Ich werde dich finden!

926 32 12
                                    

*Carl*

29.01.2020

Meine Kräfte schwinden. Fühle mich so schlapp und ausgelaugt. Der Winter ist erbarmungslos. Die Suche nach dir musste ich unterbrechen... Es bricht mir das Herz entzwei, aber es ist so anstrengend, alleine mit einem Kleinkind unterwegs zu sein. Es ist anstrengend und gefährlich, so Beißer zu begegnen. Wir haben Unterschlupf auf einem alten Bauernhof gefunden. Weit außerhalb der Stadt. Es ist so schwer ohne Hilfe und Unterstützung. Wie gerne würde ich sofort nach dir weitersuchen. Aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wo wir sind. Habe nicht die geringste Ahnung, wo du bist. Habe nicht die geringste Ahnung, wo dein Ort ist. Habe nicht die geringste Ahnung, wie weit es bis zu dir ist. Wir werden uns hier eine Weile verstecken. So lange, bis er etwas größer ist. Etwas besser laufen kann. Es etwas wärmer ist. Ich habe die Suche nicht aufgegeben. Das werde ich niemals! Ich habe die Suche nur für den Moment unterbrochen. Ich werde dich weitersuchen! Und ich werde dich finden! Das weiß ich!

Auch in diesem Buch las ich mir Eintrag für Eintrag durch. Es war bis zur letzten Seite vollgeschrieben. Mal liefen mir die Tränen, mal musste ich lächeln. Mal wurde ich wütend und verzweifelt, mal fluchte ich leise vor mich hin. Sie mussten so unglaublich viel durchmachen. Und ich konnte ihnen nicht beistehen. Ich las mir Tagebuch für Tagebuch durch, bemerkte gar nicht, dass es langsam zu dämmern anfing. Mittlerweile war ich beim letzten Tagebuch angekommen, genauer gesagt, bei den letzten Seiten.

19.05.2021

Es tut mir so wahnsinnig leid, dass ich wieder gegangen bin. Dass ich dich wieder alleine gelassen habe. Es tut mir selber so unglaublich weh. Wie muss es dir da erst gehen? Ich vermisse dich so sehr. 62 Tage. 62 verdammt lange Tage. 62 verdammt lange Nächte. Doch ein Ende ist in Sicht. Ein Ende von diesem Alptraum und dann werde ich zu dir zurückkommen. Wir werden dann zu dir kommen. Und ich werde dich dann nie wieder alleine lassen. Werde dich nicht wieder zurücklassen. Vorausgesetzt, du möchtest es dann auch noch. Ich habe dir so weh getan. Zweimal so unglaublich wehgetan. Und es tut mir leid. So leid. Doch ich musste so handeln. Ich hoffe sehr, eines Tages wirst du es verstehen. Ich hoffe sehr, eines Tages wirst du mir verzeihen können. Jonah geht es gut. Er spielt gerade mit seinen Bausteinen und baut fleißig Türme, die er dann lachend umschmeißt. Klatschend hüpft er dann freudestrahlend durch das Zimmer, nur um dann wieder von vorne anzufangen mit dem bauen. Sie tun ihm nicht gut. Sie wollen ihm nichts Gutes. Sie lehren ihm den Umgang mit Waffen und Messer. Ich weiß, dass das sein muss. Aber nicht jetzt. Nicht von ihnen. Er ist doch noch so jung. Er sollte es noch nicht lernen. Er sollte einfach Kind sein dürfen. Er sollte lachen und spielen. Sich dreckig machen und einfach Spaß haben. Aber ich arbeite daran, dass zu unterbinden. Das zu beenden. Dann ist es vorbei. Für ihn. Für mich. Und wir kommen zu dir.

06.06.2021

Mein Plan steht. Ich habe alles genau durchdacht und geplant. Jetzt muss sich nur noch eine passende Gelegenheit bieten und es ist vorbei. Dann kann ich alles hinter mir lassen. Bald, mein starker Cowboy. Bald werden wir uns wiedersehen. Jonah wird immer ruhiger. Zieht sich immer mehr zurück. Ihm setzt das alles hier viel zu sehr zu. Ich muss mein Plan bald umsetzen. Für Jonah.

22.06.2021

97 Tage. 97 verdammt lange Tage. 97 verdammt lange Nächte. Doch ein Ende ist in Sicht. Morgen. Morgen werde ich endlich wieder bei dir sein. Werde dich endlich wieder in den Arm nehmen können. Werde dich endlich wieder küssen können. Werde dich endlich wieder berühren können. Werde endlich wieder deinen Duft einatmen können. Jonah weiß noch gar nichts von seinem Glück. Er liegt gerade auf der Rückbank des Autos und schläft friedlich. Ich habe ihm noch nicht erzählt, dass ich dich gefunden habe. Ich hätte es ihm gerne gesagt. So gerne. Doch die Gefahr, dass er sich bei ihnen verplappert, wäre zu groß gewesen. Denken sie doch, dass sein Papa schon lange tot ist. Beziehungsweise, haben sie es gedacht. Nun können sie nicht mehr denken. Nun verrotten und schmoren sie in der Höhle. Morgen. Morgen, kurz bevor wir Alexandria erreichen. Kurz bevor wir bei dir sind, werde ich ihm sagen, dass ich dich gefunden habe. Dass er dich bald kennenlernt. Das sich sein größter Wunsch bald erfüllt. Er hat ein wenig Angst, dass du ihn nicht liebhaben könntest. Weil du doch nichts von unserem wunderschönen und perfekten Engel weißt. Ich weiß, es wird ein Schock für dich. Aber ich glaube fest daran, dass alles gut wird. Dass wir eine Familie sein können. In meinem Bauch kribbelt es jetzt schon so sehr, wenn ich an Morgen, wenn ich an dich, denke.

Du bist mein Leben. Du bist mein Glück. Du bist meine Hoffnung. Du bist mein Atem. Du bist meine Luft. Du bist meine Kraft. Du bist meine Sonne, die mich wärmt. Du bist mein Mond, der nachts über mich wacht. Du bist mein hellster Stern, der mir nachts den Weg leuchtet. Du bist mein Regen, der meine Traurigkeit wegwäscht. Du bist meine Seele. Du bist mein Herz. Du bist mein Leben. Du bist alles für mich. Du bist meine eine große Liebe! Diese eine große Liebe, die niemals endet! Ich liebe dich!

Schniefend las ich mir die letzten Zeilen immer und immer wieder durch. Sie waren so wunderschön. Sie trafen mich direkt ins Herz. Sie wärmten mich von innen. Sie sprachen das aus, was ich fühlte. Was ich für Rose fühlte. Wir liebten einander so sehr, dass es wehtat und doch war es der schönste Schmerz, den es auf dieser Welt gab.

Lange saß ich hier und ließ alles Gelesene sacken, dann war ich wieder einen Blick in die Holzkiste. Sie war immer noch nicht leer. Ich legte das kostbare Tagebuch beiseite und nahm einen weiteren Umschlag heraus. Jonahs erste Haarsträhne, stand dort drauf. Ich sah vorsichtig hinein und konnte eine braune Haarsträhne entdecken. Sie war etwa 5cm lang und in dem gleichen braun, wie meine Haare sind. Vorsichtig, als könnte es kaputtgehen, legte ich auch diesen Umschlag beiseite. Nahm nun einen dunkelblauen Schnuller heraus. Ein kleiner Prinz, umgeben von ein paar kleinen Sternen, war auf diesem abgebildet. Ich fand den wirklich süß. Sorgfältig legte ich alles zurück in die blaue Holzkiste und verschloss sie wieder. Ließ meine Finger nun über den kleinen Engel wandern.

Sie hatte mich dran teilhaben lassen. Sie hat mich an der Schwangerschaft und an seiner Entwicklung teilhaben lassen. Sie hat Recht. Es ersetzt nichts. Diese Erinnerungen werde ich nie mit ihr oder ihm teilen können. Und doch bedeutet mir diese Geste von ihr so unglaublich viel. Sie hat mich nie vergessen. Sie hat nie aufgegeben, nach mir zu suchen. Sie ist immer wieder zu mir zurückgekehrt. Diese Bücher zu schreiben war sicher gefährlich. Wenn sie die entdeckt hätten... Ich mochte mir nicht ausmalen, was dann passiert wäre und doch hat sie regelmäßig weitergeschrieben. Hat mir damit die Chance gegeben, dass alles irgendwie doch mitzuerleben.

Mittlerweile war es dunkel geworden. Ich machte mir wieder mein Verband um mein Auge. Ich mochte es nicht, wenn es jeder sehen konnte. Ich fand es hässlich. Ich fand mich hässlich. Und trotzdem sah mich Rose an, als wäre ich etwas ganz Besonderes. Ließ es mich vergessen. Ich musste jetzt ganz schnell zu ihr. Wollte sie einfach nur in den Arm nehmen. Schnell stand ich auf, nahm die Kiste und begab mich zu Maggie. Glenn öffnete mir die Tür und ich folgte ihm ins Wohnzimmer. Rose saß auf der Couch und ihr Blick wanderte zu mir, als ich den Raum betrat. Ich setzte mich neben sie und zog sie einfach auf meinen Schoß. Schlang meine Arme fest um sie und drückte sie an mich. Verbarg mein Gesicht in ihrem offenen Haar.

Angekommen (Carl Grimes, The walking dead FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt