.

»Lass mich einfach in Ruhe«, warf ich ihm entgegen und ging wieder in den Pub.

HIS RULESWo Geschichten leben. Entdecke jetzt