Prolog

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Sie stand vor der Tür und versuchte das zu verarbeiten was ihr gerade an den Kopf geworfen wurde. Jetzt hatte sie also auch noch ihren besten Freund verloren. Das hatte doch alles keine Bedeutung mehr, dachte sie sich. Geschlagen hob sie ihre Tasche vom Boden. Ein letztes Mal schaute sie über ihre Schulter; zu dem Haus in dem sie aufgewachsen war, in dem sie aber nie Kind sein konnte.

Sie sog die kühle Luft des Winterabends ein und beschloss in diesem Moment, etwas hier zu lassen. Etwas, was sie liebte und das immer bei ihr gewesen war. Ihre Mutter hatte es immer so hasserfüllt angestarrt. Sanft strich sie durch ihr Haar. Sie würde es hier lassen und mit ihm all ihre Erinnerungen an diesen schrecklichen Ort. Sie ließ die Tasche wieder auf den Boden sinken, schloss die Tür des Hauses auf und schlich in die Küche. Mit dem schärfsten Messer, dass sie finden konnte schnitt sie es ab. Ihre langen Haare fielen auf die Fliesen der Küche.

Mit einem kleinen Zettel und dem Schlüssel drapierte sie ihren Stolz auf dem Tisch und verschwand mit allem, was sie noch hatte, in die Nacht. Niemand hatte ihr Verschwinden bemerkt und die kleine Nachricht wurde erst am Morgen von einem jungen Mann entdeckt. Er hatte verblüffende Ähnlichkeit mit dem Mädchen. Verstört schaute er auf die Haare; und musste realisieren, dass er sie verloren hatte, seinen Zwilling. Die Eltern der beiden sahen nur den Schlüssel und das Haar. Sie zeigten keine Gefühlsregung. Nur wenn man genau hinsah, sah man die feuchten Augen des Mannes. Die Frau, ihre Mutter, hatte nicht mal dies. Es war ihr vollkommen egal, dass sie verschwunden war. Sie hatte sich nie viel aus ihrer Tochter gemacht. Warum also trauern, wenn die zusätzliche finanzielle Belastung endlich das Weite gesucht hatte?

Dem jungen Mann ging das alles viel näher, als er sich es ansehen ließ. Er hatte schon lange vor ihrem Verschwinden damit angefangen, sie zu ärgern und zu piesacken oder gar zu ignorieren. Aber er hatte sie immer geliebt. War sie doch die Einzige gewesen, die auch dann bei ihm geblieben war, wenn es ihm mal schlecht gegangen war. Sie war es gewesen, die ihm und seinem besten Freund nach einer durchzechten Nacht das Frühstück gebracht und immer daran gedacht hatte, Kopfschmerztabletten neben das Essen zu legen. Aber umso erstaunter war er über die Nachricht, die sie ihm hinterlassen hatte. Die Nachricht, die das Mädchen ihm geschrieben hatte, war nur an ihren Zwillinge gerichtet. Es waren nicht viele Worte, nur drei, und doch sagten sie viel mehr als tausende von Worten es getan hätten:

                                                           " Mach Jack Glücklich"

Das Wiedersehen mit einer UnbekanntenWhere stories live. Discover now