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Die letzten Minuten liefen. Ruhelos sah ich hin und her, versuchte mich zu beruhigen, aber rief mir dann ins Gedächtnis, dass von meiner Panik sowieso keiner etwas mitbekam, außer Hoseok, welcher noch immer auf dem selben Platz stand, wie die ganze Zeit.

Manchmal warf er mir fragende Blicke zu, wechselte dann aber wieder zu seiner üblichen, traurig versteinerten Miene und sah wieder aus dem Fenster, das nichts zeigte, außer vorbeirasenden Beton, welcher meistens in totaler Finsternis lag.

Mir war kalt und ich sehnte mich nach warmem Licht. Nach schönen Sonnenstrahlen und dem Geruch von frisch gemähtem Gras.
Ich stellte mir den Geruch vor, atmete tief ein und entspannte mich wieder.
Als ich einen weiteren Atemzug nehmen wollte, kratzte etwas in meiner Lunge und ich begann zu husten. Ich kniff die Augen zusammen und schnappte nach Luft, doch das Kratzen wurde nur schlimmer.

Leicht öffnete ich meine tränenden Augen und sah um mich herum dichten, schwarzen Rauch. War es jetzt schon vorbei? Aber ich hatte gar keinen Aufprall verspürt, nichts, das sich wie der kommende Tod anfühlte.

Aus dem dichten Nebel trat eine Gestalt sicher auf mich zu. Als sich mein Blick langsam klärte und ich versuchte mit meinem Ärmel die Luft zu filtern, trat der Spielleiter vor mich, wieder in Hoseoks gestalt.
"Es ist gleich vorbei. Keine Sorge. Du wirst gleich wieder frei atmen können.", sagte er ruhig und ging vor mir in die Hocke.
"Ich habe eine Bitte an dich. Du warst die ganze Zeit stark, die gesamte Zeit hast du alles ertragen, was du über Hoseok und seine Vergangenheit erfahren hast. Bitte bleib auch stark für das, was folglich noch kommt."

Ich nickte stark, schlimmer konnte es sowieso nicht mehr werden. Das hoffte ich zumindest inständig. Der Spielleiter richtete sich wieder auf, trat ein paar Schritte zurück, aber nicht so weit, dass er in dem schwarzen Qualm komplett verschwand.
Es war noch immer sein trauriges Gesicht zu sehen, seine besorgte Miene und als ich bei einem weiteren Hustenanfall die Augen schließen musste, wusste ich beim Wiederaufmachen der Augen gar nicht, welchen der beiden jungen Männer ich nun ansehen sollte.

Hoseok, scheinbar der wahre Hoseok, stand verwirrt in dem Nebel und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, während er den Ärmel seines anderen Arms vor Mund und Nase hielt. Der andere Mann hatte den Blick auf mich geheftet, so wie der Spielleiter zuvor in Hoseoks Gestalt. Seine Kleidung war durch und durch weiß und weder das rötliche Licht färbte sie, noch wurde sie von dem schwarzen Nebel überdeckt. Als flog er einfach an ihm vorbei.

War das ...
"Taehyung?", fragte Hoseok, als er die strahlende Gestalt neben sich erblickte. Sein Ton war überrascht, traurig. Nur einen Sekundenbruchteil, nachdem er den Namen ausgesprochen hatte, rannen ihm Tränen die Wangen hinunter.

Er wollte auf ihn zugehen, doch Taehyung trat einen Schritt zurück.
"Berühr mich nicht, es würde uns beide nur enttäuschen."
Hoseok hielt inne und ließ die ausgestreckten Arme langsam wieder sinken.

Ich beobachtete den wechselnden Blickaustausch der beiden. Beide Männer wechselten ihren Blick von einem vermissenden, zu einem seltsam traurigen aber gleichzeitig glücklichen, zu einem wütenden und dann zu einem wissenden Blick, der nur unter zwei richtigen Freunden stattfinden konnte. Besten Freunden.

"Bist du ... ein Engel, oder sowas? So wie es aussieht, bist du nicht in die Hölle gekommen, wie wir es uns beide früher immer geschworen hatten."
Taehyung schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf.
"Nein, mit diesen Jugendstreichen, die wir zwischendurch mal verzapft haben, würden wir sicher nicht in die Hölle kommen. Ja, ich bin ein Engel und du hast gute Chancen ebenfalls mal einer zu werden. Irgendwann."

Ich rappelte mich auf, konnte die beiden nicht länger anstarren und wollte sie bei ihrem vermutlich letzten Gespräch alleine lassen, aber eine Stimme hielt mich mitten im Schritt auf.
"Aber es geht hier nicht darum, was ich bin. Es geht um dich. Und um sie."

Truth Seeker || jung hoseokWo Geschichten leben. Entdecke jetzt