Kapitel 11

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Mit stockendem Atem strich ich über die letzten paar Worte des Briefes. 'Es tut mir leid'.

Die schwarze Tinte des M's war leicht verwischt. Als wäre eine Träne drauf gefallen. Den Brief hatte glasklar seine Schwester geschrieben. Einen Abschiedsbrief.

Trotzdem war ich verwirrt. Wen vermisste sie so? Was war den Beiden passiert? Und wer hasste sie? Warum wollte sie unbedingt gehen?

Verwirrt sah ich auf das Wort 'Zuhause', das sie in Anführungszeichen gesetzt hatte. Waren sie hier nicht Zuhause?

Mir huschten so viele Fragen durch den Kopf, doch auf keine hatte ich eine Antwort.

,,Machst du das immer?"hörte ich aufeinmal Damians Stimme. Ertappt drehte ich mich um, in meinen Händen immer noch die beschrifteten Zettel.

Er stand in der Tür, in den Händen zwei Gläser und sah mich an. Doch zu meiner Überraschung sah er nicht wütend aus. Eher als würde er sich unbehaglich fühlen. Er hatte aber allen Recht sauer zu sein. Schließlich hatte ich in seinem privaten Sachen geschnüffelt. Und dieser Brief war wirklich sehr privat. Auch wenn ich nichts verstand.

,,Es tut mir leid. Ich wollte mir nur den Block nehmen und die sind rausgefallen. Tut mir leid. Ich wollte das nicht. Bitte enschuldi..."fing ich an. ,,Schon gut. Ich hätte sie wegräumen sollen."unterbrach er mich und stellte die Gläser ab. ,,Hast du ihn gelesen?"fragte er dann, während er mir die Blätter aus der Hand nahm.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Er würde denken, ich sei eine verrückte Schnüfflerin. Mein Mund blieb zu, während ich unsicher nach Emotionen in seinem Gesicht suchte.

,,Hast du."stellte er dann fest, während sich seine Lippen zu einer graden Linie verzogen. Mein Blick hatte mich verraten. ,,Es tut mir..."setzte ich erneut an. ,,Hör auf dich zu entschuldigen."unterbrach er mich wieder. Diesmal schroffer als zuvor. Er fuhr sich aufgebracht durch die Haare, versuchte aber, sich wieder zu beruhigen. Dabei würde ich verstehen, wenn er jetzt vor Wut explodieren würde.

Aber das tat er nicht. Anstatt mich anzuschreien, löste sich der Knoten zwischen seinen Augenbrauen und seine Gesichtszüge wurden weicher.

,,Lass uns einfach anfangen, ok?" Er setzte sich auf einen Stuhl und klappte die Bücher auf. Sprachlos sah ich ihn dabei zu. War das jetzt sein Ernst?

Verwirrt ließ ich mich auf dem Stuhl neben ihm nieder. ,,Also wir waren das letzte mal hier. Kannst du mir das nochmal erklären?"fragte er dann und deutete mit dem Finger auf die Seite im Buch. Ich beschloss einfach mitzumachen; So tun als wäre nie etwas passiert.
Bis wir schon fast zwei Stunden gelernt hatten und ich es nicht mehr aushielt.

Damian hatte grade eine dicke Mauer um sich aufgebaut. Er wehrte alles ab. Und vorhin war er nur nicht wütend geworden, weil er alles dafür gab keine Emotionen zu zeigen. In mir stieg der Wille diese Mauer einzubrechen. Doch mir war bewusst, dass ich absolut kein Recht dazu hatte. Dafür kannten wir uns zu wenig.

Ich sog tief die Luft ein, um mir ein wenig Mit zu machen, ehe ich das nächste sagte: ,,Hey Damian? Ich will dich zu nichts drängen, aber ich will, dass du weißt, dass du mit mir reden kannst, wenn du willst. Ich werde dir gerne zuhören. Ich weiß, es ist leichter gesagt, als getan, aber du kannst mir vertrauen."

Die Worte klangen zwar nicht so schön, wie ich sie mir im Kopf zusammengespinnt hatte, denoch waren sie jetzt wenigstens ausgesprochen.

Damian löste den Blick von der Aufgabe und lenkte ihn auf mich. Ich wollte ihm in die Augen sehen, um meinen Worten mehr Glauben zu geben, doch wie immer ließ er es nicht zu. Er räusperte sich kurz und setzte sich aufrecht hin. ,,Ja, danke."sagte er dann lächelnd.

Mir wäre beinah der Mund meterweit aufgeklappt, so entsetzt war ich. Wie jetzt? Das war's? Ja, danke?

Schnell versuchte ich mich wieder zu fassen, jedoch stand mir die Verwirrung zu sehr ins Gesicht geschrieben.

,,Sollen wir mit dem Proben anfangen?"fragte er dann, stand auf und lief zu seinem Nachtschrank, aus dem er das Skript hervorzog.

Ich sah, wie er sich kurz über das Gesicht strich, die Augen schloss und tief durchatmete. Hätte ich ein bisschen länger darauf bestanden, dann hätte er die Fassung vielleicht doch verloren.

Als er mein etsetzten Gesichtsausdruck wahrnahm, seuftzte er auf. ,,Hör mal, das ist echt lieb von dir, aber da gibt es nichts, worüber ich mich mit dir unterhalten wollen würde."sagte er dann sanft. Trotzdem:

Autsch.

,,Also, womit wollen wir anfangen?"fragte er dann und kam wieder auf mich zu. Ich beschloss einfach darauf einzugehen und schlug ihn vor, wie wir vorgehen könnten.
Ich hatte kein Recht dazu weiter nachzuhaken.

Damian nickte einverstanden und wir fingen an zu proben.

Bis mein Blick auf die Uhr fiel. ,,Oh, ich muss los."sagte ich, während ich meine Sachen zusammenpackte.

,,Ich begleite dich runter."meinte er und hielt mir wieder die Tür auf. Schweigend gingen wir die Treppe runter.
,,Wann treffen wir uns das nächste mal?"fragte er, als ich auf dem Boden hockte und versuchte meine Schuhe schnell anzuziehen. Warum war das auch so schwer?

,,Diese Woche habe ich viel mit dem Theater zutun. Vielleicht nächste Woche Mittwoch? Dann könnten wir auch zu mir."machte ich einen Vorschlag. Bei meinen letzten Worten hellte sich in Damians Gesichtsausdruck irgendwas auf.

,,Damian, das Essen ist...oh."hörte ich da jemanden sagen. Ich blickte auf. Mein Kopf wahrscheinlich rot vor Anstregung meine dummen Schuhe anzuziehen. ,,Ich wusste gar nicht, dass du Besuch hast."

Im Türrahmen stand eine zirliche Frau. Mit kinnlangem blonden Haar und strahlend blauen Augen. Ich würde ja behaupten, sie wäre seine Mutter, doch die Ähnlichkeit zwischen ihnen hielt sich in Grenzen. Eigentlich war die überhaupt nicht vorhanden.

,,Natalia wollte grade auch schon gehen."antwortete er knapp. Erleichtert, meine Schuhe endlich anzuhaben, richtete ich mich auf. Lächelnd nickte ich und griff nach meiner Jacke. ,,Du kannst auch gerne zum Essen bleiben."bot sie mir an, kassierte dafür aber den wohl heftigsten Killerblick von Damian, den ich je gesehen hatte.

,,Nein danke. Ich muss jetzt wirklich los."lehnte ich höflich ab, während ich näher zur Tür trat. ,,Schade. Damian, du hast uns deine neue Freundin gar nicht richtig vorgestellt. Es würde mich wirklich freuen, wenn du mal zum Essen vorbeikommen würdest, Natalie."sagte sie dann.

,,Natalia ist nicht meine neue Freundin, Lena."stellte er klar und betonte meinen Namen, da sie ihn vorhin falsch ausgesprochen hatte. ,,Und ich denke sie hat momentan zu viel zu tun."redete er weiter.

Ich stieg sofort drauf ein und öffnete die Tür. ,,Genau, auf Wiedersehen."lächelnd winkte ich ihr zu, bis Damian mir die Sicht zu ihr versperrte, indem er sich vor mich stellte.

Immer noch lächelnd blickte ich zu ihm auf. ,,Tschüss Damian."
verabschiedete ich mich von ihm. Damian lächelte auch. Nur fehlte das kleine Grübchen, dass es zu einem echten machen würde. ,,Tschüss Talia." Er berührte noch leicht meinen Unterarm, ehe ich mich umdrehte und auf dem Heimweg machte.

Mit lauter unbeatworteter Fragen im Kopf.

Damn actingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt